The Project Gutenberg EBook of Die Juedin von Toledo, by Franz Grillparzer Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 8-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. Die Jüdin von Toledo Franz Grillparzer Historisches Trauerspiel in fünf Aufzügen ----------------------------------------------------------------- Personen: Alfonso VIII., König von Kastilien Eleonore von England, dessen Gemahlin (Tochter Heinrichs II.) Der Prinz, beider Sohn Manrique, Graf von Lara, Almirante von Kastilien Don Garceran, dessen Sohn Doña Clara, Ehrendame der Königin Die Kammerfrau der Königin Isaak, der Jude Esther und Rahel, dessen Töchter Robert und Ramiro, des Königs Knappen Alonso, Diener Standesherren, Hofdamen, Bittsteller, Diener und Leute aus dem Volk Ort der Handlung: Toledo und Umgebung Zeit: um das Jahr 1195 Erster Aufzug Im königlichen Garten zu Toledo. Isaak, Rahel und Esther kommen. Isaak. Bleib zurück, geh nicht in Garten! Weißt du nicht, es ist verboten? Wenn der König hier lustwandelt, Darf kein Jüd'--Gott wird sie richten!-- Darf kein Jüd' den Ort betreten. Rahel (singt). La, la, la, la. Isaak. Hörst du nicht denn? Rahel. Ei, wohl hör ich. Isaak. Nun, und weichst nicht? Rahel. Hör, und weiche doch nicht. Isaak. Je, je, je! Was sucht mich Gott? Gab doch meinen Deut den Armen, Hab gebetet und gefastet, Weiß nicht, wie Verbotnes schmecket, Je, und dennoch sucht mich Gott! Rahel (zu Esther). Ei, was zerrst du mich am Arme? Und ich bleib und gehe doch nicht. Ich will mal den König sehen; Und den Hof und all ihr Wesen, All ihr Gold und ihr Geschmeide. Soll ein Herr sein, weiß und rot, Jung und schön, ich will ihn sehn. Isaak. Und wenn dich die Knechte fangen? Rahel. Ei, ich bitte mich wohl los. Isaak. Ja, wie deine Mutter, gelt? Die sah auch nach schmucken Christen, War nach Misraims Töpfen lüstern. Hielt ich sie nicht streng bewacht, Glaubt' ich--nu, Gott wird verzeihen!-- Deine Torheit stamme dorther, Sei ein Erbteil schnöder Christen. Da lob ich mein erstes Weib, (zu Esther) Deine Mutter, brav wie du, Wenn auch arm. Was nützte mir Auch der Reichtum jener zweiten? Hat sie nicht damit geschaltet, Schmaus und Gastgebot gehalten, Schmuck gekauft und Edelstein? Schau! sie ist wohl ihre Tochter! Hat sie sich nicht rings behangen, Prangt sie nicht in stolzen Kleidern, Als ein Babel anzusehn? Rahel (singend). Bin ich nicht schön, Bin ich nicht reich? Und sie ärgern sich, Und mich kümmert's nicht. La la la la. Isaak. So geht sie auf reichen Schuhen; Nützt sie ab, frägt nichts danach, Jeder Schritt gilt einen Dreier. Hat im Ohr ihr reich Geschmeide, Kommt ein Dieb und nimmt ihr's ab, Fällt's in Busch, wer findet's wieder? Rahel (ein Ohrgehänge abnehmend). Sieh, so schraub ich's los und halt es. Wie das blitzt und wie das flimmert! Und doch acht ich's so geringe, Wenn mir's einfällt, schenk ich's dir, (zu Esther) Oder werf es von mir. Sieh! (Sie macht mit der Hand eine fortschleudernde Bewegung.) Isaak (nach der Richtung des Wurfes laufend). Weh, o weh! Wo flog es hin? Weh, o weh! Wie find ich's wieder? (Er sucht im Gesträuche.) Esther. Ei, was kommt dich an? Das Kleinod-- Rahel. Glaubst du denn, ich sei so töricht Und verschleuderte das Gut? Sieh! ich hab's, halt's in der Hand, Häng es wieder in mein Ohr, Weiß und klein, zum Schmuck der Wange. Isaak (suchend). Weh! Verloren! Rahel. Vater, kommt nur! Seht, das Kleinod ist gefunden, 's war ja Spaß nur. Isaak Daß dich Gott--! So zu spaßen! Und nun komm! Rahel. Vater, jedes, nur nicht dies. Ich muß mal den König sehen, Und er mich, ja, ja, er mich. Wenn er kommt und wenn er fragt: Wer ist dort die schöne Jüdin? Sag, wie heißt du?--Rahel, Herr! Isaaks Rahel! sprech ich dann, Und er kneipt mich in die Backen. Heiße dann die schöne Rahel. Mag der Neid darob zerplatzen, Wenn sie's ärgert, kümmert's mich? Esther. Vater! Isaak. Wie? Esther. Dort naht der Haufen. Isaak. Herr des Lebens! Was geschieht mir? 's ist Rehabeam und sein Volk. Wirst du gehen? Rahel. Vater, hört doch! Isaak. Nun, so bleibe! Esther komm! Lassen wir allein die Törin. Mag der Unrein-Händ'ge kommen, Sie berühren, mag sie töten! Hat sie's selber doch gewollt. Esther komm! Rahel. Je, Vater, bleibt! Isaak. Immer zu! Komm, Esther, komm! (Er geht.) Rahel. Ich will nicht allein sein! Hört ihr? Bleibt!--Sie gehn--O weh mir, weh! Ich will nicht allein sein! Hört ihr? Ach, sie kommen.--Schwester! Vater! (Eilt ihnen nach.) (Der König, die Königin, Manrique de Lara und Gefolge kommen.) König (im Auftreten). Laßt näher nur das Volk! Es stört mich nicht; Denn wer mich einen König nennt, bezeichnet Als Höchsten unter vielen mich, und Menschen Sind so ein Teil von meinem eignen Selbst. (Zur Königin gewendet.) Und du, kein mindrer Teil von meinem Wesen, Willkommen mir in dieser treuen Stadt, Willkommen in Toledos alten Mauern. Sieh rings um dich, und höher poch dein Herz, Denk nur, du stehst an meines Geistes Wiege: Hier ist kein Platz, kein Haus, kein Stein, kein Baum, Der Denkmal nicht von meiner Kindheit Lose. Als ich vor meines bösen Oheims Wüten, Des Königs von Leon, ein vaterloser, Der Mutter früher schon beraubten Knabe, Durch Feindes Land, es war mein eignes, floh, Und mich von Stadt zu Stadt Kastiliens Bürger Wie Hehler eines Diebstahls heimlich führten Weil Tod bedräute Wirt zugleich und Gast, Und übrall nun umstellt war meine Spur, Da brachten mich die Männer, Don Estevan Illan, den längst der Rasen birgt des kühlen Grabs, Und dieser Mann, Manrique Graf von Lara, Hierher, den Hauptsitz von der Feinde Macht Und bargen mich im Turm von Sankt Roman, Den du dort siehst hoch ob den Häusern ragen. Dort lag ich still, sie aber streuten aus Den Samen des Gerüchts ins Ohr der Bürger. Und als am Tage Himmelfahrt die Menge Versammelt war vor jenes Tempels Pforte Da führten sie mich auf des Turmes Erker Und zeigten mich dem Volk und schrien hinab: Hier mitten unter euch, hier euer König, Der Erbe alter Fürsten, ihres Rechts Und eurer Rechte williger Beschirmer. Ich war ein Kind und weinte, sagten sie. Noch aber hör ich ihn, den gellen Aufschrei, Ein einzig Wort aus tausend bärt'gen Kehlen, Und tausend Schwerter wie in einer Hand, Der Hand des Volks. Gott aber gab den Sieg, Die Leoneser flohn; und fort und fort. Ich selber Fahne mehr als Krieger noch Inmitten eines Heers, durchzog das Land Erfechtend mit des Mundes Lächeln Siege; Sie aber lehrten mich und pflegten mein, Und Muttermilch floß mir aus ihren Wunden. Deshalb, wenn andre Fürsten Väter heißen Des eignen Volks, nenn ich mich seinen Sohn, Denn was ich bin, verdank ich ihrer Treue. Manrique. Wenn alles, was Ihr seid, vieledler Herr, Nur unsres Beispiels, unsrer Worte Frucht, Dann nehmen wir den Dank und sind des froh, Wenn unsre Lehren, unsre Pflege sich In so viel Ruhm, in so viel Taten spiegeln, Dann ist der Dank so ein' als andre Pflicht. (Zur Königin.) Seht ihn nur an mit Eurem holden Blick; Denn so viel Kön'ge noch in Spanien waren, Vergleicht sich keiner ihm an hohem Sinn. Das Alter ist wohl tadelsüchtig sonst, Auch ich bin alt und tadle gern und viel, Und oft hab ich, im Rat mit meiner Meinung Besiegt von seinem fürstlich hohen Wort, Geheim erbost--heißt das, auf kurze Zeit-- Bös Zeugnis aufgesucht gen meinen Herrn, Ihn eines Fehls, weiß Gott wie gerne, zeihend, Doch immer kehrt' ich tief beschämt zurück, Mir blieb der Neid, und er war fleckenlos. König. Ei, ei! Der Lehrer auch ein Schmeichler, Lara? Doch wollen wir nicht dies und das bestreiten. Bin ich nicht schlimm, so besser denn für Euch, Obgleich der Mensch, der wirklich ohne Fehler, Auch ohne Vorzug wäre, fürcht ich fast; Denn wie der Baum mit lichtentfernten Wurzeln Die etwa trübe Nahrung saugt tief aus dem Boden, So scheint der Stamm, der Weisheit wird genannt Und der dem Himmel eignet mit den Ästen, Kraft und Bestehn aus trübem Irdischen, Dem Fehler nah Verwandten aufzusaugen. War einer je gerecht, der niemals hart? Und der da mild, ist selten ohne Schwäche. Der Tapfre wird zum Waghals in der Schlacht Besiegter Fehl ist all des Menschen Tugend, Und wo kein Kampf, da ist auch keine Macht. Mir selber ließ man nicht zu fehlen Zeit: Als Knabe schon den Helm auf schwachem Haupt, Als Jüngling mit der Lanze hoch zu Roß, Das Aug' gekehrt auf eines Gegners Dräun, Blieb mir kein Blick für dieses Lebens Güter, Und was da reizt und lockt, lag fern und fremd. Daß Weiber es auch gibt, erfuhr ich erst, Als man mein Weib mir in der Kirche traute, Die wirklich ohne Fehl, wenn irgend jemand, Und die ich, grad heraus, noch wärmer liebte, Wär' manchmal, statt des Lobs, auch etwas zu verzeihn. (Zur Königin.) Nu, nu, erschrick nur nicht, war's doch nur Scherz! Doch soll den Tag man nicht vor Abend loben Und malen nicht den Teufel an die Wand. Nun aber, statt zu rechten, laß die Zeit, Die kurzgegönnte, uns der Ruh' genießen. Die Fehden inner Landes sind gedämpft, Doch rüstet sich, sagt man, der Maure neu Und hofft aus Afrika verwandte Hilfe, Ben Jussuf und sein streitgewohntes Heer. Da gibt's denn neuen Krieg und neue Plage. Bis dahin öffnen wir die Brust dem Frieden Und atmen ein die ungewohnte Lust. Ist keine Nachricht da?--Allein vergaß ich's? Du siehst ja nicht um dich her, Leonore Und schaust, was wir geschaffen, dir zur Lust? Königin. Was soll ich sehn? König. O weh doch, Almirante! Wir haben's nicht getroffen, ob bemüht. Da graben wir nun Tag' und Wochen lang Und hofften, diesen Garten umzustalten, Der nur Orangen trägt und Schatten gibt, In einen, wie sie England hegt und liebt, Das strenge Vaterland hier meiner Strengen. Allein sie lächelt, schüttelt still das Haupt.-- So sind sie nun, Britanniens Kinder, alle; Trifft man aufs Haar nicht den gewohnten Brauch, So weisen sie's zurück und lächeln vornehm. Die Meinung mindestens war gut, Lenore, Und so gib nur ein Wort des Danks den Männern, Die sich für uns, weiß Gott wie lang, bemüht. Königin. Ich dank Euch, edle Herrn! König. Nun zu was anderm! Der Tag hat einen Riß. Ich hoffte dir An Hütten, Wiesen, englischen Geschmacks Noch das und dies im Garten rings zu zeigen, Doch ist's verfehlt. Verstell dich nicht, o Liebe! Es ist so, denken wir nicht mehr daran!-- Da bleibt ein Stündchen denn für das Geschäft, Eh' span'scher Wein uns Spaniens Küche würzt. Ist noch kein Bote von der Grenze da? Toledo haben wir mit Fleiß ersehn, Um nah zu sein der Kundschaft von dem Feinde, Und doch kein Bote? Manrique. Herr-- König. Was ist's? Wie nur? Manrique. Ein Bote kam. König. Nun denn! Manrique (auf die Königin zeigend). Ein wenig später. König. Mein Weib sie ist gewohnt an Rat und Krieg, Die Königin teilt jedes mit dem König. Manrique. Doch dürfte mehr noch als die Botschaft etwa Der Bote selber-- König. Und wer ist's? Manrique. Mein Sohn. König. Ah, Garceran! Laß ihn nur kommen! (Zur Königin.) Bleib! Der junge Mann hat höchlich wohl gefehlt Als er verkleidet schlich ins Fraungemach, Die Holde seines Herzens zu erspähn. Nu Doña Clara, senk nur nicht das Haupt, Der Mann ist wacker, obgleich jung und rasch, Gespiele mir aus meiner Knabenzeit Und unversöhnlich sein wär' etwa schlimmer Als leichtgesinnt den Fehler übersehn. Auch denk ich, hat er reichlich abgebüßt Seit Monden schon verbannt zur fernen Grenze. (Auf einen Wink der Königin entfernt sich ein Fräulein ihres Gefolges.) Nun geht sie doch: O Sittsamkeit Noch sittlicher als Sitte! (Garceran kommt.) König. Ah, mein Freund! Wie steht's bei euch? Sind alle dort so bang, Wie du, und also mädchenhafter Scheu? Dann steht es schlimm um unsrer Reiche Schutz. Garceran. Ein wackrer Mann, Herr, fürchtet keinen Feind, Doch schwer drückt edler Fraun gerechter Zorn. König. Gerechter Zorn, jawohl! Und glaube nicht, Daß ich mit Brauch und Schick es minder streng Und minder ernstlich halt als meine Frau. Doch hat der Zorn und alles seine Grenze. Drum noch mal Garceran, wie steht's bei euch? Macht euch der Feind, ob Frieden gleich, zu schaffen? Garceran. Wir schlugen uns, als wär's im Scheingefecht Mit blut'gen Wunden diesseits, Herr, und drüben; Der Friede glich dem Krieg so auf ein Haar, Daß nur im Treubruch aller Unterschied. Seit kurzer Zeit jedoch hielt Ruh' der Gegner. König. Ei das ist schlimm! Garceran. Wir denken's auch, und glauben Er rüste sich für einen größern Schlag. Auch heißt's, daß Schiffe täglich Volk und Vorrat Aus Afrika nach Cadix überführen Wo heimlich sich vereint ein stattlich Heer Zu dem der neue Herrscher von Marokko, Jussuf Soll stoßen mit dem dort geworbnen Volk; Dann käme wohl der Schlag der uns bedroht. König. Nun, schlagen sie, so schlagen wir denn wieder, Wie sie ein König, führt der Eure euch, Und ist ein Gott, wie er denn wirklich ist, Und Recht der Ausspruch seines Munds, so hoff ich Zu siegen, weil im Recht, und weil ein Gott. Mich dauert nur des Landmanns bittre Not, Ich selbst als Höchster, ich bin da zum Schwersten. Laßt in den Kirchen sich das Volk versammeln Und flehen zu dem Herrn der Siege gibt, Die Heiligtümer seien ausgestellt Und jeder bete, der da künftig streitet. Garceran. Schon ohne Aufruf ward dein Wort erfüllt: Die Glocken tönen weithin an den Grenzen Und in den Tempeln sammelt sich das Volk; Nur daß ihr Eifer, irrend, wie so oft, Sich gegen jene Andersgläub'gen wendet Die Handel und Gewinn im Land zerstreut. Schon ward ein Jude hier und da mißhandelt. König. Und ihr, ihr duldet's? Nun, beim großen Gott! Wer sich mir anvertraut, den will ich schützen, Ihr Glaube kümmert sie, mich was sie tun. Garceran. Man nennt sie Späher in der Mauren Sold. König. Niemand verrät zuletzt was er nicht weiß, Und da ich ihren Mammon stets verachtet Hab nie auch noch begehrt ich ihren Rat. Was sein wird, weiß nur ich, nicht Christ noch Jude Deshalb nun sag ich euch bei eurem Kopf-- Eine Weiberstimme (von außen). Weh uns! König. Was ist? Garceran. Dort, Herr, ein alter Mann, Ein Jude scheint's, verfolgt von Gartenknechten, Zwei Mädchen neben ihm. Die eine, schau! Sie flieht hierher. König. Ganz recht, denn hier ist Schutz, Und Gottes Donner, wer ein Haar ihr krümmt, (In die Szene rufend.) Hierher, nur hier! (Rahel kommt fliehend.) Rahel. O weh, sie töten mich Wie dort den Vater! Ist denn nirgends Hilfe? (Sie erblickt die Königin und kniet vor ihr.) O hohes Frauenbild, beschirme mich, Streck aus die Hand und schütze deine Magd, Ich will dir dienen auch, nicht Jüdin, Sklavin. (Sie greift nach den Händen der Königin, die sich von ihr abwendet.) Rahel (aufstehend). Auch hier nicht Rettung, übrall Angst und Tod. Wohin nur flieh ich?