The Project Gutenberg EBook of Weh dem, der luegt, by Franz Grillparzer Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 8-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. WEH DEM, DER LUeGT! von FRANZ GRILLPARZER Lustspiel in fuenf Aufzuegen (1840) Personen: Gregor, Bischof von Chalons Atalus, sein Neffe Leon, Kuechenjunge Kattwald, Graf im Rheingau Edrita, seine Tochter Galomir, ihr Braeutigam Gregors Hausverwalter Der Schaffer Kattwalds Zwei Knechte Kattwalds Ein Pilger Ein fraenkischer Anfuehrer Ein Fischer Sein Knecht Erster Aufzug Garten im Schlosse zu Dijon, im Hintergrunde durch eine Mauer geschlossen, mit einem grossen Gittertore in der Mitte. Leon, der Kuechenjunge, und der Hausverwalter am Gartentor. Leon. Ich muss den Bischof durchaus sprechen, Herr! Hausverwalter. Du sollst nicht, sag ich dir, verwegner Bursch! Leon (sein Kuechenmesser ziehend). Seht Ihr? ich zieh vom Leder, weicht Ihr nicht. Teilt Sonn' und Wind, wir schlagen uns, Herr Sigrid. Hausverwalter (nach dem Vorgrunde ausweichend). Zu Hilfe! Moerder! Leon. 's ist mein Scherz ja nur. Doch sprechen muss ich Euch den Bischof, Herr. Hausverwalter. Es kann nicht sein, jetzt in der Morgenstunde Geht er lustwandeln hier und meditiert. Leon. Ei, meditier' er doch vor allem erst auf mich Und mein Gesuch, das liegt ihm jetzt am naechsten. Hausverwalter. Dein Platz ist in der Kueche, dahin geh! Leon. So? In der Kueche, meint Ihr? Zeigt mir die! Wenn eine Kuech' der Ort ist, wo man kocht, So sucht Ihr sie im ganzen Schloss vergebens. Wo man nicht kocht ist keine Kueche, Herr, Wo keine Kueche ist kein Koch. Das, seht Ihr? Wollt' ich dem Bischof sagen; und ich tu's, Ich tu's fuerwahr, und saeht Ihr noch so scheel. Pfui Schande ueber alle Knauserei! Erst schickten sie den Koch fort, nun, da meint' ich, Sie trauten mir so viel, und war schon stolz, Doch als ich anfing meine Kunst zu zeigen, Ist alles viel zu teuer, viel zu viel. Mit Nichts soll ich da kochen, wenn auch nichts. Nur gestern noch erhascht' ich ein Stueck Wildbret, So koestlich als kein andres, um 'nen Spottpreis, Und freute mich im voraus, wie der Herr sich, Der Alte, Schwache, laben wuerde dran. Ja, prost die Mahlzeit! Musst' ich's nicht verkaufen, An einen Sudelkoch verhandeln mit Verlust; Weil's viel zu teuer schien, gar viel zu kostbar. Nennt Ihr das Knauserei? wie, oder sonst? Hausverwalter. Man wird dich jagen, allzu lauter Bursch! Leon. Mich jagen? Ei, erspart Euch nur die Mueh'! Ich geh von selbst. Hier, meine Schuerze, seht! Und hier mein Messer, das Euch erst erschreckt, (er wirft beides auf den Boden) So werf ich's hin und heb es nimmer auf. Sucht einen andern Koch fuer eure Fasten! Glaubt Ihr, fuer Geld haett' ich dem Herrn gedient? Es gibt wohl andre Wege noch und bessre, Sich durchzuhelfen, fuer 'nen Kerl wie ich. Der Koenig braucht Soldaten, und, mein Treu! Ein Schwert waer' nicht zu schwer fuer diese Hand. Doch sah ich Euern Bischof durch die Strassen Mit seinem weissen Bart und Lockenhaar, Das Haupt gebeugt von Alterslast, Und doch gehoben von--ich weiss nicht was, Doch von was Edlem, Hohem muss es sein; Die Augen aufgespannt, als saeh' er Bilder Aus einem andern, unbekannten Land, Die allzugross fuer also kleine Rahmen: Sah ich ihn so durch unsre Strassen ziehn, Da rief's in mir: dem musst du dienen, dem, Und waer's als Stallbub. Also kam ich her. In diesem Haus, dacht' ich, waer' Gottesfrieden, Sonst alle Welt im Krieg. Nun da ich hier, Nun muss ich sehn, wie er das Brot sich abknappt, Als haett' er sich zum Hungertod verdammt, Wie er die Bissen sich zum Munde zaehlt. Mag das mit ansehn, wer da will, ich nicht. Hausverwalter. Was sorgst du mehr um ihn, als selbst er tut? Ist er nicht kraeftig noch fuer seine Jahre? Leon. Mag sein! Doch ist's was andres noch, was Tiefers. Ich weiss es manchmal deutlich anzugeben, Und wieder manchmal spukt's nur still und heimlich. Dass er ein Bild mir alles Grossen war Und dass ich jetzt so einen