--Ah, hier steht ein Mann Mit Mondscheinaugen, strahlend Trost und Kühlung Und alles um ihn her heißt Majestät. Du kannst mich schützen, Herr, ach, und du wirst's. Ich will nicht sterben, will nicht! Nein, nein, nein! (Sie wirft sich vor dem Könige nieder, seinen rechten Fuß umklammernd, das Haupt zu Boden gesenkt.) König (zu einigen, die sich nähern). Laßt sie! Der Schreck beraubt sie fast der Sinne Und wie sie schaudert schütternd mich mit sich. Rahel (emporgerichtet). Und alles, was ich habe, (ihr Armband ablösend) diese Spangen, Das Halsgeschmeid und dann dies teure Tuch, (ein Tuch ablösend, das sie shawlartig um den Hals geschlungen trägt) Der Vater hat's gekauft um vierzig Pfund, Echt indisches Geweb', ich geb es hin, Nur laßt mein Leben mir, ich will nicht sterben! (Sinkt in ihre vorige Stellung zurück.) (Man hat Isaak und Esther gebracht.) König. Was hat der Mann verbrochen? Manrique (da alle schweigen). Herr, du weißt, Verboten ist der Eintritt diesem Volk In Königs Garten, wenn der Hof zur Stelle. König. Nun, wenn's verboten, so erlaub ich's denn. Esther. Er ist kein Späher, Herr, ein Handelsmann, Die Briefe, die er führt, sie sind hebräisch, Und nicht arabisch, nicht in Maurensprache. König. Ich glaub's, ich glaub's! (Auf Rahel zeigend.) Und diese? Esther. Meine Schwester! König. So nimm sie denn und bring sie fort. Rahel (da Esther sich ihr nähert). Nein, nein! Sie fassen mich, sie führen mich hinaus Und töten mich! (Mit den Händen auf den abgelegten Schmuck zeigend.) Hier ist mein Lösegeld, Hier will ich bleiben und ein wenig schlafen. (Die Wange an des Königs Knie gelegt.) Hier ist die Sicherheit, hier ruht sich's gut. Königin. Wollt Ihr nicht gehn? König. Ihr seht, ich bin gefangen! Königin. Seid Ihr gefangen, bin ich frei. Ich gehe. (Mit ihren Frauen ab.) König. Nun noch auch das! Mit ihrem Züchtigtun Erschaffen sie, was sie entfernen möchten. (Zu Rahel streng.) Ich sage dir, steh auf!--Gib ihr ihr Tuch Und laß sie gehn. Rahel. O Herr, nur noch ein Weilchen-- Die Glieder sind gelähmt--ich kann nicht schreiten. (Den Ellbogen aufs Knie und den Kopf in die Hand gestützt.) König (zurücktretend). Und ist sie immer denn so schreckhaft? Esther. O nicht doch! Sie war vor kurzem übermütig noch Und trotzte, wollte, Herr, dich sehen. König. Mich? Sie hat es schwer bezahlt. Esther. Auch sonst zu Hause Treibt sie nur Possen, spielt mit Mensch und Hund Und macht uns lachen, wenn wir noch so ernst. König. So wollt' ich denn, sie wäre eine Christin Und hier am Hof, wo Langeweil' genug, Ein bißchen Scherz käm' etwa uns zustatten. He, Garceran! Garceran. Erlauchter Herr und König. Esther (mit Rahel beschäftigt.) Steh auf! steh auf! Rahel (sich emporhebend und Esther den Halsschmuck abnehmend, den sie zu dem übrigen legt). Und gib nur, was du hast, Es ist mein Lösegeld. Esther. Es sei denn also. König. Was dünkt dir von dem allen? Garceran. Mir, o Herr? König. Verstell dich nicht! du bist ein feiner Kenner. Ich selbst hab nie nach Weibern viel gesehn, Doch diese scheint mir schön. Garceran. Sie ist's, o Herr! König. So sei denn stark, denn du sollst sie geleiten. Rahel (die in der Mitte der Bühne mit gebrochenen Knien und gesenktem Haupte steht, den Ärmel aufstreifend). Leg mir das Armband an.--O weh, du drückst mich. Den Halsschmuck auch--zwar der hängt ja noch hier. Das Tuch behalt, mir ist so schwer und schwül. König. Bring sie nach Haus! Garceran. Doch, Herr, ich fürchte-- König. Was? Garceran. Das Volk ist aufgeregt-- König. Du hast nicht unrecht. Obwohl ein Wort des Königs Schutz genug, Ist's besser doch, zu meiden jeden Anlaß. Esther (Raheln das Kleid am Halse zurechtrichtend). Und wie das Kleid verschoben und zerstört. König. Bring sie vorerst nach einem der Kioske Die rings im Garten stehn, und kommt der Abend-- Garceran. Ich höre, hoher Herr! König. Wie nur? Ja so! Seid ihr nicht fertig noch? Esther. Wir sind's, o Herr. König. Und ist es Abend und das Volk verlaufen So führe sie nach Haus, und somit gut. Garceran. Komm schöne Heidin! König. Heidin? welche Possen! Esther (zu Rahel, die sich zum Fortgehen anschickt). Und dankst du nicht dem Herrn für so viel Huld? Rahel (noch immer erschöpft, sich gegen den König wendend). Hab Dank, o Herr, für deinen mächt'gen Schutz! Oh, daß ich nicht ein ärmlich Wesen wäre, (mit einer Bewegung der Hand über den Hals) Daß dieser Hals, gekürzt von Henkershand, Daß diese Brust ein Schild gen deinen Feind-- Zwar das begehrst du nicht. König. Ein hübscher Schild! Somit denn geht mit Gott. Und--Garceran, (leiser) Ich wünschte nicht, daß diese hier mein Schützling, Durch irgendwie zudringlich kühne Possen Beleidigt, je gestört-- Rahel (die Hand an die Stirne gelegt). Ich kann nicht gehn. König (da ihr Garceran den Arm bieten will). Wozu den Arm? Laß sie die Schwester führen. Du, alter Mann, bewahre deine Tochter, Die Welt ist arg, so hüte deinen Schatz. (Rahel und die Ihrigen, von Garceran begleitet, ab.) König (ihnen nachsehend). Sie wankt noch immer. All ihr ganzes Wesen Ein Meer von Angst in stets erneuten Wellen. (Mit dem Fuß auftretend.) Hielt sie den Fuß mir doch so eng umklammert Daß er fast schmerzt.--Im Grunde wunderlich, Ein feiger Mann er wird mit Recht verachtet Und dies Geschlecht ist stark erst wenn es schwach. Ah, Almirante, was sagt Ihr dazu? Manrique. Ich denke, hoher Herr, daß meinen Sohn Ihr eben jetzt so fein als streng bestraft. König. Bestraft? Manrique. Als Hüter ihn bestellend diesem Pöbel. König. Die Strafe, Freund, ist, denk ich, nicht so hart. Ich selbst hab nie nach Weibern viel gefragt, (auf das Gefolge zeigend) Doch diese Herrn sind etwa andrer Meinung. Nun aber fort mit diesen wirren Bildern! Laßt uns zur Tafel, mich verlangt nach Stärkung, Und bei dem ersten Trunk am festlich frohen Tag Gedenk' ein jeder des--woran er denken mag. Hier ist kein Rang! Nur zu! Voraus! Voran! (Indem die Hofleute sich zu beiden Seiten ordnen und der König mitten durch sie abgeht, fällt der Vorhang.) Zweiter Aufzug Ein Teil des Gartens. Kurzes Theater. Rechts ein Gartenhaus mit einem Balkon und einer Türe, zu der mehrere Stufen emporführen. Garceran, zur Türe herauskommend. Garceran. So rett ich mich denn etwa vorderhand. Das Mädchen sie ist schön und eine Närrin, Und da die Liebe Torheit, ist 'ne Törin Gefährlicher, als selbst die Schlauste nicht. Zudem tut's not, daß meinen guten Ruf Und meine Leidenschaft für Doña Clara-- Die Schweigsamste von allen die je schwiegen,-- Ich neu zu Ehren bringe, da 's noch Zeit; Entfliehen der Gefahr nennt Sieg der Kluge. (Ein Knappe des Königs kommt.) Knappe. Herr Garceran! Garceran. Ah, Robert! und was soll's? Knappe. Der König, Herr, befahl mir nachzusehn, Ob Ihr noch hier mit Eurer Pflegbefohlnen. Garceran. Ob wir noch hier? Befahl er doch--Ah, Freund, Du solltest nachsehn, ob ich etwa oben? Sag nur, das Mädchen sei im Gartenhaus Und ich hier außen. Das wird ihm genügen. Knappe. Hier sind Sie selbst! Garceran. Ah, Majestät! (Der König kommt im Mantel gehüllt, der Knappe geht.) König. Nun, Freund, Noch immer hier? Garceran. Habt Ihr doch selbst befohlen, Daß erst beim Anbruch von des Abends Dunkel-- König. Jawohl, jawohl! Doch reifer Überlegung Scheint besser, daß ihr reist bei Tageslicht-- Du giltst für kühn. Garceran. So glaubt Ihr hoher Herr-- König. Ich glaube, daß du ehrst des Königs Wort, Der, was er schützte, unbelästigt wünscht. Allein Gewohnheit ist des Menschen Meister Und unser Wille will oft, weil er muß. Drum geht nur jetzt. Was aber treibt dein Schützling? Garceran. Zum Anfang war ein Weinen ohne Maß, Allein die Zeit bringt Trost, pflegt man zu sagen, So war's auch hier, vorbei der erste Schreck, Fand Munterkeit, ja Scherz sich wieder ein. Man sah nun erst das schimmernde Gerät, Die Seide der Tapeten ward bewundert, Des Vorhangs Stoff nach Ellen abgeschätzt, Man hat sich eingerichtet und ist ruhig. König. Und scheint sie sich zu sehnen nach der Heimat? Garceran. Beinah, und manchmal wieder scheint es, nein. Doch leichter Sinn grämt sich nicht gern voraus. König. Du hast doch nicht versäumt, der Worte Köder Nach ihr auch auszuwerfen nach Gewohnheit? Wie nahm sie's auf? Garceran. Nu, Herr, nicht eben schlimm. König. Du lügst!--Im Grunde bist du glücklich, Mensch! Schwebst wie ein Vogel durch die heitern Lüfte Und senkst dich nieder, wo die Beere lockt Und weißt zu finden dich beim ersten Blick. Ich bin ein König und mein Wort erschreckt, Doch wär' ich selbst erschrocken, stünd' ich irgend Genüber einem Weib zum erstenmal. Wie fängst du's an? Belehre mich ein wenig Ich bin ein Neuling in dergleichen Dingen, Nicht besser als ein großgewachsnes Kind. Da wird geseufzt? Garceran. Pfui, Herr, das wär' veraltet! König. Nun denn geblickt? Und Junker Gänsrich schaut Bis Dame Gänschen wieder schaut. Nicht so? Dann nimmst du wohl die Laute gar zur Hand Genüber dem Balkon, wie etwa hier, Und singst ein krächzend Lied, wozu der Mond, Ein bleicher Kuppler, durch die Bäume funkelt, Und Blumenkelche duften süßen Rausch Bis nun der günst'ge Augenblick erscheint, Der Vater, Bruder,--oder Gatte gar Das Haus verläßt, auf etwa gleichen Pfaden Und nun die Zofe winkt ihr leises: pst! Da trittst du ein und eine warme Hand Ergreift die deine, führt dich durch die Gänge Die dunkel wie das Grab und endlos gleitend Den Wunsch erhöhn, bis endlich Ambraduft Und bleicher Schimmer, durch die Ritzen dringend Bezeichnen, daß erreicht das holde Ziel. Die Tür geht auf, und hell im Kerzenschimmer, Auf dunkeln Samt die Glieder hingegossen, Den weißen Arm umkreist von Perlenschnüren, Lehnt weichgesenkten Hauptes die Ersehnte, Die goldnen Locken--nein, ich sage, schwarz!-- Des Hauptes Rabenhaar--und so denn weiter! Du siehst, ich bin gelehrig, Garceran, Und da gilt gleich denn: Christin, Maurin--Jüdin. Garceran. Auf Maurinnen sind Streiter wir der Grenze Zu Recht verwiesen, doch die Jüdin, Herr-- König. Spiel etwa du den Kostverächter doch! Ich wette, wenn das Mädchen dir dort oben Nur einen Blick gegönnt, du wärest Flamme. Ich selber lieb es nicht dies Volk, doch weiß ich, Was sie verunziert, es ist unser Werk; Wir lähmen sie und grollen, wenn sie hinken. Zudem ist etwas Großes Garceran, In diesem Stamm von unstet flücht'gen Hirten: Wir andern sind von heut, sie aber reichen Bis an der Schöpfung Wiege, wo die Gottheit Noch menschengleich in Paradiesen ging, Wo Cherubim zu Gast bei Patriarchen Und Richter war und Recht der ein'ge Gott. Samt all der Märchenwelt, die Wahrheit auch Von Kain und Abel, von Rebekkas Klugheit, Von Jakob, der um Rahel dienend freite-- Wie heißt das Mädchen? Garceran. Herr, ich weiß nicht. König. Ei! Von Ahasverus, der den Herrscherstab Ausstreckte über Esther, die sein Weib Und selber Jüdin, Schutzgott war den ihren. So Christ als Muselmann führt seinen Stammbaum Hinauf zu diesem Volk als ältstem, erstem, So daß sie uns bezweifeln, wir nicht sie Und hat es Esau-gleich, sein Recht verscherzt, Wir kreuz'gen täglich zehenmal den Herrn Durch unsre Sünden, unsre Missetaten Und jene haben's einmal nur getan. Nun aber laß uns gehn! Vielmehr bleib du! Geleite sie und merke dir ihr Haus. Vielleicht einmal wenn müde Sorgen drücken, Besuch ich sie und freu mich ihres Danks. (Im Begriffe zu gehn hört er Geräusch im Hause und bleibt stehen.) Was ist? Garceran. Geräusch im Haus. Scheint's doch beinah, Sie strafen Lügen dein gespendet Lob Und streiten unter sich. König (auf das Haus zugehend). Was gibt's zu streiten? (Isaak kommt aus dem Gartenhause.) Isaak (zurücksprechend). Nun denn so bleibt und spielt um euer Haupt! Schon einmal ging's euch nah. Ich rette mich. König. Frag was es gibt! Garceran. Was soll es guter Mann? Isaak (zu Garceran). Ah Ihr seid's hoher Herr, der uns beschirmt. Mein Rahelchen sie spricht gar viel von Euch, Sie hat Euch lieb. König. Zur Sache! Was Geschwätz-- Isaak. Wer ist der Herr? Garceran. Gleichviel. Du aber rede. Was ist der Anlaß des Gelärms dort oben? Isaak (zum Fenster hinaufsprechend). Nun ja, es wird euch kommen. Wartet nur. (Zu Garceran.) Ihr selber habt gesehn mein Rahelchen Wie sie geweint, gestöhnt, die Brüste schlug, Halb sinnverwirrt. Ei ja doch, Herr, mein Leben! Kaum wußte sie vorüber die Gefahr Da kam zurück der alte Übermut: Sie lachte, tanzte, sang, halb toll von neuem, Sie rückte das Gerät, das heilig ist, Bewacht von Tod und poltert--wie Ihr hört. Trägt sie am Gürtel nicht ein Schlüsselbund? Nun, das versucht sie, Herr, an allen Schränken Die längs den Wänden stehn, und öffnet sie; Da hängen nun Gewänder aller Art. Der Bettler bei dem König, Engel, Teufel In bunter Reih'-- König (halblaut zu Garceran). Vom letzten Fastnachtspiel. Isaak. Da wählt sie eine Krone sich heraus Mit Federschmuck--nicht Gold, vergüldet Blech, Man kennt es am Gewicht, gilt zwanzig Heller-- Legt sich ein schleppend Kleid um ihre Schultern Und sagt, sie sei die Königin. (Zurücksprechend.) Ja, Törin! Zuletzt--im Nebenzimmer hängt ein Bild Des Königs unsers Herrn, den Gott erhalte! Das nimmt sie von der Wand und trägt's herum, Nennt es Gemahl, spricht's an mit süßen Worten Und drückt's an ihre Brust. (Der König geht mit starken Schritten auf das Gartenhaus zu.) Garceran. Mein hoher Herr! Isaak (zu rückweichend). Weh mir! König (auf den Stufen stehend, mit ruhiger Stimme). Den Scherz säh' gern ich in der Nähe. Zudem rückt eurer Heimkehr Zeit heran, Ich wünschte nicht versäumt die günst'ge Stunde. Du Alter aber komm! Denn nicht allein, Nicht unbewacht will nahn ich deinen Kindern. (Er geht ins Haus.) Isaak. War das der König? Weh! Garceran. Geh nur hinein! Isaak. Zieht er sein Schwert, sind alle wir gerichtet! Garceran. Geh immer nur! Und was die Furcht betrifft, Nicht deine Tochter ist's, noch du, für die ich fürchte. (Er stößt den Zögernden zur Tür hinein und folgt. Beide ab.) ------------------------------------------------------------------ Saal in dem Gartenhause. Im Hintergrunde nach links eine Türe, im Vordergrunde rechts eine zweite. Rahel, eine Federkrone auf dem Kopfe und einen goldgestickten Mantel um die Schultern, ist bemüht, einen Lehnstuhl aus dem Seitengemache rechts herauszuschleppen. Esther ist durch den Haupteingang eingetreten. Rahel. Hier soll der Lehnstuhl her, hier in die Mitte. Esther. Um Gottes willen, Rahel, sieh dich vor, Dein Mutwill' wird uns noch in Unglück stürzen. Rahel. Der König hat das Haus uns eingeräumt, Solang wir es bewohnen, ist's das unsre. (Sie haben den Stuhl in die Mitte gerückt.) Rahel (sich besehend). Und meine Schleppe, nicht wahr? steht mir gut, Und diese Federn nicken, wenn ich nicke, Nun fehlt noch eins und, warte nur, ich hol es. (Sie geht in die Seitentüre zurück.) Esther. O wären wir nur weit, nur erst zu Hause. Der Vater auch bleibt fern, den sie vertrieb. Rahel (kommt zurück mit einem Bild ohne Rahmen). Hier ist des Königs Bild, gelöst vom Rahmen Das nehm ich mit. Esther. Treibt wieder dich die Torheit? Wie oft nicht warnt' ich dich! Rahel. Und hab ich dir gehorcht? Esther. Beim Himmel, nein. Rahel. Und werd's auch diesmal nicht. Das Bild gefällt mir. Sieh, es ist so schön, Ich häng es in der Stube nächst zum Bette. Des Morgens und des Abends blick ich's an Und denke mir--was man nun eben denkt Wenn man der Kleider Last von sich geschüttelt Und frei sich fühlt von jedem läst'gen Druck. Doch daß sie meinen nicht, ich stahl es etwa,-- Bin ich doch reich und brauche Stehlens nicht-- Du trägst mein eigen Bild an deinem Hals, Das hängen wir an dieses andern Stelle, Das mag er ansehn, so wie seines ich Und mein gedenken, hätt' er mich vergessen. Rück mir den Schemel her, ich bin die Kön'gin, Und diesen König heft ich an den Stuhl. Die Hexen sagt man, die zur Liebe zwingen, Sie bohren Nadeln, so, in Wachsgebilde, Und jeder Stich dringt bis zum Herzen ein, Und hemmt und fördert wahrgeschaffnes Leben. (Sie befestigt das Bild an den vier Ecken mit Nadeln an die Lehne des Stuhls.) O gäbe jeder dieser Stiche Blut, Ich wollt' es trinken mit den durst'gen Lippen Und mich erfreun am Unheil das ich schuf. Nun hängt es da und ist so schön als stumm, Ich aber red ihn an als Königin Mit Mantel und mit Krone die mich kleiden. (Sie hat sich auf den Schemel gesetzt und sitzt vor dem Bilde.) Ihr ehrvergeßner Mann, stellt Euch nur fromm, Ich kenne dennoch jeden Eurer Schliche. Die Jüdin, sie gefiel Euch, leugnet's nur! Und sie ist schön, bei meinem hohen Wort, Nur mit mir selber etwa zu vergleichen. (Der König, von Garceran und Isaak gefolgt, ist gekommen und hat sich hinter den Stuhl gestellt, die Arme auf die Rücklehne gelegt, sie betrachtend.) Rahel (fortfahrend). Ich, Eure Königin, nun duld es nicht, Denn eifersüchtig bin ich wie ein Wiesel. Ob Ihr nun schweigt, das mehrt nur Eure Schuld. Gesteht! Gefiel sie Euch? Sagt ja! König. Nun ja! (Rahel fährt zusammen, blickt nach dem Bilde, dann aufwärts, erkennt den König und bleibt regungslos auf dem Schemel.) König (vortretend). Erschreckt dich das? Du wolltest's und ich sag's. Ermanne dich, du bist in Freundes Händen. (Er streckt die Hand nach ihr aus, sie fährt vom Schemel empor und flieht nach der Türe rechts, wo sie tiefatmend und mit gesenktem Haupte stehenbleibt.) König. Ist sie so scheu? Esther. Nicht immer, gnäd'ger Herr. Und scheu nicht, schreckhaft nur. König. Bin ich so greulich? (Sich ihr nähernd) Rahel (schüttelt heftig mit dem Kopfe). König. Nun denn, so fasse dich, mein gutes Kind. Ja, du gefielst mir, sag ich noch einmal Und kehr ich heim aus diesem heil'gen Krieg, In den mich Ehre ruft und meine Pflicht, Frag in Toledo ich vielleicht nach dir. Wo wohnt ihr dort? Isaak (schnell). Herr, in der Jüdenstraße Ben Mathaes Haus. Esther. Wenn man nicht früher Uns etwa schon vertrieb. König. Dafür mein Wort! Ich weiß zu schützen, wem ich Schutz gelobt. Und wenn du dort auch so gesprächig bist Und gut gelaunt, wie früher mit den Deinen, Nicht scheu wie jetzt, verplaudr' ich wohl ein Stündchen Und hole Atem aus dem Qualm des Hofs. Nun aber geht, denn es ist hohe Zeit, Du Garceran begleite sie; doch erst noch Häng dieses Bild zurück an seine Stelle. Rahel (auf den Stuhl losstürzend). Das Bild ist mein. König. Was kommt dir bei? Zurück zum Rahmen soll's, aus dem du's nahmst. Rahel (zu Garceran). Berühr die Nadeln nicht, noch dieses Bild, Sonst festig ich's mit einem tiefern Stich, (mit einer Nadel nach dem Bild fahrend) Siehst du? gerad ins Herz. König. Halt ein! Beim Himmel! Hast du mich fast erschreckt. Wer bist du Mädchen? Übst du geheime Künste, die Verbrechen? War's doch, als fühlt' ich in der eignen Brust, Den Stich nach jenem Bild. Esther. Mein hoher Herr, Sie ist nur ein verwöhnt, verwildert Mädchen Und weiß von unerlaubten Künsten nichts, Es kam ihr ein, und also tat sie's eben. König. Man aber soll mit derlei keck nicht spielen. Es trieb bis zu den Augen mir das Blut, Und wie im wirren Licht seh ich die Dinge. (Zu Garceran.) Ist sie nicht schön? Garceran. Sie ist's mein Herr und König. König. Und wie das wogt und wallt und glüht und prangt. (Rahel hat unterdessen das Bild abgenommen und zusammengerollt.) König. Du willst das Bild denn durchaus nicht entbehren? Rahel (zu Esther). Ich nehm es mit. König. Nun denn in Gottes Namen! Er wird's verhüten, wenn ein Unheil droht. Nur eilig fort. Nimm, Garceran Den Weg der rückwärts durch den Garten führt. Das Volk ist aufgeregt; es liebt, als schwach, Die Schwäche gern zu prüfen an dem Schwächern. Garceran. (am Fenster). Doch seht, o Herr, es naht der ganze Hof, Die Königin an des Geleites Spitze. König. Hierher? Verwünscht! Ist hier kein andrer Ausgang? Mich widern an die Deutungen des Schwarms. Garceran. (auf die Seitentüre zeigend). Vielleicht in dies Gemach. König. Was fällt dir ein! Soll ich verbergen mich vor meinen Dienern? Und doch fürcht ich den Schmerz der Königin, Sie könnte glauben,--was ich selber glaube. Ich rette denn die wirre Majestät, Sieh zu, daß du baldmöglichst sie entfernest. (Er geht in das Seitengemach.) Esther. Ich sagt' es ja: es ist der Weg des Unglücks. (Die Königin, von Manrique de Lara und mehreren begleitet, tritt ein.) Königin. Es ward gesagt, der König sei hier oben. Garceran. Er war, doch ging er fort. Königin. Und hier die Jüdin. Manrique. Geschmückt, dem losgelaßnen Wahnsinn gleich, Mit all dem Flitterstaat des Puppenspiels. Leg ab die Krone, die dir nicht geziemt, Selbst nicht im Scherz; den Mantel von der Schulter! (Esther hat ihr beides abgenommen.) Was hält sie in der Hand? Rahel. Es ist mein eigen. Manrique. Das wollen wir erst sehn. Esther. Wir sind so arm nicht, Daß wir nach fremdem Wert die Hände streckten. Manrique (auf die Seitentür zugehend). Auch dort in jenem Zimmer forscht man erst, Ob nichts abhanden, ob die Habsucht nicht Sich mit der Frechheit so wie hier verbunden. Garceran. (ihm in den Weg tretend). Hier, Vater, ruf ich: halt! Manrique. Kennst du mich nicht? Garceran. So Euch als mich. Doch gibt es, wißt Ihr, Pflichten, Die selbst dem Vaterrecht die Waage halten. Manrique. Sieh mir ins Aug'! Er kann es nicht ertragen. So raubt mir denn zwei Söhne dieser Tag. (Zur Königin.) Wollt Ihr nicht gehn? Königin. Ich möchte, doch ich kann nicht. Vielmehr ich kann, beim Himmel, denn ich muß. (Zu Garceran.) Ziemt Euer Amt gleich einem Ritter nicht, Doch dank ich Euch, daß Ihr es treulich übt. Zu sehen wäre Tod--doch leiden kann ich Und trefft Ihr Euren Herrn vor Abend noch, Sagt ihm, daß rück ich nach Toledo ging--allein! (Die Königin und ihr Gefolge ab.) Garceran. So mußte mich das Unglück diesen Tag, Gerade heut vom Heere heimwärts führen. Rahel (zu Esther, die sich mit ihr beschäftigt). Ich wäre nicht gewichen, galt's den Tod. Esther (zu Garceran). Nun aber bringt uns fort, wir bitten Euch. Garceran. Erst frag ich noch den König, was sein Wille. (An die Seitentüre pochend.) Mein hoher Herr!--Wie nur? Kein Zeichen!--Sollte Ein Unfall?--Wie denn immer auch, ich öffne. (Der König tritt heraus und bleibt im Vorgrunde stehen, indes die andern sich zurückziehen.) König. So ist die Ehre und der Ruf der Welt Kein ebner Weg, auf dem der schlichte Gang Die Richtung und das Ziel den Wert bestimmt; Ist's nur des Gauklers ausgespanntes Seil Auf dem ein Fehltritt von der Höhe stürzt Und jedes Straucheln preisgibt dem Gelächter? Muß ich, noch gestern Vorbild aller Zucht, Mich heute scheun vor jedes Dieners Blicken? Dann fort mit dir, du Buhlen um die Gunst! Bestimmen wir uns selber unsre Pfade. (Sich umwendend.) Wie, ihr noch hier? Garceran. Wir harren des Befehls. König. Hättst du doch immer des Befehls geharrt Und wärst geblieben an der fernen Grenze. Ansteckend ist dein Beispiel, Garceran. Garceran. Gerechte Fürsten strafen jeden Fehl, Den eignen selbst. Allein, da selber straflos, Trifft andre gern das Zürnen ihrer Brust. König. Ich bin kein solcher, Garceran. Sei ruhig! Wir bleiben dir wie früher zugetan. Doch nun bring diese fort, und zwar auf immer. Was andern Laune ist beim Fürsten Schuld. (Da Rahel sich ihm nähert.) Laß nur! Doch dieses Bild leg erst noch ab Stell es zurück, von wo es ward genommen, Ich will's. Drum zögre nicht. Rahel (zu Esther). So komm du mit. (Indem sich beide der Seitentüre nähern.) Trägst du mein eigen Bild wie sonst am Halse? Esther. Was willst du? Rahel. Meinen Willen. Gält's das Schlimmste. (Sie gehen in die Seitentüre.) König. Dann kehr zur Grenze, wohin nächst ich folge. Wir wollen in der Mauren Blut die Schmach, Die gleichgeteilte, dieses Tages waschen, Daß wieder wir ertragen Menschen Blick. (Die Mädchen kommen zurück.) Rahel. Es ist geschehn. König. Und fort nun ohne Abschied. Esther. Nimm unsern Dank, o Herr. Rahel. Den meinen nicht. König. Nun so denn: ohne Dank. Rahel. Ich spar ihn auf. König. Das heißt: auf nie. Rahel. Ich weiß das besser. (Zu Esther.) Komm! (Sie gehen, von Garceran begleitet, wobei der Alte tiefe Verneigungen macht.) König. Die höchste Zeit war's, daß sie