schmutz'gen Flecken, Als Geiz ist, so 'nen haemisch garst'gen Klecks, Auf seiner Reinheit weissem Kleide seh, Und sehen muss, ich tu auch, was ich will; Das setzt mir alle Menschen fast herab, Mich selber, Euch; kurz alle, alle Welt, Fuer deren Besten ich so lang ihn hielt, Und quaelt mich, dass ich wahrlich nicht mehr kann. Kurz, ich geh fort, ich halt's nicht laenger aus. Hausverwalter. Und das willst du ihm sagen? Leon. Ja, ich will's. Hausverwalter. Du koenntest's wagen? Leon. Ei, wohl mehr als das. Er soll sich vor mir reinigen, er soll Mir meine gute Meinung wieder geben, Und will er nicht; nun wohl denn, Gott befohlen! Pfui Schande ueber alle Knauserei! Hausverwalter. Des wagst du ihn zu zeihn, den frommen Mann? Weisst du denn nicht, dass Arme, Blinde, Lahme Der Saeckel sind, dem er sein Geld vertraut? Leon. Wohl gibt er viel, und segn' ihn Gott dafuer! Doch heisst das Gutes tun, wenn man dem Armen Die Spende gibt, dem Geber aber nimmt? Dann seht! Er liess mich neulich rufen Und gab mir Geld aus einer grossen Truhe --Die Kuechenrechnung naemlich fuer die Woche--, Doch eh er's gab, nahm er 'nen Silberling Und sah ihn zehnmal an und kuesst' ihn endlich Und steckt' ihn in ein Saeckel, das gar gross Und straff gefuellt im Winkel stand der Truhe. Nun frag ich Euch: ein frommer Mann Und kuesst das Geld. Ein Mann, der Hunger leidet Und Spargut haeuft im Saeckel, straff gefuellt. Wie nennt Ihr das? Wie nennt Ihr so 'nen Mann? Ich will sein Koch nicht sein. Ich geh und sag ihm's. Hausverwalter. Du toericht toller Bursch, willst du wohl bleiben? Stoerst du den guten Herrn, und eben heut, Wo er betruebt im Innern seiner Seele, Weil Jahrstag grade, dass sein frommer Neffe, Sein Atalus, nach Trier ward gesandt, Als Geisel fuer den Frieden, den man schloss; Allwo er jetzt, da neu entbrannt der Krieg, Gar hart gehalten wird vom grimmen Feind, Der jede Loesung unerbittlich weigert. Leon. Des Herren Neffe? Hausverwalter. Wohl, seit Jahresfrist. Leon. Und hat man nichts versucht, ihn zu befrein? Hausverwalter. Gar mancherlei; doch alles ist umsonst. Dort kommt der Herr, versunken in Betrachtung. Geh aus dem Wege, Bursch, und stoer ihn nicht. Leon. Er schreibt. Hausverwalter. Wohl an der Predigt fuer den Festtag. Leon. Wie bleich! Hausverwalter. Ja wohl, und tief betruebt. Leon. Doch sprechen muss ich ihn trotz alledem. Hausverwalter. Komm, komm! (Er fasst ihn an.) Leon. Herr, ich entwisch Euch doch. (Beide ab.) (Der Bischof kommt, ein Heft in der Hand, in das er von Zeit zu Zeit schreibt.) Gregor. Dein Wort soll aber sein: Ja, ja; nein, nein. Denn was die menschliche Natur auch Boeses kennt, Verkehrtes, Schlimmes, Abscheuwuerd'ges, Das Schlimmste ist das falsche Wort, die Luege. Waer' nur der Mensch erst wahr, er waer' auch gut. Wie koennte Suende irgend doch bestehn, Wenn sie nicht luegen koennte, taeuschen? erstens sich, Alsdann die Welt; dann Gott, ging' es nur an. Gaeb's einen Boesewicht? muesst' er sich sagen, So oft er nur allein: du bist ein Schurk'! Wer hielt' sie aus, die eigene Verachtung? Allein die Luegen in verschiednem Kleid: Als Eitelkeit, als Stolz, als falsche Scham, Und wiederum als Grossmut und als Staerke, Als innre Neigung und als hoher Sinn, Als guter Zweck bei etwa schlimmen Mitteln, Die huellen unsrer Schlechtheit Antlitz ein Und stellen sich geschaeftig vor, wenn sich Der Mensch beschaut in des Gewissens Spiegel. Nun erst die wissentliche Luege! Wer Hielt' sie fuer moeglich, waer' sie wirklich nicht? Was, Mensch, zerstoerst du deines Schoepfers Welt? Was sagst du, es sei nicht, da es doch ist; Und wiederum, es sei, da es doch nie gewesen? Greifst du das Dasein an, durch das du bist? Zuletzt noch: Freundschaft, Liebe, Mitgefuehl Und all die schoenen Bande unsers Lebens, Woran sind sie geknuepft als an das wahre Wort? Wahr ist die ganze kreisende Natur; Wahr ist der Wolf, der bruellt, eh' er verschlingt, Wahr ist der Donner, drohend, wenn es blitzt, Wahr ist die Flamme, die