ging, denn wahrlich Die Langeweile eines Fürstenhofs, Sie macht die Kurzweil manchmal zum Bedürfnis. Doch dieses Mädchen, obgleich schön und reizend, Sie scheint verwegner Brust und heft'gen Sinns Da sieht sich denn ein Kluger billig vor. Alonso! (Ein Diener tritt ein.) Diener. Hoher Herr-- König. Bereit die Pferde. Diener. Herr, nach Toledo? König. Nach Alarcos, Freund. Wir wollen an die Grenze, in den Krieg, Darum bereit das Nötigste nur vor. Vier Augen drohen in Toledo mir Voll Wasser zwei, und andre zwei voll Feuer. Sie wollte sich von meinem Bild nicht trennen, Dem Tode selbst, so schien es, trotzte sie. Doch braucht' es nur mein streng gebietend Wort, So hing sie's wieder an die alte Stelle. Schauspielerkünste waren's, weiter nichts. Doch ob sie's auch dem Rahmen eingefügt? Da ich auf lange diesen Ort verlasse Sei alles so wie früher unverrückt Und dieses Vorgangs letzte Spur verschwunden. (Er geht ins Seitengemach. Pause, während welcher der Diener die von Rahel abgelegten Kleider vom Stuhle aufnimmt und über den Arm hängt, die Krone aber in der Hand hält.) (Der König kommt zurück, Rahels Bild haltend.) König. Mein Bildnis fort und dies an seiner Stelle-- Ihr eignes ist's. Es brennt in meiner Hand. (Das Bild auf den Boden schleudernd.) Fort mit dir, fort! Geht so weit denn die Frechheit? Das darf nicht sein! Indes ich ihrer selbst Nur mit gerechtem Widerwillen denke, Schürt sie, gemalt, mir Glut in meiner Brust. Und dann mein eigen Bild in ihren Händen! Man spricht von magisch unerlaubten Künsten, Die dieses Volk mit derlei Zeichen übt Und etwas, wie von Zauber, kommt mich an. (Zum Diener.) Nimm dies vom Boden auf und eile spornstreichs Bis du sie einholst. Diener. Wen, Gebieter? König. Wen? Nun eben Garceran und jene beiden, Stell dies zurück den Mädchen und begehre-- Diener. Was, hoher Herr? König. Soll ich die eignen Diener Zu Mitbewußten machen meiner Scham? Ich will nur selbst den Tausch, wär's Not, erzwingen. Nimm auf das Bild!--Ich selbst berühr es nicht. (Der Diener hat das Bild aufgehoben.) Wie ungeschickt! Birg's nur in deiner Brust; Doch wär' es dort erwärmt von fremder Wärme! Gib her, ich nehm es selbst, und folge mir; Wir holen sie noch ein.--Bedenk ich's recht, So kann, da einmal rege der Verdacht, Ein Unfall sie betreffen, ja Gewalttat, Da schützt zumeist mein eigenes Geleit. Du aber folge mir! (Er hat das Bild angeblickt und dann in den Busen gesteckt.) Ist dort nicht seitwärts Das Schloß Retiro, wo mein Ahn, Don Sancho Mit einer Maurin, aller Welt verborgen-- Diener. So ist's, erlauchter Herr. König. Wir wollen unsre Ahnen Nachahmen in der Tapferkeit, dem Wert Und nicht in ihrer Schwäche niederm Straucheln. Vor allem gilt es sich erobern selbst-- Und dann entgegen feindlichen Erobrern. Retiro heißt das Schloß?--Was wollt' ich nur? Ja so, nur fort! Und sei verschwiegen! Zwar Du weißt ja nicht. Um so viel besser. Komm! (Mit dem Diener ab.) (Der Vorhang fällt.) Dritter Aufzug Garten im königlichen Lustschlosse. Im Hintergrunde fließt der Tajo. Nach vorn auf der rechten Seite eine geräumige Laube. Links in einer Reihe mehrere Bittsteller, Gesuche in der Hand; Isaak steht bei ihnen. Isaak. Es ward euch schon gesagt, hier weilt man nicht. Hier geht demnächst lustwandeln meine Tochter Und Er mit ihr, Er selbst; ich sag nicht wer. Erzittert denn und geht! Und eure Schriften Tragt zu des Königs Räten nach Toledo. (Er nimmt dem einen seine Schrift ab.) Laß sehn!--Unstatthaft, fort! Bittsteller. Ihr haltet's ja verkehrt. Isaak. Weil eben auch verkehrt die ganze Bitte, Und so auch Ihr. Stört hier nicht länger, fort. Zweiter Bittsteller. Herr Isaak, hört, Ihr kennt mich von Toledo. Isaak. Ich kenn Euch nicht. In dieser letzten Zeit Sind fühlbar schwach geworden meine Augen. Zweiter Bittsteller. Nun so kenn ich denn Euch, und diesen Beutel, Den Ihr verlort, ich stell ihn Euch zurück. Isaak. Den ich verlor? Oh, ich erkenn ihn wieder, Von grüner Seide, zehn Piaster drin. Zweiter Bittsteller. Herr, zwanzig. Isaak. Zwanzig? Nun, mein Aug' ist gut, Nur mein Gedächtnis wird mitunter schwach. Und dieses Blatt enthält wohl die Erklärung Des ganzen Vorfalls, wo du fandst und wie. Die Meldung an die hohe Obrigkeit Ist nicht mehr nötig, aber gib nur gib! Bestellen wollen wir's an seinem Ort, Daß ruchbar dein Geruch von Ehrlichkeit. (Die Bittsteller halten ihre Gesuche hin, er ergreift mit jeder Hand eine Schrift und wirft sie zu Boden.) Was es auch immer sei. Hier Eure Antwort. (Zu einem dritten.) Du trägst hier einen Ring an deiner Hand, Der Stein ist gut, laß sehn! (Der Bittsteller gibt ihm den Ring.) Ein Faden zwar Entstellt den reinen Glanz, da nimm ihn wieder. (Er steckt ihn an den eignen Finger.) Dritter Bittsteller. Ihr steckt ihn ja an Eure Hand. Isaak. An meine? Wahrhaftig ja. Ich dacht' ich gab ihn dir. Er ist so eng, ich martre mich umsonst. Dritter Bittsteller. Behaltet ihn, doch nehmt auch diese Schrift. Isaak (sich mit dem Ringe beschäftigend). Ich nehme beides denn dir zum Gedächtnis. Der König soll den Ring, vielmehr: die Schrift Erwägen, trotz dem Faden im Gesuch, Dem Faden in dem Steine--wollt' ich sagen. Nun aber alle fort!--Ist hier kein Stock? Muß ich mich mit dem Christenpöbel plagen? (Garceran ist währenddem eingetreten.) Garceran. Glück auf! Ihr sitzt im Rohr und stimmt die Pfeifen, Die Ihr Euch schneidet, find ich, etwas hoch. Isaak. Mir ist des Ortes Heimlichkeit vertraut. Der König ist nicht hier, er will nicht hier sein Und wer ihn stört--selbst Ihr, Herr Garceran Ich muß Euch heißen gehn. Es ist nicht anders. Garceran. Ihr suchtet früher nur nach einem Stock. Wenn Ihr ihn findet bringt ihn mir. Er ziemt, Scheint's, Eurem Rücken mehr als Eurer Hand. Isaak. Nun braust Ihr auf. So seid ihr Christen alle, Nur immer gradezu. Allein die Klugheit, Die Vorsicht, das geschmeid'ge Warten fehlt. Der König unterhält sich gern mit mir. Garceran. Langweiligkeit wird selbst zur Unterhaltung Wenn lange Weile vor sich selber flieht. Isaak. Er spricht mit mir von Staat und Geldeswert. Garceran. So rührt von Euch vielleicht die neue Ordnung Nach der ein Dreier nur zwei Groschen gilt? Isaak. Geld, Freund, ist aller Dinge Hintergrund. Es droht der Feind, da kauft Ihr Waffen Euch, Der Söldner dient für Sold, und Sold ist Geld. Ihr eßt das Geld, Ihr trinkt's, denn was Ihr eßt Es ist gekauft und Kauf ist Geld sonst nichts. Die Zeit wird kommen, Freund, wo jeder Mensch Ein Wechselbrief, gestellt auf kurze Sicht. Ich bin des Königs Rat. Wenn Ihr nun selber Einträchtig wolltet gehn mit Isaaks Glück-- Garceran. Einträchtig ich mit Euch? Es ist mein Fluch, Daß mich der Zufall und der leid'ge Anschein Gemengt in dieser Torheit wüstes Treiben, Das Pflicht und Eid auf harte Proben stellt. Isaak. Mein Rahelchen steigt täglich in der Gunst. Garceran. Oh, daß doch dieser König seine Jugend, Der Knabenjahre hast'gen Ungestüm In Spiel und Tand, wie mancher sonst, verlebt! Allein als Kind von Männern nur umgeben, Von Männern großgezogen und gepflegt, Genährt vorzeitig mit der Weisheit Früchten, Selbst seine Ehe treibend als Geschäft, Kommt ihm zum erstenmal das Weib entgegen, Das Weib als solches, nichts als ihr Geschlecht Und rächt die Torheit an der Weisheit Zögling. Das edle Weib ist halb ein Mann, ja ganz, Erst ihre Fehler machen sie zu Weibern. Und nun ist auch der Widerstand besiegt Den die Erfahrung leiht dem oft Getäuschten, Zum bittern Ernst wird ihm das lose Spiel. Doch soll's nicht länger währen, sag ich Euch. Der Feind steht an den Grenzen und der König Gehört zu seinem Heer, ich führ ihn hin Und Euer Blendwerk fällt zurück ins Nichts. Isaak. Versucht's ob's Euch gelingt. Wenn nicht mit uns, So seid Ihr gegen uns. Ihr brecht den Hals Wenn Ihr den weiten Abgrund überspringt. (Musik von Flöten ertönt.) Hört Ihr? Da kommen sie mit Zimbeln und Posaunen Wie Ahasverus mit dem Weibe Esther, Die unser Volk zu Glanz und Ruhm erhöht. Garceran. Muß ich in dieses Königs üpp'gem Treiben Mein eignes Bild aus frührer Zeit erspähn Und mich in ihm, in mir mich seiner schämen? (Ein Schiff, auf dem der König mit Rahel und Gefolge, erscheint auf dem Flusse und legt an.) König. Legt an! Hier ist der Platz und hier die Laube. Rahel. Der Nachen schüttert. Haltet ein, ich falle. (Der König ist ans Land gesprungen.) Und hier auf diesem Brett das schwank und schwach Soll ich ans Ufer? König. Hier nimm meine Hand. Rahel. Nein, nein, mir schwindelt. Garceran (vor sich). Schwindelt's dich? Fürwahr. König (der sie ans Land geleitet). Nun ist's geschehn das übergroße Werk. Rahel. Nein, nie betret ich, nimmermehr ein Schiff (Des Königs Arm ergreifend.) Erlaubt, mein hoher Herr! Ich bin so schwach Und fühlt, mein Herz es schlägt, als wär's im Fieber. König. Die Furcht ist Weiberrecht, doch Ihr mißbraucht's. Rahel. Und nun entzieht Ihr mir hartherzig Eure Stütze Auch dieses Gartens Gänge, nicht mit Sand, Mit scharfen Steinen sind sie roh bestreut, Für Männertritt und nicht für Frauenschritte. König. Legt einen Teppich ihr und macht ein Ende. Rahel. Ich fühl es wohl, ich bin Euch nur zur Last. O wäre meine Schwester nur erst hier Denn ich bin krank und sterbens-todes-matt. Nur diese Kissen hier? (Die Kissen in der Laube heftig untereinanderwerfend.) Nein, nein, nein, nein! König (lachend). Die Mattigkeit, zum Glück, läßt etwas nach. (Garceran erblickend.) Ah Garceran! Sieh nur, sie ist ein Kind. Garceran. Ein sehr verwöhntes, scheint's. König. So sind sie alle. Es steht ihr wohl. Garceran. Nachdem nun der Geschmack. König. Sieh Garceran, ich fühle ganz mein Unrecht Doch weiß ich auch, daß eines Winkes nur, Es eines Worts bedarf, um dieses Traumspiel Zu lösen in sein eigentliches Nichts. Und also duld ich es, weil ich's bedarf In diesen Wirren, die ich selbst verschuldet. Wie steht's im Heer? Garceran. Wie Ihr seit länger wißt. Die Feinde rüsten sich. König. Wir wollen's auch. Nur noch ein Tage drei, daß dies Getändel, Als abgetan, ich aus dem Innern weise, Und zwar für immer, dann kommt Zeit und Rat. Garceran. Der Rat vielleicht, allein die Zeit entflieht. König. Wir holen sie mit Taten wohl noch ein. Rahel. Nun sprechen sie und ach ich weiß wovon, Von Blut, von Krieg, von wüster Heidenschlacht Und jener dort verschwört sich gegen mich, Lockt seinen Herrn ins Lager, fern von hier, Daß frei der Weg zu mir für meine Feinde. Und doch, Herr Garceran, ich hab Euch lieb Ihr wißt mit zarten Frauen umzugehn, Man spricht von Eurer Liebe kühnem Werben Von Euren Taten in der Minne Streit. Ihr seid nicht wie der König, Euer Herr, Der rauh selbst in der Zärtlichkeit Begegnung, Der jedes milde Wort sogleich bereut Und dessen Neigung ein verstecktes Hassen. Kommt her, setzt Euch zu mir! Ich möchte sprechen, Nicht einsam sein in all dem lauten Schwarm. Allein Ihr kommt nicht. Wohl, man hält Euch ab. (Weinend.) Man gönnt mir keine Freude, keinen Trost, Hält mich in abgeschiedner Sklaverei. Wär' ich erst nur daheim in Vaters Hause, Wo alles mir zu Willen und zu Dienst Indes ich hier ein Wegwurf der Verachtung. König. Geh hin zu ihr! Garceran. So soll ich? König. Geh nur, geh! Rahel. Setzt Euch zu mir! Nur näher, näher, so! Noch einmal Garceran, ich hab Euch lieb. Ihr seid ein echter Ritter in der Tat Nicht nur dem Namen nach, wie sie's gelernt Die stolzen eisernen Kastilier Von ihren Feinden, von der Mauren Volk, Nur daß was jene zierlich und geschickt Als Ausdruck üben angebornen Sinns, Sie rauh und derb nachahmen, weil geborgt. Gebt mir die Hand: sieh doch, wie ist sie sanft, Und doch führt Ihr das Schwert wie jene andern. Nur seid Ihr heimisch auch im Fraungemach Und wißt was Brauch und heitern Umgangs Sitte. Hier dieser Ring ist wohl von Doña Clara Die viel zu bleich für wangenfrische Liebe, Wär' nicht die Farbe, die dem Antlitz fehlt, Ersetzt durch stets erneutes Schamerröten. Doch hier seh ich noch andre Ringe mehr, Wieviel habt Ihr Geliebte? nun, gesteht. Garceran. Wie, wenn ich Euch dieselbe Frage stellte? Rahel. Ich habe nie geliebt. Doch könnt' ich lieben Wenn ich in einer Brust den Wahnsinn träfe Der mich erfüllte, wär' mein Herz berührt. Bis dahin mach ich die Gebräuche mit, Die hergebracht im Götzendienst der Liebe, Wie man in fremden Tempeln etwa kniet. König (der während des Vorigen von vorn nach rückwärts auf und nieder gegangen ist, jetzt links im Vorgrunde zu einem der Diener gewendet, halblaut). Bring meine Waffen, eine volle Rüstung Abseits zum Gartenhaus und harre mein, Ich will ins Lager wo man mein bedarf. (Diener ab.) Rahel. Seht Euren König nur! Er glaubt zu lieben, Und doch, sprech ich zu Euch, drück Euch die Hand, Ihn kümmert's nicht, und wie ein guter Hauswirt Vollbringt er den geschäftig lauten Tag, Zufrieden, schließt der Abend nur die Rechnung. Geht nur! Ihr seid wie er und wie die andern alle. Wär' meine Schwester hier! Sie ist besonnen Und klüger weit als ich; doch fällt der Funke Von Willen und Entschluß in ihre Brust, Dann lodert sie in gleichen Flammen auf. Wär' sie ein Mann, sie wär' ein Held. Ihr alle Erläget ihrem Blick und ihrem Mut; Ich will indes nur schlafen bis sie kommt, Bin ich doch selbst ein Traum nur einer Nacht. (Sie legt den Kopf auf den Arm und diesen auf die Kissen.) Garceran (zu dem Könige tretend, der stehengeblieben ist und auf die Ruhende hinschaut). Erlauchter Herr! König (noch immer hinblickend). Wie meinst du? Garceran. Wenn's genehm Kehr ich zurück ins Lager, zu dem Heer. König (wie oben). Das Heer verließ das Lager? und warum? Garceran. Ihr hört mich nicht. Ich selber will dahin. König. Und wirst erzählen dort und meinen, schwatzen. Garceran. Wovon? König. Von mir, von dem, was hier geschah. Garceran. Dazu müßt' ich vor allem es verstehn. König. Ja so!