von fern schon sengt, Die Wasserflut, die heulend Wirbel schlaegt; Wahr sind sie, weil sie sind, weil Dasein Wahrheit. Was bist denn du, der du dem Bruder luegst, Den Freund betruegst, den Naechstes hintergehst? Du bist kein Tier, denn das ist wahr; Kein Wolf, kein Drach', kein Stein, kein Schierlingsgift: Ein Teufel bist du, der allein ist Luegner, Und du ein Teufel, insofern du luegst. Drum lasst uns wahr sein, vielgeliebte Brueder, Und euer Wort sei ja und nein auf immer. So zuechtig' ich mich selbst fuer meinen Stolz. Denn waer' ich wahr gewesen, als der Koenig Mich juengst gefragt, ob etwas ich beduerfe, Und haett' ich Loesung mir erbeten fuer mein Kind, Er waer' nun frei, und ruhig waer' mein Herz. Doch weil ich zuernte, freilich guten Grunds, Versetzt' ich: Herr, nicht ich bedarf dein Gut; Den Schmeichlern gib's, die sonst dein Land bestehlen. Da wandt' er sich im Grimme von mir ab, Und fort in Ketten schmachtet Atalus. (Er setzt sich erschoepft auf eine Rasenbank.) Leon (kommt von der Seite). Hat's Mueh' gebraucht, dem Alten zu entkommen! Da sitzt der Herr. Dass Gott! Mit blossem Haupt. Erst isst er nicht, dann in die Fruehlingsluft, Die rauh und kalt, noch nuechtern wie er ist. Er bringt sich selbst ums Leben. Ja, weiss Gott, Blieb' ich in seinem Dienst, ich kauft' 'ne Muetz' Und wuerf' sie ihm in Weg, dass er sie faende Und sich das Haupt bedeckte; denn er selbst, Er goennt sich's nicht. Pfui, alle Knauserei! Er sieht mich nicht. Ich red ihn an, sonst kehrt Herr Sigrid wieder, und es ist vorbei. Ehrwuerd'ger Herr! Gregor. Rufst du, mein Atalus? Leon. Ich, Herr. Gregor. Wer bist du? Leon. Ei, Leon bin ich, Leon der Kuechenjunge, oder gar wohl Leon der Koch, will's Gott. Gregor (stark). Ja wohl, wenn Gott will. Denn will er nicht, so liegst du tot, ein Nichts. Leon. Ei, habt Ihr mich erschreckt! Gregor. Was willst du? Leon. Herr-- Gregor. Wo ist die Schuerze und dein Messer, Koch? Und wes ist das, so vor mir liegt im Sand? Leon. Das ist mein Messer, meine Schuerze, Herr. Gregor. Weshalb am Boden? Leon. Herr, ich warf's im Zorn Von mir. Gregor. Hast du's im Zorn von dir gelegt, So nimm's in Sanftmut wieder auf. Leon. Ja, Herr-- Gregor. Faellt's dir zu schwer, so tu ich's, Freund, fuer dich. (Er bueckt sich.) Leon (zulaufend). Je, wuerd'ger Herr! O weh! was tut Ihr doch? (Er hebt beides auf.) Gregor. So! und leg beides an, wie sich's gebuehrt. Ich mag am Menschen gern ein Zeichen seines Tuns. Wie du vor mir standst vorher, blank und bar, Du konntest auch so gut ein Tagdieb sein, Hinausgehn in den Wald, aufs Feld, auf Boeses. Die Schuerze da sagt mir, du seist mein Koch, Und sagt dir's auch. Und so, mein Sohn, nun rede. Leon. Weiss ich doch kaum, was ich Euch sagen wollte. Ihr macht mich ganz verwirrt. Gregor. Das wollt' ich nicht. Besinn dich, Freund! War es vielleicht, zu klagen? Die Schuerze da am Boden laesst mich's glauben. Leon. Ja wohl, zu klagen, Herr. Und ueber Euch. Gregor. So? ueber mich? das tu ich, Freund, alltaeglich. Leon. Nicht so, mein Herr, nicht so! Und wieder doch! Allein nicht als Leon, ich klag als Koch, Als Euer Koch, als Euer Diener, Herr: Dass Ihr Euch selber hasst. Gregor. Das waere schlimm! Noch schlimmer Eigenhass als Eigenliebe. Denn hassen soll man nur das Voellig-Boese; Und voellig-boes, aufrichtig, Freund, glaub ich mich nicht. Leon. Ei, was Ihr sprecht! Ihr voellig boese, Herr? Ihr voellig gut, ganz voellig, bis auf eins. Gregor. Und dieses eine waer', dass ich mich hasse? Leon. Dass Ihr Euch selbst nichts goennt, dass Ihr an Euch Abknappt, was Ihr an andre reichlich spendet. Und das kann ich nicht ansehn, ich, Eu'r Koch. Ihr muesst dereinst am juengsten Tag vertreten Wohl Eure Seel', ich Euern Leib, von Rechtens, Und darum sprech ich hier in Amt und Pflicht. Seht! essen muss der Mensch, das weiss ein jeder, Und was er isst, fliesst ein auf all sein Wesen. Esst Fastenkost und Ihr seid schwachen Sinns, Esst Braten und Ihr fuehlet Kraft und Mut. Ein