--Glaubst du an Wunder, Freund? Garceran. Beinahe. Seit kurzem, Herr! König. Und weshalb nur seit kurzem? Garceran. Man liebt doch sonst nur was man achtet auch, Doch Liebe und Verachtung, hoher Herr-- König. Verachtung wär' ein viel zu hartes Wort! Nichtachtung etwa, doch bleibt's wunderbar. Garceran. Das Wunder freilich ist ein wenig alt, Und stammt von jenem Tag im Paradies, Wo Gott das Weib schuf aus des Mannes Rippe. König. Doch schloß er auch die Brust, nachdem's geschehn Und gab den Eingang in die Hut des Willens. Du sollst zum Heer, doch nicht allein, mit mir. Rahel (sich emporrichtend). Die Sonne schleicht sich ein in mein Versteck, Wer stützt den Umhang mir nach jener Seite? (Rechts in die Szene blickend.) Dort gehn zwei Männer, schwere Waffen tragend, Die Lanze paßte gut für meinen Zweck. (In die Szene rufend .) Hierher! Nach hier! Hört ihr denn nicht? und schnell! (Der abgesendete Diener und ein zweiter, von denen jener Helm und Lanze, der andere Schild und Brustharnisch des Königs tragen, kommen.) Rahel. Gebt Eure Lanze, guter Mann und stoßt sie Hier mit der Spitze in den Boden ein Damit das Dach gestützt nach jener Seite Und breiter dann der Schatten, den es wirft,-- --Macht Ihr's!--Nun gut!--Und jener zweite, Er trägt, der Schnecke gleich, sein eigen Haus, Wenn's nicht vielmehr das Haus für einen andern. --Weis her den Schild!--Ein Spiegel in der Tat! Zwar derb, wie alles hier, doch dient's zur Not. (Der Schild wird ihr vorgehalten.) Man bringt das Haar in Ordnung, weist zurück Was sorglos sich zu weit hervorgewagt Und freut sich, daß uns Gott so löblich schuf. Allein die Wölbung hier entstellt. Hilf Himmel! Was für gedunsne Backen. Nein, mein Freund, Wir sind zufrieden mit der eignen Fülle. --Nun noch der Helm! Zweckwidrig für den Krieg, Denn er verhüllt, was siegreich meist, die Augen, Doch wie geschaffen für der Liebe Streit. Setzt mir den Helm aufs Haupt!--Ah, Ihr verletzt mich!-- Empört sich der Geliebte und wird stolz Den Helmsturz nieder! (Das Visier herablassend.) Und er steht in Nacht. Doch wollt' er etwa gar sich uns entziehn, Schickt' nach dem Heergerät, uns zu verlassen, Hinauf mit dem Visier. (Sie tut es.) Es werde Licht! Die Sonne siegt, verscheuchend alle Nebel. König (auf sie zugehend). Du albern spielend, töricht-weises Kind. Rahel. Zurück!--Gebt mir den Schild! gebt mir die Lanze! Man naht mir mit Gewalt. Ich schütze mich. König. Streck deine Waffen nur! Dir naht kein Arg. (Ihre beiden Hände fassend.) (Esther kommt von rückwärts, links.) Rahel. Ah du, mein Schwesterlein! Sei mir gegrüßt! Fort mit der Mummerei! Nur schnell, nur schnell! Ihr reißt den Kopf mir mit! Seid Ihr nicht tölpisch! (Ihr entgegeneilend.) Willkommen noch einmal, o Schwester mein Wie hab ich mich gesehnt nach deiner Nähe! Und bringst du mir das Armband und die Spangen, Die Salben mir und Wohlgerüche mit, Die in Toledo feil und ich bestellt? Esther. Ich bringe sie, zugleich mit schwerern Dingen, Mit übler Nachricht, die gar böser Schmuck. Erlauchter Herr und Fürst! Die Königin Hat von Toledos Mauern sich entfernt Nach jenem Lustschloß wo zum erstenmal Zu unserm Unheil, Herr, wir Euch gesehn. (Zu Garceran.) Zugleich mit ihr ging Euer edler Vater Manrique Lara, rings mit offnen Briefen Bescheidend all des Reiches Standesherrn Um zu beraten das gemeine Beste. Als wäre herrenlos das Königreich Und Ihr gestorben, der Ihr Herr und König. König. Ich denke wohl du träumst. Esther. Ich wache, Herr. Vor allem für das Leben meiner Schwester Die man bedroht und die zuletzt das Opfer. Rahel. O weh mir, weh! Bat ich Euch denn nicht längst Zu scheiden, Herr, zurückzugehn an Hof Und dort zu stören meiner Feinde Trachten? Allein Ihr bliebt. Seht, hier sind Eure Waffen: Der Helm, der Schild und dort der lange Speer. Ich sammle sie.--Doch ich vermag es nicht. König (zu Esther). Sorg du für jene Törin, die sich zehnmal In jedem Atemzuge widerspricht. Ich will an Hof; doch brauch ich keiner Waffen. Mit offner Brust, mit unbewehrtem Arm Tret ich in meiner Untertanen Mitte Und frage: wer sich aufzulehnen wagt. Sie sollen wissen daß ihr Herr noch lebt Und daß die Sonne tot nicht wenn es Abend Daß sie am Morgen neu sich strahlend hebt. Du folgst mir Garceran! Garceran. Seht mich bereit. Esther. Doch Herr, was wird aus uns? Rahel. O bleibt doch, bleibt! König. Das Schloß ist fest, der Kastellan bewährt, Er wird euch schützen mit dem eignen Leben. Denn fühl ich gleich, daß ich, wie sehr, gefehlt, Soll niemand drunter leiden, der, vertrauend Auf meinen Schutz, so Schuld als Fehl geteilt. Komm, Garceran! Vielmehr geh du voraus, Denn fänd' ich jene Stände noch versammelt, Von mir berufen nicht und nicht berechtigt, So müßt' ich strafen, und das will ich nicht. Drum heiß sie schnell nur auseinandergehn. Und deinem Vater sag: War er mein Schützer Und mein Vertreter in der Knabenzeit, So weiß ich selber nun mein Recht zu schützen, Auch gegen ihn und gegen jedermann. Komm nur! Und ihr lebt wohl! Rahel (sich ihm nähernd). Erlauchter Herr! König. Laß jetzt! Ich brauche Kraft und festen Willen Und möchte nicht im Abschied mich erweichen. Ihr hört von mir, wenn ich mein Amt geübt, In welcher Art und was die Zukunft bringt Hüllt Dunkel noch und Nacht. Für jeden Fall Setz ich mein Wort an euern Schirm und Schutz. Komm Garceran. Mit Gott! Er sei mit euch. (Der König und Garceran nach der linken Seite ab.) Rahel. Er liebt mich nicht, ich hab es längst gewußt. Esther. O Schwester, nutzlos ist das späte Wissen Das kommt wenn uns der Schade schon belehrt. Ich warnte dich, du hast mich nicht gehört. Rahel. Er war so heiß und feurig im Beginn. Esther. Nun gleicht er kühl die Übereilung aus. Rahel. Was aber wird aus mir, die ich vertraut? Laß uns entfliehn! Esther. Die Straßen sind besetzt Das ganze Land in Aufruhr gegen uns. Rahel. So soll ich sterben denn und bin noch jung, Und möchte leben noch. Zwar leben nicht Nein, tot sein unverwarnt und unverhofft. Der Augenblick des Sterbens nur erschüttert. (An Esthers Halse.) Unglücklich bin ich, Schwester, rettungslos! (Nach einer Pause, mit von Schluchzen unterbrochener Stimme.) Und ist das Halsband auch mit Amethysten Das du gebracht? Esther. Es ist. Mit Perlen auch So hell wie deine Tränen und so reichlich. Rahel. Ich will es gar nicht sehn. Nur später etwa Wenn unsre Haft sich dehnt zu längrer Zeit, Zerstreuung heischt das ew'ge Einerlei, Versuch ich es, und schmücke mich zum Tod. Doch sieh, wer naht?--Ha, ha, ha, ha! Fürwahr Ist's unser Vater nicht? und zwar in Harnisch. (Isaak, eine Sturmhaube auf dem Kopfe und einen Brustharnisch unter seinem langen Rocke, kommt von links.) Isaak. Ich bin's, der Vater ungeratner Kinder Die meinen Tag verkürzen vor der Zeit. In Harnisch, ja. Droht denn der Mörder nicht? Schützt sich der Leib von selber vor dem Dolch? Ein unversehner Schlag zerschellt den Kopf. Auch birgt der Harnisch mir die Wechselbriefe, Die Taschen tragen das ersparte Gold Das grab ich ein und schütze Leib u Seele Vor Armut und vor Tod. Und lacht ihr mein, So geb ich euch den Fluch des Patriarchen, Der Isaak hieß wie ich; ihr mit der Stimme Des frommen Jakob und mit Esaus Händen, Nur mit verkehrtem Recht der Erstgeburt. Ich sorg um mich. Was kümmert ihr mich länger! Horch! Rahel. Welch Geräusch? Esther. Man zieht die Brücken auf. Rahel. Ein Zeichen, daß der König aus den Toren. So eilt er fort! Wird er auch wiederkehren? Ich fürchte: nein! Das Äußerste befürcht ich. (An Esthers Brust sinkend.) Und hab ihn, Schwester, wahrhaft doch geliebt. (Der Vorhang fällt.) Vierter Aufzug Saal mit einem Thronsitze rechts im Vorgrunde. Daneben in gleicher Reihe nach links laufend mehrere Stühle, auf denen acht oder zehn kastilische Standesherren sitzen. Dem Throne zunächst Manrique de Lara, der aufgestanden ist, Manrique. So sind wir denn in Trauer hier versammelt, Nur wenige, sofern die kurze Frist, Verbunden mit der Nähe seines Sitzes, Die Möglichkeit zur Ankunft jedem bot. Es finden mehrere sich später ein; Doch jetzt schon heißt für voll uns zu erachten Die dringende, die allgemeine Not, Die keinen Aufschub gönnt. Vor allem fehlt In unserm ernsten Kreis derjenige In dessen hohem Recht nicht nur der Vorsitz, Selbst die Berufung steht zu solchem Rat, So daß halb rechtlos wir schon im Beginn. Deshalb nun war ich, edle Herrn, bedacht, Zu laden unsrer Kön'gin Majestät, So schwer sie trifft der Inhalt der Besprechung, Zu nehmen ihren Sitz dort unter uns; Damit wir wissen, daß nicht herrenlos, Daß nicht aus eigner Willkür wir versammelt. Der Gegenstand nun unsers heutigen Rats Ist, hoff und fürcht ich, allen schon bekannt. Es hat der König, unser hoher Herr, Nicht hoch an Stand und Rang und Würde nur, Nein auch an Gaben, so daß, schaun wir rückwärts In unsrer Vorzeit aufgeschlagnes Buch, Wir seinesgleichen kaum noch einmal finden, Nur daß die Kraft, der Hebel alles Guten, Hat sie einmal vom Wege sich verirrt, Den Fehler auch mit gleicher Stärke will-- Es hat der König sich von Hof entfernt Verlockt von eines Weibes üpp'gem Sinn, Was uns zu richten keineswegs geziemt.-- --Die Königin! (Die Königin, von einigen Damen begleitet, tritt von der rechten Seite auf, und nachdem sie den Standesherren, die sich erhoben haben, durch eine Handbewegung bedeutet, wieder ihre Plätze zu nehmen, setzt sie sich auf den Thronsessel.) Erlaubt Ihr, hohe Frau? Königin (leise). Fahrt fort! Manrique. Ich wiederhole denn mein Frühres: "Was uns zu richten keineswegs geziemt." Doch rüstet sich der Maure an den Grenzen Und droht mit Krieg dem schwerbedrängten Land; Da ist des Königs Recht zugleich und Pflicht Mit selbst berufnem und geworbnem Heer Entgegen sich zu stemmen der Gefahr, Allein der König fehlt. Zwar wird er kommen, Ich weiß. Wär' es auch nur dieweil erzürnt Ob unserer Versammlung Eigenmacht. Doch bleibt der Grund, der ihn von uns entfernt, So kehrt er wieder in die alten Bande Und wir sind eben, nach wie vor, verwaist. Beliebt? (Die Königin bedeutet ihn, fortzufahren.) Da muß vor allem denn die Dirne fort. Da liegt denn manch ein Vorschlag etwa vor. Die einen wollen sie mit Gold erkaufen, Die andern sie gefangen aus dem Land In weitentlegene Gewahrsam senden. Doch Gold hat auch der König, und ob fern, Die Macht weiß wohl zu finden was sie sucht. Ein dritter Vorschlag-- (da die Königin aufgestanden ist) Edle Frau, mit Gunst. Ihr seid zu mild für unser hart Geschäft Und Eure Güte, durch kein festes Wollen Von Zeit zu Zeit gekräftigt und erneut, Hat unsern Herrn vielleicht zumeist entfremdet. Ich tadle nicht, ich sage nur was ist. Deshalb begebt Euch nur der eignen Meinung. Zwar, wenn Ihr reden wollt, wohlan so sprecht. Welch Blumenschicksal, welche Schmeichelstrafe Glaubt Ihr dem Fehl der Buhlerin gemäß? Königin (leise). Den Tod. Manrique. Fürwahr? Königin (bestimmter). Den Tod. Manrique. Ihr hört's, Ihr Herren. Das war der dritte Antrag, den ich früher, Obgleich ein Mann, nicht auszusprechen wagte. Königin. Ist denn die Ehe nicht das Heiligste, Da sie zu Recht erhebt was sonst verboten, Und was ein Greuel jedem Wohlgeschaffnen, Aufnimmt ins Reich der gottgefäll'gen Pflicht? Die andern Satzungen des höchsten Gottes Verstärken nur den Antrieb eines Guten, Doch was so stark, daß es die Sünde adelt, Muß mächt'ger sein als jegliches Gebot. Dagegen hat nun dieses Weib gefrevelt. Währt aber meines Gatten Fehltritt fort, So war ich selbst in all der frühern Zeit Nur eine Sünderin, und nicht sein Weib Und unser Sohn ein mißgeborner Auswurf Sich selber Schande und der Eltern Schmach. Seht Schuld Ihr in mir selbst, so tötet mich, Ich will nicht leben, wenn mit Schuld befleckt. Dann mag er aus den Königstöchtern rings Sich eine Gattin wählen, da nur Willkür, Nicht das Erlaubte wohltut seinem Sinn. Doch ist dies Weib der Schandfleck dieser Erde, So reinigt Euren König und sein Land. Ich schäme mich, daß ich vor Männern spreche, Und was kaum schicklich auch, doch zwingt die Not. Manrique. Doch wird der König es, und wie, ertragen? Königin. Er wird wohl, weil er soll und darum muß. Auch bleibt ihm ja die Rache an den Mördern: Vor allem treff' er mich und diese Brust. (Sie setzt sich.) Manrique. Es ist kein andrer Ausweg, muß ich sagen. Es sterben in der Schlacht die Edelsten Und eines bittrern, grauenhaftern Tods, Vor Durst verschmachtend, unter Pferdeshufen In jedes Schmerzes schärferer Verdopplung Als je ein Sünder auf dem Hochgericht; Die Krankheit rafft die Besten täglich fort, Gott geizt mit seiner Menschen Leben nicht, Und soll man ängstlich sein, da wo sein Wort, Die heil'ge Ordnung, die er selbst gesetzt, Den Tod des einen fordert, der gefrevelt? Wir wollen insgesamt den König angehn, Ihn bitten, zu entfernen jenen Anstoß Der ihn von uns und uns von ihm entfernt Und weigert er's, dann walte blutiges Recht, Bis wieder eins der Fürst und das Gesetz, Und wir den beiden in dem einen dienen. (Ein Diener kommt.) Diener. Don Garceran. Manrique. Und wagt es der Verräter? Sagt ihm-- Diener. Im Auftrag Seiner Majestät. Manrique. Das ist ein anderes. Und wär 's mein Todfeind, Er hat mein Ohr spricht er des Königs Worte. (Garceran tritt ein.) Manrique. Sagt Euern Auftrag und dann: Gott befohlen. Garceran. Erlauchte Königin und Ihr, mein Vater, Zugleich Ihr andern, dieses Landes Beste, Ich fühl am heut'gen Tag, wie niemals sonst, Daß das Vertraun der Güter köstlichstes Und Leichtsinn, wenn auch keiner Schuld bewußt, Verderblicher und lähmender als Schuld, Da einen Fehltritt man denn doch verzeiht, Der Leichtsinn aber alle stellt in Aussicht. Und so, am heut'gen Tag, ob rein mich fühlend, Steh ich als ein Bemakelter vor Euch, Den Unbedacht abbüßend meiner Jugend. Manrique. Davon ein andermal. Jetzt Euern Auftrag. Garceran. Der König löst durch mich den Landtag auf. Manrique. Und gab er denn, da er den Leichtsinn sandte, Nichts Festes ihm als Bürgschaft auf die Reise Kein schriftlich Wort zumeist von seiner Hand? Garceran. Er folgt mir auf dem Fuß. Manrique. So viel genügt. Und also lös ich in des Königs Namen Die Reichsversammlung auf. Ihr seid entlassen. Doch hört Ihr meinen Wunsch und meinen Rat, So kehrt noch nicht zurück in Eure Häuser, Vielmehr harrt in der Nähe, rings verteilt, Bis klar, ob Don Alfonso unser Amt, Ob uns es obliegt, seines zu vertreten. (Zu Garceran.) Ihr aber, so gewandt im Fürstendienst, Seid etwa Ihr zum Späher auch berufen, So meldet nur dem König was ich riet, Und daß die Stände in der Tat gelöst, Doch auch bereit zur Tat sich zu vereinen. Garceran. Noch einmal denn im Angesicht von allen Lehn ich die Schuld ab dieses wirren Vorgangs. Wie Zufall mich nur aus dem Lager brachte War's Zufall, daß der König mich ersah, Dies Mädchen vor des Volkes Wut zu schützen; Und was durch Warnung, Gegenred' und Gründe Ein Mann vermag um Unrecht zu verhüten, Hab ich versucht, ob fruchtlos freilich wohl. Verachtet mich, wenn's anders als ich sage. Und Doña Clara, Ihr, die mir bestimmt Durch unsrer Väter Wunsch, der auch der meine. Zu bergen braucht Ihr nicht Eu'r edles Haupt. Zwar Eurer würdig nicht--ich war's wohl nie-- Doch minder würdig nicht als sonst und jemals, Steh ich vor Euch und schwöre: also ist's. Manrique. Ist's also denn und seid Ihr noch ein Mann, Seid ein Kastilier, tretet unter uns Und führt mit uns des Vaterlandes Sache. Ihr seid bekannt im Schlosse zu Retiro Der Hauptmann öffnet Euch, wenn Ihr's begehrt. Vielleicht ist solch ein Einlaß uns vonnöten, Wenn taub der König, unser hoher Herr. Garceran. Nichts gegen meinen König, meinen Herrn. Manrique. Ihr hab, die Wahl! Folgt jetzt nur diesen andern, Vielleicht kommt alles besser als man glaubt. (Diener von links eintretend.) Diener. Des Königs Majestät. Manrique (zu den Ständen, auf die Mitteltüre zeigend). Nur hier hinaus! (Zu den Dienern.) Und ihr setzt diese Stühle an die Wand. Nichts soll ihn mahnen, daß man hier getagt. Königin (die vom Throne gestiegen). Es wankt mein Knie und steht mir niemand bei! Manrique. Die Kraft war mit der Sitte sonst vereint, Doch wurden sie in jüngster Zeit sich feind, Die Kraft blieb bei der Jugend, wo sie war, Die Sitte floh zum altergrauen Haar. Nehmt meinen Arm. Wie schwankend auch die Schritte: Die Kraft entfloh, doch treulich hielt die Sitte. (Er führt die Königin nach rechts ab. Die Stände mit Garceran haben sich durch die Mitteltüre entfernt.--Der König kommt von der linken Seite, hinter ihm sein Knappe.) König. Der Braune, sagst du, hinkt? Nun es ging scharf, Doch hab ich seiner fürder nicht vonnöten. Laß ihn am Zügel führen nach Toledo, Dort stellt ihn Ruh' als beste Heilung her. Ich selber will an meiner Gattin Seite In ihrer Kutsche mich dem Volke zeigen, Auf daß es glaubt was es mit Augen sieht Daß abgetan der Zwist und die Zerwürfnis. (Der Knappe geht.) Ich bin allein. Kommt niemand mir entgegen? Nur kahle Wand und schweigendes Gerät. Hier haben sie vor kurzem, scheint's, getagt. Oh, diese leeren Stühle sprechen lauter, Als jene, die drauf saßen, es getan. Allein was soll das Grübeln und Betrachten, Gut machen heißt's; damit denn fang ich an. Hier geht's hinein zu meiner Fraun Gemächern, Betret ich denn den unwillkommnen Weg. (Er nähert sich der Seitentüre rechts.) Allein die Tür versperrt? Holla, da drinnen, Der König ist's, der Herr in diesem Haus, Für mich gibt's hier kein Schloß und keine Tür. (Eine Kammerfrau tritt aus der Türe.) Versperrt Ihr Euch? Kammerfrau. Die Kön'gin, Majestät-- (da der König mit starkem Schritte hineingehen will) Die innre Tür auch hat sie selbst verschlossen. König. Eindringen will ich nicht. Sagt ihr denn an Ich sei zurück und lasse sie entbieten-- Vielmehr sagt: bitten, wie ich's jetzt gesagt. (Die Kammerfrau geht.--König dem Throne gegenüberstehend.) Du hoher Sitz, die andern überragend, Gib, daß wir niedriger nicht sei'n als du, Auch ohne jene Stufen, die du leihst, Das Maß einhalten des was groß und gut. (Die Königin kommt.--König ihr mit ausgestreckter Hand entgegengehend.) Lenore, sei gegrüßt! Königin. Seid uns willkommen. König. Und nicht die Hand? Königin. Ich freu mich Euch zu sehn. König. Und nicht die Hand? Königin (in Tränen ausbrechend). O Gott und Vater! König. Lenore, diese Hand ist nicht verpestet. Zieh ich in Krieg, wie ich denn soll und muß, So wird sie Feindes Blut vollauf bedecken, Doch klares Wasser tilgt den Makel aus Und rein werd ich sie bringen zum Willkomm. Das Wasser nun der körperlichen Dinge Hat für die Seelen geistigen Ersatz. Du bist als Christin glaubensstark genug, Der Reue zuzutrauen solche Macht. Wir andern, die auf Tätigkeit gestellt, Sind so bescheidnem Mittel nicht geneigt, Da es die Schuld nur wegnimmt, nicht den Schaden, Ja, halb nur Furcht ist eines neuen Fehls. Wenn aber beßres Wollen, freudiger Entschluß Für Gegenwart und für die Zukunft bürgt, So nimm's, wie ich es gebe, wahr und ganz. Königin (beide Hände hinhaltend). O Gott, wie gern! König. Nicht beide Hände! Die Rechte nur, obgleich dem Herzen ferner, Gibt man zum Pfand von Bündnis und Vertrag, Vielleicht um anzudeuten, nicht nur das Gefühl, Das seinen Sitz im Herzen aufgeschlagen, Auch der Verstand, des Menschen ganzes Wollen Muß Dauer geben dem was man versprach; Denn wechselnd wie die Zeit ist das Gefühl, Was man erwogen bleibt in seiner Kraft. Königin (die Rechte bietend). Auch das! Mein ganzes Selbst. König. Die Hand, sie zittert. (Sie loslassend.) Ich will dich nicht mißhandeln, gutes Weib. Und glaube nicht, weil minder weich ich spreche, Ich minder darum weiß, wie groß mein Fehl Und minder ich verehre deine Güte. Königin. Verzeihn ist leicht, begreifen ist viel schwerer. Wie es nur möglich war. Ich faß es nicht. König. Wir haben bis vor kurz gelebt als Kinder. Als solche hat man einstens uns vermählt Und wir, wir lebten fort als fromme Kinder; Doch Kinder wachsen, nehmen zu an Jahren Und jedes Stufenalter der Entwicklung Es kündet an sich durch ein Unbehagen Wohl öfters eine Krankheit, die uns mahnt, Wir sei'n dieselben und zugleich auch andre Und andres zieme sich im Nämlichen. So ist's mit unserm Innern auch bestellt, Es dehnt sich aus, und einen weitern Umkreis Beschreibt es um den alten Mittelpunkt. Solch eine Krankheit haben wir bestanden! Und sag ich: wir, so mein ich, daß du selbst Nicht unzugänglich seist dem innern Wachstum. Laß uns die Mahnung stumpf nicht überhören! Wir wollen künftighin als Kön'ge leben, Denn, Weib, wir sind's. Uns nicht der Welt verschließen Noch allem was da groß in ihr und gut, Und wie die Bienen, die mit ihrer Ladung Des Abends heim in ihre Zelle kehren, Bereichert durch des Tages Vollgewinn Uns finden in dem Kreis der Häuslichkeit, Nun doppelt süß durch zeitliches Entbehren. Königin. Wenn du's begehrst, ich selbst vermiß es nicht. König. Du wirst's vermissen dann in der Erinnrung Wenn du erst hast, woran man Werte mißt. Nun aber laß Vergangnes uns vergessen! Ich liebe nicht, daß man auf neuer Bahn Den Weg versperre sich durch dies und das, Durch das Gerümpel eines frühern Zustands. Ich spreche mich von meinen Sünden los, Du selbst bedarfst es nicht in deiner Reinheit. Königin. Nicht so! nicht so! Oh, wüßtest du, mein Gatte, Was für Gedanken, schwarz und unheilvoll, Den Weg gefunden in mein banges Herz. König. Wohl etwa Rachsucht gar? Nun um so besser, Du fühlst dann, daß Verzeihen Menschenpflicht Und niemand sicher ist, auch nicht der Beste. Wir wollen uns nicht rächen und nicht strafen, Denn jene andre, glaub, ist ohne Schuld Wie's die Gemeinheit ist, die eitle Schwäche, Die nur nicht widersteht und sich ergibt. Ich selber trage, ich, die ganze Schuld. Königin. O laß mich glauben, was mich hält und tröstet. Der Mauren Volk und all, was ihnen ähnlich, Geheime Künste üben sie, verruchte, Mit Bildern, Zeichen, Sprüchen, bösen Tränken Die in der Brust des Menschen Herz verkehren Und seinen Willen machen untertan. König. Umgeben sind wir rings von Zaubereien, Allein wir selber sind die Zauberer. Was weit entfernt, bringt ein Gedanke nah, Was wir verschmäht, scheint andrer Zeit uns hold, Und in der Welt voll offenbarer Wunder Sind wir das größte aller Wunder selbst. Königin. Sie hat dein Bild. König. Sie soll es wiedergeben Und heften will ich's sichtlich an die Wand Und drunter schreiben für die späten Enkel: Ein König, der an sich nicht gar so schlimm, Hat seines Amts und seiner Pflicht vergessen. Gott sei gedankt, daß er sich wiederfand. Königin. Allein du selber trägst an deinem Hals-- König. Ja so! ihr Bild? Ward dir das auch schon kund? (Er nimmt das Bild mit der Kette vom Halse und legt es auf den Tisch rechts im Vorgrunde.) So leg ich es denn hin, und mög' es liegen Ein Blitz, der nicht mehr schädlich nach dem Donner. Das Mädchen aber selbst, sie sei entfernt! Mag dann mit einem Mann sie ihres Volks-- (von vorn nach rückwärts auf und nieder gehend, in Absätzen stehenbleibend) Ob das zwar nicht.--Die Weiber dieses Stamms Sind leidlich, gut sogar.--Allein die Männer Mit schmutz'ger Hand und engem Wuchersinn, Ein solcher soll das Mädchen nicht berühren. Am Ende hat sie Bessern angehört.-- Allein was kümmert's uns?--Ob so, ob so, Wie nah, wie fern!--Sie mögen selber sorgen. Königin. Doch wirst du stark auch bleiben, Don Alfonso? König (stehenbleibend). Sieh nur, du hast das Mädchen nicht gekannt. Nimm alle Fehler dieser weiten Erde, Die Torheit und die Eitelkeit, die Schwäche, Die List, den Trotz, Gefallsucht, ja die Habsucht, Vereine sie, so hast du dieses Weib, Und wenn, statt Zauber, rätselhaft du's nennst, Daß jemals sie gefiel, so stimm ich ein Und schämte mich, wär's nicht natürlich wieder. (Er geht auf und nieder.) Königin. Oh, nicht natürlich, glaube mir mein Gatte. König (stehenbleibend). Ein Zauber endlich ist. Er heißt Gewohnheit, Der anfangs nicht bestimmt, doch später festhält, Von dem was störend, widrig im Beginn, Abstreift den Eindruck, der uns unwillkommen, Das Fortgesetzte steigert zum Bedürfnis. Ist's leiblich doch auch anders nicht bestellt. Die Kette, die ich trug--und die nun liegt, Auf immer abgetan--so Hals als Brust Sie haben an den Eindruck sich gewöhnt (sich schüttelnd) Und fröstelnd geht's mir durch die leeren Räume. Ich will mir eine andre Kette wählen, Der Körper scherzt nicht, wenn er warnend mahnt. Und damit nun genug!