Becher Weins macht froehlich und beredt, Ein Wassertrunk bringt allzuviel auf g'nug. Man kann nicht taugen, Herr, wenn man nicht isst. Ich fuehle das an mir, und deshalb red ich. Solang ich nuechtern, bin ich traeg und dumm, Doch nach dem Fruehstueck schon kommt Witz und Klugheit, Und ich nehm's auf mit jedem, den Ihr wollt. Seht Ihr? Gregor. Hast du gegessen heute schon? Leon. Ei ja! Gregor. Dass Gott! drum sprichst du gar so klug. Leon. Ei, klug nun oder unklug, wahr bleibt's doch. Den Braten nur vom Hirschkalb, gestern noch, Zurueck musst ich ihn schicken, ihn verkaufen, Ein Stueckchen Fleisch, wie keins Ihr je gesehn. Gregor. Er war zu kostbar, Freund, fuer mich. Leon. Zu kostbar? Fuer so 'nen Herrn? Ei seht! Warum nicht gar? Dann haett' er Euch so viel als nichts gekostet; Ja, wirklich nichts. Wollt Ihr ihn heute, Herr? Er ist noch da und kostet nichts; denn seht 's ist so--'s ist ein Geschenk von frommen Leuten. Wahrhaftig ein Geschenk. Gregor. Luegst du? Leon. Ei was! Gregor. Weh dem, der luegt! Leon. Nu, nu! Gregor. Verwegener! Leon. Hab ich gelogen, war's zu gutem Zweck. Gregor. Was weisst du schwacher Wurm von Zweck und Enden? Der oben wird's zu seinem Ziele wenden. Du sollst die Wahrheit reden, frecher Bursch! Leon. Nun also: ich haett's, Herr, bezahlt fuer Euch. Wozu so viel Geschrei? Ich tu's nicht wieder. Haett' ich mein Tag geglaubt, dass so was Suende! Gregor. Geh jetzt! Leon. So lebt denn wohl! (Er geht, kehrt aber gleich wieder um.) Doch noch ein Wort! Zuernt nicht, ich kann wahrhaftiglich nicht anders. So 'n Herr, so brav, dass selbst die kleinste Luege, Ein Notbehelf ihn aufbringt--Zuernet nicht! Ich rede ja den Luegen nicht das Wort, Ich meine nur--Dass so ein wackrer Herr-- Es muss heraus! dass so ein Herr--pfui geizig! Was hat denn Geld so Schoen's, dass Ihr's so liebt? Gregor. Wie kommst du darauf? Leon Wuerd'ger Herr, mit Gunst! Ich sah Euch einen Sack mit Pfennig' kuessen, Der oben steht im Winkel Eurer Truhe, Und hier spart Ihr Euch ab, um dort zu sammeln? Nennt Ihr das recht? Seht Ihr, so sind wir wett. Gregor. Das also war's? Leon. Ja das. Und nicht bloss ich, Auch andre Leute nehmen das Euch uebel, Und seht, das kraenkt mich, Euern treuen Diener. Gregor. Da, seh ich, wird Rechtfertigung zur Pflicht. Ein Seelenhirt soll gutes Beispiel geben, Und nimmer komme Aergernis durch mich. Setz dich und hoere, wie ich mich verteid'ge. Leon. Je Herr! Gregor. Ich sage: setze dich! Leon. Nun, hier denn. (Er setzt sich auf die Erde vor dem Bischof nieder.) Gregor. Dich hat geaergert, dass ich Spargut haeufe, Das Geld gekuesst, das ich mir abgedarbt. Hoer zu! Vielleicht, dass du mich dann entschuldigst. Als man, es ist jetzt uebers Jahr, den Frieden, Den langersehnten, schloss mit den Barbaren Jenseits des Rheins, da gab und nahm man Geisel, Sich wechselseits misstrauend, und mit Recht. Mein Neffe, meiner einzigen Schwester Sohn, Mein Atalus, war in der Armen Zahl, Die, aus dem Kreis der Ihren losgerissen, Verbuergen sollten den erlognen Frieden. Kaum war er angelangt bei seinen Huetern Im Rheingau, ueber Trier weit hinaus, Wo noch die Roheit, die hier Schein umkleidet, In erster Bloesse Mensch und Tier vermengt, Kaum war er dort, so brach der Krieg von neuem, Durch Treubruch aufgestachelt, wieder los, Und beide Teile raechen an den Geiseln, Den schuldlos Armen, ihrer Gegner Schuld. So liegt mein Atalus nun hart gefangen, Muss Sklavendienst verrichten seinem Herrn. Leon. Ach je, dass Gott! Gregor. Ich hab um Loesung mich verwendet. Doch fordern seine Hueter hundert Pfund An guter Muenze fraenkischen Gepraegs. Und so viel hab ich nicht. Leon. Ihr scherzt doch nur, Denn dreimal hundert Pfund, und wohl noch drueber, Zinst ihrem Vorstand Langres' Kirchgemeine. Gregor. Das ist das Gut der Armen und nicht meins. Dem Bischof gab man, dass er geben koenne, Des Kirchenguts Verwalter, nicht sein Herr. Doch Kleidung, Nahrung und des Leibes Notdurft, Das mag der Bischof fordern, wie ein andrer, Und was er dran erspart, ist sein vielleicht. Vielleicht; vielleicht auch nicht. Ich hab's gewagt zu deuten. Sooft ich nun ein armes Silberstueck Von meinem Teil erspart, leg ich's beiseite, Wie du gesehn, und mag's auch manchmal kuessen, Wie du mir vorwirfst; denn es ist das Loesgeld Fuer meinen Atalus, fuer meinen Sohn. Leon (aufspringend). Und ist schon viel im Sack? Gregor. Schon bei zehn Pfund. Leon. Und hundert soll er gelten? Herr, mit Gunst! Da moegt Ihr lange sparen, bis es reicht. Indes quaelt man den armen Herrn zu Tod. Gregor. Ich fuerchte, du hast recht. Leon. Je, Herr, das geht nicht. Das muss man anders packen, lieber Herr. Haett' ich zehn Bursche nur gleich mir, beim Teufel!-- Bei Gott! Herr, wollt' ich sagen--ich befreit' ihn. Und so auch, ich allein. Waer' ich nur dort, Wo er in Haft liegt!--Herr, was gebt Ihr mir?-- Das ist 'ne Redensart, ich fordre keinen Lohn.-- Was gebt Ihr mir, wenn ich ihn Euch befreie? Waer' ich nur dort, ich loeg' ihn schon heraus. Gregor. Weh dem, der luegt! Leon. Ja so? Nu, Herr, mit Gunst! Um Gotteswillen gibt man ihn nicht frei. Da bleibt nichts uebrig, als: wir reden Wahrheit, Und er bleibt, wo er ist. Verzeiht! und Gott befohlen! Ich hab's nicht schlimm gemeint. (Er geht.) Gregor. Du Vater aller, In deine Hand befehl ich meinen Sohn! Leon (umkehrend). Ach Herr, verzeiht! es fuhr mir so heraus. Weiss man doch kaum, wie man mit Euch zu sprechen. Ich hatte fast ein Plaenchen ausgedacht, Den dummen Teufeln im Barbarenland, Des Neffen Huetern, seht, eins aufzuheften Und ihn wohl gar, wenn's gut geht, zu befrein. Doch Wahrheit, Herr-- Gregor. Du sollst nicht faelschlich zeugen, Hat Gott der Herr im Donnerhall gesprochen. Leon. Allein bedenkt--! Gregor. Weh dem, der luegt! Leon. Und wenn nun Euer Neffe drob vergeht? Gregor. So mag er sterben, und ich sterbe mit. Leon. Ach, das ist klaeglich! Was habt Ihr gemacht? Ich bin nun auch in Haft, geplagt, geschlagen, Kann nimmer ruhn, nicht essen, trinken, schlafen, Solang das zarte Herrlein Euch entwandt. Bei Trier, sagt Ihr, liegt er; war's nicht so? Gregor. Ja wohl! Leon. Wie, Herr, wenn eins zum Feinde ginge, Statt Atalus sich stellte dem Verhaft? Gregor. Zu Geiseln waehlt man maecht'ger Leute Kinder; Leon buergt kaum fuer sich, wie denn fuer andre? Leon. Hm, das begreift sich.--Doch wenn Atalus Ersaeh' den Vorteil, seiner Haft entspraenge? Gregor. Er moecht' es ohne Suende, denn der Krieg Zaehlt ihrer Buergschaft los des Friedens Geiseln, Und nur mit Unrecht haelt man ihn zurueck. Allein wie koennt' ein Juengling, weich erzogen, Vielleicht zu weich, in solcher Not sich helfen, Durch wueste Steppen wandern, Feinden trotzen, Der Not, dem Mangel?--Atalus kann's nicht. Leon. Doch wenn ein tuecht'ger Bursch zu Seit' ihm staende, Ihn zu Euch braechte, lebend und gesund? Entlasst mich Eures Diensts! Gregor. Was sinnest du? Leon. Ich geh nach Trier. Gregor. Du? Leon. Bring Euch den Neffen. Gregor. Duenkt dir zu scherzen Zeit? Leon. Vergeb' Euch's Gott! Ich scherzte nicht, drum sollt auch Ihr nicht scherzen. In vollem Ernst, ich stell Euch Euern Sohn. Gregor. Und wenn du's wolltest, wenn du's unternaehmst, Ins Haus des Feinds dich schlichest, ihn betrogst, Missbrauchtest das Vertraun, das Mensch dem Menschen goennt, Mit Luegen meinen Atalus befreitest; Ich wuerd' ihn von mir stossen, rueck ihn senden Zu neuer Haft; ihm fluchen, ihm und dir. Leon. Topp! Herr, auf die Bedingung.