--Doch daß Ihr blutig Euch rächen wolltet an der armen Törin, Das war nicht gut. (Zum Tische tretend.) Denn sieh nur diese Augen-- Nun ja, die Augen Körper, Hals und Wuchs, Das hat Gott wahrlich meisterhaft gefügt; Sie selber machte später sich zum Zerrbild. Laß Gottes Werk in ihr uns denn verehren Und nicht zerstören was er weise schuf. Königin. Berühr es nicht! König. Schon wieder denn der Unsinn! Und wenn ich's nehme wirklich in die Hand (er hat das Bild auf die Hand gelegt) Bin ich ein andrer drum? Schling ich die Kette Aus Scherz, um dein zu spotten, um den Hals, (er tut's) Das Bild, das dich erschreckt, im Busen bergend, Bin minder ich Alfonso, der es einsieht Daß er gefehlt und der den Fehl verdammt? Drum sei's des Unsinns endlich doch genug. (Er entfernt sich vom Tische.) Königin. Allein-- König (wild nach ihr hinblickend). Was ist? Königin. O Gott im Himmel! König. Erschrick nicht gutes Weib. Doch sei vernünftig Und wiederhole mir nicht stets dasselbe, Es mahnt zuletzt mich an den Unterschied. (Auf den Tisch, dann auf seine Brust zeigend.) Dort jenes Mädchen--zwar jetzt ist sie hier-- War töricht sie, so gab sie sich als solche Und wollte klug nicht sein, noch fromm und sittig. Das ist die Art der tugendhaften Weiber, Daß ewig sie mit ihrer Tugend zahlen. Bist du betrübt, so trösten sie mit Tugend, Und bist du froh gestimmt, ist's wieder Tugend, Die dir zuletzt die Heiterkeit benimmt, Wohl gar die Sünde zeigt als einz'ge Rettung. Was man die Tugend nennt, sind Tugenden, Verschieden, mannigfalt, nach Zeit und Lage, Und nicht ein hohles Bild, das ohne Fehl, Doch eben drum auch wieder ohne Vorzug. Ich will die Kette nur vom Halse legen, Denn sie erinnert mich--Und dann Lenore, Daß du mit den Vasallen dich verbündet, Das war nicht gut, war unklug, widrig. Wenn du mir zürnst, bist du in deinem Recht; Doch diese Männer, meine Untertanen, Was wollen sie? Bin ich ein Kind, ein Knabe, Der noch nicht kennt den Umkreis seiner Stellung? Des Reiches Sorge teilen sie mit mir Und gleiche Sorge, weiß ich, ist mir Pflicht. Doch ich, Alfonso, ich, der Mensch, der Mann In meinem Haus, in meinem Sein und Wesen, Schuld ich des Reiches Männern Rechenschaft? Nicht so! Und hört' ich nichts als meinen Zorn, Ich kehrte rasch zurück, woher ich kam, Nur um zu zeigen, daß nicht ihrem Urteil, Nicht ihrer Billigung ich untertan. (Nach vorn tretend und mit dem Fuße auf den Boden stampfend.) Und endlich dieser Alte, Don Manrique, Wenn er mir Vormund war, ist er es noch? (Don Manrique erscheint in der Mitteltüre. Die Königin zeigt mit gerungenen Händen nach ihrem Gatten. Manrique zieht sich mit einer beruhigenden Bewegung beider Hände zurück.) Erkühnt er sich dem König vorzuschreiben Die hausgebacknen Lehren seiner Weisheit? Wohl gar zu heimlicher, verwegner Tat--? (In der Quere der Bühne auf und nieder gehend.) Ich will das untersuchen, ich, als Richter Und zeigt sich eine Spur nur von Vergehn, Von frevelhafter Absicht oder Tat, Je näher mir der Schuldige, ja nächst, Nur um so härter büß' er sein Erkühnen. Nicht du, Lenore, nein, du bist entschuldigt. (Die Königin hat sich während des letzten leise durch die Seitentüre rechts entfernt.) Wo ging sie hin? So läßt man mich allein? Bin ich der Tor in meinem eignen Haus? (Er nähert sich der Seitentüre rechts.) Ich will zu ihr!--Die Tür verschlossen? (Die Türe mit einem Fußtritt sprengend.) Auf! So nehm ich mir im Sturm mein häuslich Glück. (Er geht hinein.) (Don Manrique und Garceran erscheinen in der Mitteltüre. Letzterer macht einen Schritt über die Schwelle.) Manrique. Willst du mit uns? Garceran. Mein Vater! Manrique. Willst du nicht? Die andern sind voran. Folgst du? Garceran. Ich folge. (Sie ziehen sich zurück, die Türe geht zu.--Pause.--Der König kommt zurück. In der Stellung eines Horchenden.) König. Horch wieder!--Es ist nichts, und alles stille.-- Die Zimmer meiner Gattin leer, verlassen. Rückkehrend aber, in der Erkerstube Vernahm ich Lärm von Wagen und von Rossen In reißendem Galopp das Weite suchend. Bin ich allein? He, Garceran! Ramiro! (Der Knappe kommt aus der Seitentüre links.) Was ist? Was geht hier vor? Knappe. Erlauchter Herr Das Schloß ist menschenleer; Ihr selbst und ich Zur Zeit die einzig lebenden Bewohner. König. Die Königin? Knappe. Verließ das Schloß zu Wagen. König. Schon nach Toledo denn zurück? Knappe. Ich weiß nicht. Allein die Herren-- König. Welche Herrn? Knappe. Die Stände, Die sich gesamt auf ihre Pferde schwangen, Sie nahmen ihren Weg nicht nach Toledo, Vielmehr den Weg, auf dem ihr selber kamt. König. Ha! nach Retiro? Fällt's wie Schuppen doch Von meinen sehenden und blinden Augen. Das ist der Mord! Sie gehen, sie zu töten. Mein Pferd! Mein Pferd! Knappe. Das Eure, hoher Herr, Ward als gelähmt, wie selber Ihr befahlt-- König. Nun denn ein andres, Garcerans, das deine. Knappe. Man hat die Pferde sämtlich weggebracht, Mit sich geführt, vielleicht gejagt ins Freie. Die Ställe sind geleert so wie das Schloß. König. Sie denken mich zu überholen. Fort! Schaff mir ein Pferd, und wär's ein Ackergaul, Es soll ihm Flügel leihen meine Rache. Und wenn's geschah?--Dann, guter Gott, dann gib, Daß ich nicht als Tyrann, daß ich als Mensch Die Schuld bestrafe und die Schuldigen. Schaff mir ein Pferd! Sonst bist du einverstanden Und zahlst mit deinem Kopf, wie alle, (an der Türe stehenbleibend, mit einer heftigen Bewegung) alle! (Er eilt fort.) (Der Vorhang fällt.) Fünfter Aufzug Saal im Schlosse zu Retiro mit einer Mittel- und zwei Seitentüren. Überall Zeichen der Zerstörung. Links im Vorgrunde ein umgestürzter Putztisch mit zerstreutem Geräte. Rechts im Hintergrunde ein gleichfalls umgeworfener Tisch, darüber ein Gemälde, halb aus dem Rahmen herausgerissen. In der Mitte des Gemachs ein Stuhl. Es ist dunkel. Von außen, hinter der Mittelwand, Geräusch von Stimmen, Fußtritte und Waffengeklirr, endlich. Von außen. Es ist genug! Das Zeichen tönt! Zu Pferde! (Die Stimmen und die Fußtritte entfernen sich.--Pause. Dann kommt der alte Isaak aus der Seitentüre rechts, einen nachschleifenden Teppich über den Kopf gestülpt, den er später fallen läßt.) Isaak. So sind sie fort?--Ich höre nichts. (Zurücktretend.) Doch ja-- Nein wieder nichts. Ich habe mich versteckt Als sie nach Räuberart das Schloß durchsuchten. Am Boden lag ich in mich selbst gekrümmt, Und diese Decke war mir Dach und Schirm. Doch nun wohin?--Was ich erspart, erworben, Hab ich vorlängst im Garten eingescharrt; Das hol ich später, wenn der Lärm vorüber.-- Wo ist die Tür? Wie rett ich meine Seele? (Esther tritt aus der Türe links.) Wer kommt? Weh mir! Esther. Seid Ihr's? Isaak Bist du es, Rahel? Esther. Wie meinst du? Rahel? Esther bin ich nur! Isaak. Nur, sagst du, nur? Du, meine einz'ge Tochter, Die einz'ge, weil die beste. Esther. Sag vielmehr: Die beste, weil die einz'ge. Alter Mann, So weißt du nichts vom heut'gen Überfall, Und weißt du nicht, wem all ihr Wüten galt? Isaak. Ich weiß es nicht und will es auch nicht wissen, Ist Rahel doch entflohn, in Sicherheit. O sie ist klug.--Gott meiner Väter! Was suchst du mich, mich armen alten Mann Und sprichst zu mir aus meiner Kinder Munde? Ich aber glaub es nicht. Es ist nicht. Nein! (Er sinkt am Stuhle in der Mitte nieder, sein Haupt dagegenlehnend.) Esther. So sei denn stark durch feige Furchtsamkeit. Doch nenn ich andre was ich selber war. Als sie nun kamen und, vom Schlaf erwacht, Ins letzte, ferne, innerste Gemach Ich hin zur Hilfe meiner Schwester eilte, Da faßt mich einer an mit starker Hand Und schleudert mich zu Boden. Und ich Feige, Ich fiel in Ohnmacht, als es galt Mein Leben für die Schwester hinzugeben, Zu sterben wenigstens zugleich mit ihr. Als ich erwachte, war die Tat geschehn Vergebens jedes Mittel der Belebung. Da konnt' ich weinen, mir die Haare raufen; Das ist die rechte Feigheit, Weiberart. Isaak. Sie sagen dies und das. Ich aber glaub's nicht. Esther. Leih deinen Stuhl zu sitzen, alter Mann. (Sie rückt den Stuhl nach vorn.) Die Glieder werden schwach mir unterm Leib. Hier will ich bleiben und will Wache halten. (Sie sitzt.) Vielleicht daß einem dünkt der Mühe wert, Die Stoppeln zu verbrennen nach der Ernte, Und kommt zurück und tötet was noch übrig. Isaak (vom Boden). Mich nicht! mich nicht!--Hier kommt schon einer. Horch! Nein viele!--Schütze mich, ich flieh zu dir. (Er flieht zu ihrem Stuhle, wo er sich am Boden niederkauert.) Esther. Ich will Euch hüten, einer Mutter gleich, Des altergrauen Vaters zweite Kindheit. Und kommt der Tod, so sterbt Ihr kinderlos, Ich geh voran und folge meiner Schwester. (In der Mitteltüre erscheint der König mit seinem Knappen, der eine Fackel trägt.) König. Dring ich noch weiter vor? Begnüg ich mich Mit dem was ich schon weiß eh ich's gesehn? Das ganze Schloß, zerstört, verheert, verwüstet, Ruft mir aus allen Winkeln gellend zu: Es ist zu spät! der Greuel ist geschehn. Und des trägst du die Schuld, verruchter Zaudrer, Wenn etwa gar nicht einverstanden auch. Allein du weinst, und Tränen lügen nicht. Sieh her, ich weine auch. Allein aus Wut, Aus unbefriedigter Begier nach Rache. Steck deine Fackel hier in diesen Ring Und geh ins Dorf; versammle die Gemeinde, Heiß sie mit Waffen, die der Zufall beut Sich stellen hier im Schloß. Ich selbst entbiete, Wenn's Morgen erst, durch Schreiben rings mein Volk, Der Arbeit Kinder und der harten Mühn. An ihrer Spitze will ich rächend gehn Und brechen all die Schlösser jener Großen, Die Diener halb und halb auch wieder Herrn, Sich selber dienen und den Herren meistern, Beherrscher und Beherrschte, also sei's, Und jene Zwitter tilg ich rächend aus, Die stolz auf Blut, auf das in ihren Adern Und auf das fremde, wenn's ihr Schwert vergoß. Laß hier dein Licht und geh! Ich bleib allein Und brüte die Geburten meiner Rache. (Der Diener steckt seine Fackel in den Ring neben der Türe und entfernt sich.--König einen Schritt nach vorn machend.) Was regt sich dort? Ist hier noch Leben übrig? Gebt Antwort! Isaak Gnädiger Herr Missetäter, Verschont uns edler Mörder! König. Du bist's, Alter? Erinnre mich nicht dran, daß sie dein Kind, Es minderte ihr Bild in meiner Seele. Und du bist Esther, nicht? Esther. Ich bin es, Herr. König. Und ist's geschehn? Esther. Es ist. König. Ich wußt' es wohl Seit ich das Schloß betrat. Drum keine Klagen! Glaub, das Gefäß ist voll, was man noch zugießt Fließt ab vom Rand und schwächt des Inhalts Gift. Als sie noch lebte wollt' ich sie verlassen. Nun da sie tot, verläßt sie nimmer mich Und dies ihr Bild auf dieser meiner Brust Es gräbt sich ein und schlägt nach innen Wurzel. Denn war nicht selber ich's, der sie getötet? Blieb sie mir fern, sie spielte noch, ein Kind, Sich selbst zur Lust und anderen zur Freude. Vielleicht--ob das zwar nicht! Ich sage nein! Kein andrer durfte ihre Hand berühren Und niemands Lippen nahen ihrem Mund, Kein frecher Arm--Sie war des Königs eigen, Ob nie gesehn, gehörte sie doch mir, Der Reize Macht dem Mächt'gen auf dem Thron. Isaak. Spricht er von Rahel? Esther. Wohl, von Eurer Tochter. Sosehr der Schmerz verlornen Wert verdoppelt, Sag ich Euch doch: Ihr schlagt zu hoch sie an. König. Meinst du? Ich sage dir, wir sind nur Schatten, Ich, du, und jene andern aus der Menge; Denn bist du gut: du hast es so gelernt, Und bin ich ehrenhaft: ich sah's nicht anders; Sind jene andern Mörder, wie sie's sind: Schon ihre Väter waren's, wenn es galt. Die Welt ist nur ein ew'ger Widerhall Und Korn aus Korn ist ihre ganze Ernte. Sie aber war die Wahrheit, ob verzerrt, All was sie tat ging aus aus ihrem Selbst, Urplötzlich, unverhofft und ohne Beispiel. Seit ich sie sah, empfand ich, daß ich lebte Und in der Tage trübem Einerlei War sie allein mir Wesen und Gestalt. So wie man sagt, daß in Arabiens Wüsten Der Wandrer, der sich lang im Sand geplagt, Der Sonne Brand ertragen glühnden Haupts, Mit einemmal ein blühend Eiland trifft Umbrandet von der See der trocknen Wellen, Da blühen Blumen, winkt der Bäume Schatten, Der Kräuter Hauch steigt mildernd in die Luft Und wölbt sich unterm Himmel als ein zweiter. Zwar ringelt sich die Schlange unterm Busch, Ein reißend Tier, von gleichem Durst gequält, Fand etwa seinen Weg zur kühlen Quelle; Doch jubelt auf der Wandrer, wegemüd Und saugt mit gier'gem Mund den Labetrank Und wirft sich in des Grases üpp'gen Wuchs. Den üpp'gen Wuchs. Fürwahr! Ich will sie sehn, Noch einmal jenen stolzen Bau der Glieder, Den Mund, der Atem sog und Leben hauchte, Und der, nunmehr auf immerdar verstummt, Mich anklagt, daß ich sie so schlecht beschützt. Esther. Tu's nicht, o Herr! Da 's nun geschehn, Laß es geschehen sein. Uns sei der Jammer, Du trenne dich nicht, Herr, von deinem Volk. König. Meinst du? Ich bin der König, weißt du wohl? Nicht nur an ihr, an mir hat man gefrevelt. Gerechtigkeit und Strafe jeder Schuld Hab ich geschworen an dem Krönungstag Und will es halten bis an meinen Tod. Dazu muß ich mich stärken, mich verhärten, Denn alles was dem Menschen hoch und wert, Wird man entgegenstellen meinem Grimm: Erinnerung aus meiner Knabenzeit, Des Mannes erste bräutliche Begegnung, Die Freundschaft und die Dankbarkeit, die Milde, Mein ganzes Leben schroff in eins geballt Wird mir genüberstehn in Waffenrüstung Und mich zum Kampfe fordern mit mir selbst, Drum muß ich von mir selbst mich erst entfernen. Ihr Bild wie es vor mir steht hier und dort An jeder Wand, in dieser, jener Ecke, Zeigt mir sie nur in ihrer frühern Schönheit Mit ihren Schwächen, die so reizend auch. Ich will sie sehn, zerstört, versehrt, mißhandelt, Versenken mich im Greuel ihres Anblicks, Vergleichen jedes Blutmal ihres Leibes Mit ihrem Abbild hier auf meiner Brust Und lernen Unmensch sein genüber gleichen. (Da Esther aufgestanden ist.) Sprich mir kein Wort! Ich will! Und diese Fackel Soll mich begleiten, flammend wie ich selbst, Nur leuchtend weil zerstörend und zerstört. Sie ist in jenem letzten, innern Zimmer, Wo ich so oft--? Esther. Sie ist, sie war, sie bleibt. König (hat die Fackel ergriffen). Mir deucht ich sehe Blut auf meinem Weg. Es ist der Weg zum Blut.