--Aber seht, Wenn nicht ein bisschen Trug uns helfen soll, Was hilft denn sonst? Gregor (stark). Gott! Mein, dein, aller Gott! Leon (auf die Knie fallend). O weh, Herr! Gregor. Was? Leon. Es blitzte. Gregor. Wo? Leon. Mir schien's so. Gregor. Im Innern hat des Guten Geist geleuchtet, Der Geist des Argen fiel vor seinem Blitz. Was dir in diesem Augenblicke recht erscheint, Das tu! Und sei dir selber treu und Gott. Weh dem, der luegt! Leon (der aufgestanden ist). So gebt Ihr mir Verguenst'gung? Gregor. Tu, was dir Gott gebeut; vertrau auf ihn! Vertraue, wie ich's nicht getan, ich nicht, Ich schwacher Suender nicht. Hier, nimm den Schluessel Zum Saeckel, der in meiner Truhe liegt. (Er zieht ihn aus der Brust und will ihn Leon geben, gibt ihn aber dem Hausverwalter, der zur Seite sichtbar geworden ist und sich damit entfernt.) Er haelt zehn Pfund, des Neffen Loesegeld, Das ich gespart, den Darbenden entzogen, Vom Golde hoffend, was nur Gott vermag. Verteil's den Armen, hilf damit den Kranken. Es soll der Bischof nimmer Spargut sammeln; Den Hirten setzt man um der Herde wegen, Der Nutzen ist des Herrn. Leb wohl, mein Sohn! Den Winzer ruft der Herr in seinen Garten, Die Glocke toent, und meine Schafe warten. (Ab.) (Leon steht unbeweglich. Ein Pilger naht.) Pilger (die Hand ausstreckend). Ein armer Pilgersmann. Leon. Was ist? Wer bist du? Pilger. Ein armer Mann, von Kompostella pilgernd Zur Heimat weit. Leon. Wohin? Pilger. Ins Rheingau, lieber Herr. Leon. Ins Rheingau? Pilger. Hinter Trier. Leon. Trier? Pilger. Noch zwei Meilen. Leon. Nach Trier?--Gott! Nimmst du mich mit, mein Freund? Pilger. Wenn Ihr nicht Wegeslast und Mangel scheut. (Herr Sigrid ist mit dem Saeckel gekommen; Leon nimmt ihn.) Leon. Ha, Mangel? Sieh den Saeckel!--Aber halt! Den Armen hat's der gute Herr beschieden, Den Armen sei's. Hier, Freund, fuer dich ein Stueck, Arm bist du ja doch auch! Das andre euch! (Arme und Bresthafte, die sich am Gittertor gesammelt hatten, sind nach und nach eingetreten.) Ich ziehe fort mit Gott und seinem Schirm. (Er verteilt das Geld unter sie.) Er wird vollenden, was mit ihm begonnen. (Zum Pilger, der dem Gelde nachsieht.) Du hast dein Teil. Nach Trier fort, mit Gott! (Er zieht ihn fort.) Zweiter Aufzug Innerer Hof in Kattwalds Hause. Die rechte Seite schliesst eine Lehmwand mit einem grossen Tor. Links im Mittelgrunde eine Art Laube von Brettern, als Vorkueche, deren Fortsetzung durch die Kulisse verdeckt ist. Im Hintergrunde, bis in die Mitte der Buehne hineinreichend, von einem Graben umgeben, die grosse Halle des Hauses, deren Fenster nach vorn gehen. Die Verbindung wird durch eine hoelzerne Bruecke hergestellt, die von der seitwaerts angebrachten Tuer der Halle an, parallel mit der Buehne laufend, durch eine Seitenabdachung sich nach vorn wendet. Der Pilger und Leon kommen. Pilger. Nun seht denn, mein Versprechen ist erfuellt. Wir sind im Hause Kattwalds, Graf im Rheingau. Die Wand hier schliesst sein inneres Gehoeft, Und jene Halle herbergt seine Gaeste. Geladne Gaeste naemlich, denn, mein Freund, Mit ungeladnen faehrt er nicht gar sanft. Ich sag Euch das voraus, dass Ihr Euch vorseht. Leon. Ich werde wohl. Habt Dank! So hiess es: Kattwald, Der Graf im Rheingau, da liegt er gefangen. Pilger. Ihr wart so munter auf der ganzen Reise, Nun seid Ihr ernst. Leon. Man wird's wohl ab und zu! Doch mahnt Ihr recht. Nur froher Mut vollbringt. Leon, sei erst Leon. Und eins bedenke: Weh dem, der luegt!--So mindstens will's der Herr. (Achselzuckend.) Man wird ja sehn.--Nun, Freund, zwei Worte noch! Pilger. Ein Wort auch noch zu Euch, so schwer mir's faellt. Ich hab Euch her in dieses Haus geleitet, Wich drum von meiner Strasse weithin ab Und muss zurueck nun manche lange Meile. Die Reisezehrung ist zu Ende. Leon. Recht! Gerade davon wollt' ich sprechen. Pilger. Auch Habt Ihr wohl selbst, da wir die Fahrt begannen, Mir zugesichert-- Leon. Reichliche Belohnung. Pilger. Und nun-- Leon. Seh ich dir nachgerad nicht aus, Als ob von Lohn gar viel zu holen waere? Pilger. In Wahrheit fuercht ich-- Leon. Fuerchte nicht! Geld oder Geldeswert, das ist dir gleich? Pilger. Ja wohl. Leon. Nun, Geld hab ich auch wirklich nicht; Doch Ware, Ware, Freund. Pilger. Ei, etwa leichte? Leon. Nicht leichter als ein Mensch von unserm Schlag. Kurz, einen Sklaven, Freund! Pilger. Wo waer' denn der? Leon. Ei, hier. Pilger (sich rings umsehend). Wo denn? Wir sind ja ganz allein. Leon. Das macht, der Sklav' ist eben unter uns. Pilger (zurueckweichend). Ich bin ein freier Mann. Leon. Nu also denn! Wir sind zu zwei. Ist einer nun der Sklave, Und du bist's nicht, so kann nur ich es sein. Pilger. Ei, plumper Scherz! Leon. Der Scherz, so plump er ist, Ist fein genug fuer etwas plumpe Leute. Kurz, Freund, ich schenke mich als Sklaven dir, Auf die Bedingung, dass du mich verkaufst, Und zwar im Hause hier. Der Preis ist dein, Und ist der Lohn, den damals ich versprochen. (Er geht gegen das Haus zu.) Heda, vom Haus! Herbei! Pilger. So hoert doch nur! Leon. Niemand daheim? Kattwald (im Innern des Hauses). Hurra! Packan! Hallo! Leon. Die Antwort ist uns etwas unverstaendlich. Kommt erst und seht! Kattwald (auf der Bruecke erscheinend). Was also soll es? Pilger. Er ist toll. Kattwald (herabkommend). Und wer hat euch erlaubt? Leon. Ei was, erlaubt! So was erlaubt sich selbst. Wen's schmerzt, der schreit. Wer seid Ihr denn? Kattwald. Potz Blitz! und wer bist du? Leon. Und wer seid Ihr? Kattwald. Man wird dir Beine machen. Ich bin Graf Kattwald. Leon. Kattwald? Eben recht. Seht nur, an Euch will mich mein Herr verkaufen. Kattwald. An mich? Leon. Im Grund ist's laecherlich. Ja wohl! Ein schmuckes Bursch aus fraenkischem Gebluet, Am Hof erzogen, von den feinsten Sitten, Und den in ein Barbarennest verkauft, Halb Stall, halb Gottes freier Himmel. Pah! Doch ist's einmal beschlossen, und so bleibt's. Kattwald. Was haelt mich ab, die Knechte 'rauszurufen Und dich samt deinem Herrn mit Hieb und Stoss--? Leon (zum Pilger). Seht Ihr? nun bricht er los. Es geht nicht, fuercht ich. Verkauft mich unter Menschen, doch nicht hier. Kattwald. Wer ist der tolle Bursch? Pilger. Je, Herr-- Leon. Mit Gunst! Ich bin sein Sklav', man hat mich ihm geschenkt, Er will mich Euch verkaufen, das ist alles. Kattwald. Dich kaufen? Ei, du staehlest wohl dein Brot. Leon. Wie Ihr's versteht! Ich schaffe selbst mein Brot Und schaff's fuer andre auch. (Zum Pilger.) Erklaert ihm das, Und wer ich bin, und meine Qualitaeten. Pilger. Er ist ein Koch, beruehmt in seinem Fach. Kattwald. So kannst du also kochen? Leon (zum Pilger). Hoert Ihr wohl? (Zu Kattwald.) Ja, kochen, Herr. Doch nur fuer fraenk'sche Gaumen, Die einer Bruehe Reiz zu schmecken wissen, Die Zutat merken und die feine Wuerze. Die, seht Ihr? so das Haupt zurueckgebogen, Das Aug' gen Himmel, halb den Mund geschlossen, Die Luft gezogen schlurfend durch die Zaehne, Euch fort und fort den Nachgeschmack geniessen, Entzueckt, verklaert. Kattwald. Ei je, das kann ich auch. Leon. Die rot Euch werden, wenn der Braten braun, Und blass, wenn er es nicht. Kattwald. Braun, braun, viel lieber braun. Leon. Doch, Herr, zu braun-- Kattwald. So recht die Mitte. Leon. Die Euch vom Hirsch den schlanken Ruecken waehlen, Das andre vor die Hunde. Kattwald. Ah, die Schenkel-- Leon. Ich sag Euch: vor die Hunde. Doch was red ich? Hier naehrt man sich, der Franke nur kann essen. Kattwald. Ei, essen mag ich auch, und gern was Gutes. Wie teuer haltet Ihr den Burschen da? Leon. Am Ende pass ich wirklich nicht fuer Euch. Kattwald. Du sollst gehalten sein nach Wunsch und Willen. Leon. Ein Kuenstler lebt und webt in seiner Kunst. Kattwald. Ei kuenstle zu, je mehr, um desto lieber. Laengst haett' ich mir gewuenscht 'nen fraenk'schen Koch, Man sagt ja Wunder, was sie tun und wirken. Wie teuer ist der Mann? Und grade jetzt, An meiner Tochter Hochzeittag; da zeige, Was du vermagst. An Leuten soll's nicht fehlen, Die vollauf wuerdigen, was du bereitet. Wie teuer ist der Mann? Leon. Wenn Ihr versprecht, Zu halten mich, nicht wie die andern Diener; Als Hausgenoss, als Kuenstler. Kattwald. Je, ja doch. Leon. Euch zu enthalten alles rohen Wesens In Worten, Werken. Kattwald. Bin ich denn ein Baer? Wie teuer ist der Mann? Leon. Wenn Ihr-- Kattwald. Zu tausend Donner! Wie teuer ist der Mann? frag ich noch einmal. Koennt' Ihr nicht reden, oder wollt Ihr nicht? Pilger. Je Herr-- Kattwald. Nu, Herr? Pilger. Es ist-- Kattwald. Nu was? Pilger. Ich