--O Nacht der Greuel. (Er geht in die Seitentüre links.) Isaak. Wir sind im Dunkeln. Esther. Wohl, im Dunkel rings, Umgeben von des Unglücks grauser Nacht. Allein der Tag bricht an. Laß mich versuchen Ob ich die Glieder trage bis dahin. (Sie tritt zum Fenster und zieht den Vorhang.) Der Morgen dämmert schon, sein bleicher Schein Schaut, wie entsetzt, die Greuel der Zerstörung, Den Unterschied von gestern und von heut. (Auf die am Boden zerstreuten Schmucksachen deutend.) Da liegen sie die Trümmer unsres Glücks, Der bunte Tand, um dessentwillen wir, Ja wir, nur wir--nicht er, der dort sich schuld gibt-- Die Schwester opferten, dein töricht Kind. All was geschieht ist Recht. Wer sich beklagt, Verklagt sich selbst und seine eigne Torheit. Isaak (der sich in den Stuhl gesetzt hat). Hier will ich sitzen. Seit der König da Fürcht ich sie nicht und alle die noch kommen. (Die Mitteltüre öffnet sich, Manrique und Garceran, hinter ihnen die Königin, ihr Kind an der Hand führend, und mehrere Große treten ein.) Manrique. Kommt hier herein und stellt demnächst Euch auf. Wir haben an dem König uns versündigt, Das Gute wollend, aber nicht das Recht. Wir wollen uns dem Rechte nicht entziehn. Esther (auf der andern Seite, eines Ruckes den umgestürzten Tisch emporhebend). Verwüstung ordne dich! Laß sie nicht glauben, Daß wir erschrocken, oder daß wir feig. Königin. Hier sind sie, jene andern! Manrique. Immerhin! Sie traf bereits, was uns vielleicht bedroht. Stellt Euch in Reih' und Ordnung wenn's beliebt. Königin. Mich laßt voran, ich bin die Schuldigste. Manrique. Nicht also, edle Frau! Ihr spracht das Wort, Doch als es kam zur Tat, habt Ihr gezittert, Euch widersetzt und Schonung anbefohlen, Obgleich umsonst, denn Not war uns Gebot. Auch wünscht' ich nicht, daß sich sein erster Grimm Entlüde auf die Häupter, die uns hoch, Zunächst nach ihm die Hoffnung unsers Throns. Ich selber tat's. Zwar nicht mit meiner Hand, Allein mit Rat, mit furchtbar ernstem Mitleid. Ich trete vor Euch hin. Und du, mein Sohn, Hast du den Mut, als Mann auch zu vertreten Was du gehindert nicht, wenn nicht gefördert, So daß dein Streben, wieder gut zu machen, Und deine Rückkehr selbst nicht ohne Schuld? Garceran. Seht mich bereit. Ich tret an Eure Seite Und treffe mich des Königs erster Zorn. Esther (herüberrufend). Ihr dort, obgleich ihr Mörder seid gesamt Und würdig jeden Tods und jeder Strafe; Genug des Unheils ist bereits geschehn, Ich wünschte nicht die Greuel noch vermehrt. Der König ist dort drin bei meiner Schwester, Und vorher schon ergrimmt, wird ihn ihr Anblick Aufstacheln zu vermehrter, neuer Wut. Auch dauert mich das Weib dort und ihr Kind, Unschuldig halb und halb auch halb nur schuldig. Drum geht, weil es noch Zeit, begegnet nicht Dem Rächer, der zum Richter noch zu heiß. Manrique. Weib, wir sind Christen. Esther. Nun, Ihr habt's gezeigt. Ich lobe mir die Jüdin, weiß es Gott! Manrique. Als solche abzubüßen auch bereit Was wir gefehlt, uns willig unterwerfend. Legt Eure Schwerter ab. Hier ist das meine. Die Wehr an Mannes Seite spricht von Schutz. Schon unsre Anzahl streitet mit der Demut, Sie teilt die Schuld, die doch in jedem ganz. (Alle haben die Schwerter vor Manrique auf den Boden gelegt.) So harren wir. Vielmehr geh' einer hin Und trete fördersamst den König an. Des Landes Not erheischt, daß er sich fasse, Ob so, ob so; und wär's auch nur bereuend Zu rasche Tat, von der wir selbst das Opfer. Geh du mein Sohn! Garceran (der einige Schritte gemacht, umkehrend). Seht hier der König selbst. (Der König stürzt aus dem Seitengemache. Nach ein paar Schritten wendet er sich um und sieht starr nach der Türe.) Königin. O Gott im Himmel! Manrique. Ruhig gnäd'ge Frau. (Der König geht nach vorn. Er bleibt mit untergeschlagenen Armen vor dem alten Isaak stehen, der wie schlummernd im Sessel liegt. Drauf geht er nach dem Vorgrunde.) Esther (zu dem Alten). Schau, deine Feinde zittern. Freust du dich? Ich nicht. Die Tote wacht doch nimmer auf. (Der König, im Vorgrunde, betrachtet seine beiden Hände und streift daran, wie reinigend, mit der einen über die andere. Hierauf dieselbe Bewegung über den Oberleib. Zuletzt fährt er nach dem Halse, die Hände um den Umkreis desselben bewegend. In dieser letzten Stellung, die Hände noch immer am Halse, bleibt er stehen und sieht starr vor sich hin.) Manrique. Erlauchter Fürst und König! Gnäd'ger Herr! König (emporfahrend). Ihr seid's? Ihr kommt zurecht. Euch sucht' ich eben, Und alle. Ihr erspart mir manche Müh'. (Er tritt vor sie hin, sie mit zornigen Blicken messend.) Manrique (auf die am Boden liegenden Waffen zeigend). Wir haben unsre Wehr von uns gelegt-- König. Ich sehe Schwerter. Kommt Ihr, mich zu töten? Vollendet Euer Werk. Hier meine Brust. (Er öffnet sein Kleid.) Königin. Er hat's nicht mehr! König. Wie meint ihr schöne Frau? Königin. Das böse Bild ist fort von seinem Halse. König. Ich gehe, es zu holen. (Er macht ein paar Schritte gegen die Seitentüre und bleibt dann stehen.) Königin. Gott, noch immer! Manrique. Wir wissen wohl, wie sehr wir, Herr, gefehlt; Vor allem: nicht die Rückkehr zu dir selbst Dir selbst und deinem edlen Sinn vertrauend. Allein die Zeit war dringender als wir. Es bebt das Land. Der Feind an unsern Grenzen Er fordert auf zu Wehr und Widerstand. König. Und Feinde muß man strafen, oder nicht? Ihr mahnt mit Recht; umringt bin ich von solchen. He, Garceran! Garceran. Meint Ihr mich, hoher Herr? König. Ich meine dich. Du hast mich zwar verraten, Allein du warst mein Freund. Komm her zu mir. Sag mir was hältst du von dem Mädchen dort? Nun--die du morden halfst--doch davon später. Was hieltst du von ihr da sie lebte noch? Garceran. Herr, sie war schön. König. So! und was weiter noch? Garceran. Doch auch verbuhlt und leicht, voll arger Tücken. König. Und das verschwiegst du mir als es noch Zeit? Garceran. Ich sagt' es Euch. König. Und ich hab's nicht geglaubt? Wie kam das? Sag nur an! Garceran. Die Königin Sie rät auf Zauberei. König. Das ist der Aberglaube, Der nachglaubt, was er erst sich vorgeglaubt. Garceran. Zum Teil war's freilich wieder auch natürlich. König. Natürlich ist zuletzt nur was erlaubt. Und war ich nicht ein König, mild, gerecht? Der Abgott meines Volks und all der Meinen. Nicht leer an Sinn, und blind auch nicht vor allem. Ich sage dir: sie war nicht schön. Garceran. Wie meint Ihr? König. Ein böser Zug um Wange, Kinn und Mund, Ein lauernd Etwas in dem Feuerblick Vergiftete, entstellte ihre Schönheit. Betrachtet hab ich mir's und hab verglichen. Als ich dort eintrat, meinen Zorn zu stacheln, Halb bange vor der Steigrung meiner Wut, Da kam es anders als ich mir's gedacht. Statt üpp'ger Bilder der Vergangenheit Trat Weib und Kind und Volk mir vor die Augen. Zugleich schien sich ihr Antlitz zu verzerren, Die Arme sich zu regen mich zu fassen. Da warf ich ihr ihr Bild nach in die Gruft Und bin nun hier und schaudre, wie du siehst. Nun aber geh! Hast du mich doch verraten, Fast tut mir leid, daß ich Euch strafen muß. Tritt hin zu deinem Vater, zu den andern. Kein Unterschied, denn alle seid Ihr schuldig. Manrique (mit starker Stimme). Und Ihr nicht auch? König (nach einer Pause). Der Mann hat recht; ich auch. Allein was ist die Welt, mein armes Land, Wenn niemand rein und übrall nur Verbrecher? Doch hier mein Sohn. Tritt du in unsre Mitte, Du sollst der Schutzgeist sein von diesem Lande, Ob uns ein höhrer Richter dann verzeiht. Führt Doña Clara, Ihr ihn an der Hand, Euch hat ein günstiges Geschick verliehn In Unbefangenheit bis diesen Tag Das Leben zu durchziehn; Ihr seid es wert, Die Unschuld einzuführen unter uns. Doch halt! Hier ist die Mutter. Was sie tat, Sie tat es für ihr Kind. Ihr ist verziehn. (Da die Königin vortritt und ein Knie beugt.) Madoña, straft Ihr mich? Wollt Ihr mir zeigen Die Stellung, die mir ziemte gegen Euch? Kastilier seht her! Hier Euer König, Und die Regentin hier an seiner Statt, Ich bin nur der Feldhauptmann meines Sohns. Denn wie die Pilger mit dem Kreuz bezeichnet Zur Buße hinziehn nach Jerusalem, So will ich, meiner Makel mir bewußt, Euch führen gegen jene Andersgläub'gen, Die an der Grenze fern aus Afrika Mein Volk bedrohn und dies mein stilles Land. Kehr ich dann wieder, und will's Gott als Sieger, Dann sollt Ihr sagen, ob ich wieder wert, Das Recht zu schützen, das ich nun verletzt. Euch jeden trifft die Strafe so wie mich, Denn in die dichtsten Haufen unsrer Feinde Sollt Ihr mir folgen, Ihr gesamt, zunächst. Und wer dann fällt, er hat gebüßt für alle. So straf ich Euch und mich. Hier meinen Sohn, Setzt ihn auf einen Schild, gleich einem Thron, Denn er ist heut der König dieses Landes, Und so geschart, laßt gehn uns vor das Volk. (Man hat einen Schild gebracht.) Ihr Frauen beide reicht dem Kind die Hand, Sein erster Thron ist schlüpfrig--wie der zweite. Du Garceran, du bleibst an meiner Seite: Wir haben gleichen Leichtsinn zu vertreten, Wir wollen kämpfen wie mit einer Kraft. Und hast du dich gereinigt so wie ich, Vielleicht hält jene Stille, Sittigreine Dich ihrer Huld und ihres Auges wert. Ihr sollt ihn bessern, Doña Clara! doch, um Gott! Macht ihm die Tugend nicht nur achtungswert, Nein liebenswürdig auch. Das schützt vor vielem. (Trompeten aus der Ferne.) Hört Ihr? Sie rufen uns. Die ich beschieden Als Beistand gegen Euch, sie sind bereit Zur Hilfe gegen unser aller Feind, Den grimmen Mauren, der den Grenzen droht, Und den ich senden will mit Schmach und Wunden Rück in sein heimisch dürres Wüstenland, Auf daß das unsre frei von Unbill Nach innen und nach außen wohl bewahrt. Voraus! Voran! Geliebt es Gott: zum Sieg. (Der Zug hat sich schon früher geordnet. Voraus einige Vasallen; dann das Kind auf dem Schilde, das die Frauen zu beiden Seiten an den Händen halten, dann der Rest der Männer. Zuletzt der König, sich vertraulich auf Garceran stützend.) Esther (zu ihrem Vater gewandt). Siehst du, sie sind schon heiter und vergnügt Und stiften Ehen für die Zukunft schon. Sie sind die Großen, haben zum Versöhnungsfest Ein Opfer sich geschlachtet aus den Kleinen Und reichen sich die annoch blut'ge Hand. (In die Mitte des Theaters tretend.) Ich aber sage dir, du stolzer König: Geh hin, geh hin in prunkendem Vergessen-- Du hältst dich frei von meiner Schwester Macht, Weil abgestumpft der Stachel ihres Eindrucks Und du von dir warfst, was dich einst gelockt. Am Tag der Schlacht, wenn deine schwanken Reihen Erschüttert von der Feinde Übermacht, Und nur ein Herz, das rein und stark und schuldlos Gewachsen der Gefahr und ihrem Drohn: Wenn du emporschaust dann zum tauben Himmel, Dann wird das Bild des Opfers, das dir fiel, Nicht in der üpp'gen Schönheit, die dich lockte, Entstellt, verzerrt, wie sie dir ja mißfiel, Vor deine zagend bange Seele treten! Dann schlägst du wohl auch reuig an die Brust, Dann denkst du an die Jüdin von Toledo. (Den Alten an der Schulter fassend.) Kommt, Vater, kommt! Wir haben dort zu tun. (Auf die Seitentüre zeigend.) Isaak (wie aus dem Schlafe erwachend). Doch such ich erst mein Gold. Esther. Denkt Ihr noch das? Im Angesicht des Jammers und der Not. Dann nehm ich rück den Fluch, den ich gesprochen, Dann seid Ihr schuldig auch, und ich--und sie. Wir stehn gleich jenen in der Sünder Reihe; Verzeihn wir denn, damit uns Gott verzeihe. (Die Arme gegen die Seitentüre ausgestreckt.) (Der Vorhang fällt.) Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die Jüdin von Toledo, von Franz Grillparzer. End of Project Gutenberg's Die Juedin von Toledo, by Franz Grillparzer *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE JUEDIN VON TOLEDO *** This file should be named 8jdtl10.txt or 8jdtl10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 8jdtl11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8jdtl10a.txt Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau. Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. 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