daechte-- Kattwald. Wenn Ihr den Preis nicht auf der Stelle nennt, So hetz ich Euch mit Hunden vom Gehoefte. Bin ich Eu'r Narr? Pilger (gegen Leon). Wenn ich denn reden soll. Leon. Ei, redet nur. Pilger. So mein ich: zwanzig Pfund. Kattwald. Edrita! Zwanzig Pfund aus meiner Truhe! Leon. Was faellt Euch ein? Um zwanzig Pfund? Ei, schaemt Euch! Ein Kuenstler, so wie ich. Kattwald. Was geht das dich an? Leon. Ich tu's wahrhaftig nicht. Ich geh mit Euch. Kattwald. Du bleibst. Leon. Nein, nicht um zwanzig Pfund. Macht dreissig! Kattwald. Ein Sklave, der sich selbst verkaufen will! Leon. Nicht unter dreissig. Kattwald (zum Pilger). Wir sind handelseins. Leon. Ich aber will nicht. Kattwald. Ei, man wird dich zwingen. Leon. Mich zwingen? Ihr? Wenn Ihr nicht dreissig zahlt, Lauf ich beim ersten Anlass Euch davon. Kattwald. Versuch es! Leon. Stuerze mich vom hoechsten Giebel. Kattwald. Man bindet dich. Leon. Versalz Euch alle Bruehen. Kattwald. Halt ein, verwegner Bursch!--Nu, fuenfundzwanzig. Mit fuenfundzwanzig Pfund-- Leon. Herr, dreissig, dreissig. Es geht um meine Ehre. Kattwald. Sollt sie haben. Geht in mein Haus, lasst Euch das Geld bezahlen. Ich kann nicht mehr. Der Aerger bringt mich um. Pilger. So soll ich denn--? Leon. Geht hin, holt Euern Lohn! Pilger. Ihr aber bleibt? Leon. Ich bleibe hier, mit Gott. Pilger. Nun, er behuet' Euch, wie er Euch versteht. (Pilger geht.) Kattwald (der sich gesetzt hat). Nun bist du mein, nun koennt' ich dir vergelten, Was du gefrevelt erst mit keckem Wort. Leon. Wenn Ihr schon wollt, tut's bald; denn, wie gesagt, Ich lauf davon. Kattwald (aufspringend). Dass dich!--Und doch, 's ist toericht. Schau, hier entkommst du nicht. Ich lache drob. Weisst du, wie's einem Burschen juengst erging, Der uns entspringen wollte? einem von den Geiseln Jenseits des Rheins. Leon. Ach, Herr! Kattwald. Man fing ihn wieder, Und-- Leon. Und? Kattwald. An einem Baumstamm festgebunden, Ward seine Brust ein Ziel fuer unsre Pfeile. Leon. Ein Franke, Herr? Ein fraenk'scher Geisel? Kattwald. Wohl. Der Neffe-- Leon. Neffe? Kattwald. Von des Koenigs Kaemmrer Klotar. Leon (aufatmend). Verzeih mir meine Suende! Ich kann nur sagen: Gott sei Dank! Kattwald. Doch bist du klug; du wirst es nicht versuchen. Sieh nur, das weiss ich, sprich auch, was du willst. Am Ende wirst du finden, dass dir's wohlgeht, Und lust'ge Leute kennen ihren Vorteil, Nur Graemlichen wird's ewig nirgends wohl. Auch mag ich dir den kecken Ton erlauben, Wenn wir allein sind; doch vor Leuten, Bursche-- Leon. Husch, husch! Kattwald (zusammenfahrend). Was ist? Leon. Dort lief ein Marder, Gerad ins Huehnerhaus. Kattwald. Dass dich die Pest! Nun hab ich's satt. Die Peitsche soll dich lehren. Leon (singt). Trifft die Peitsche den Koch, So raecht er sich doch, Mag die Peitsche auch kochen, Solang er im Loch. Kattwald. Sing nicht! (Leon pfeift die vorige Melodie.) Und pfeif auch nicht! Leon. Was sonst denn? Kattwald. Reden. Leon. Nun also: Euer Drohen acht ich nicht. Ihr koennt mich plagen; ei, ich plag Euch wieder. Ihr lasst mich hungern, ich lass Euch desgleichen; Denn Euer Magen ist mein Untertan, Mein untergebner Knecht von heute an, Wir stehn als Gleiche gleich uns gegenueber. Drum lasst uns Frieden machen, wenn Ihr wollt. Ich bleib bei Euch, solang es mir gefaellt, Bin Euer Koch, solang ich mag und will. Mag ich nicht mehr, gefaellt's mir fuerder nicht, So geh ich fort, und all Eu'r Drohn und Toben Soll mich nicht halten, bringt mich nicht zurueck. Ist's Euch so recht, so gebt mir Eure Hand. Kattwald. Die Hand! Was glaubst du denn? Leon. Ihr fallt schon wieder In Euern alten Ton.--He, Knechte, ho! Kommt her und bindet mich! Bringt Stricke, Pfloecke! Sonst geh ich fort, fast eh' ich dagewesen. He, holla, ho! Kattwald. So schweig nur, toller Bursch! Hier hast du meine Hand, auf dass du bleibst-- Leon. Und fortgeh, wenn-- Kattwald. Du kannst. Und wenn du willst, Setz ich hinzu und weiss wohl, was ich sage. Besorgst du mir den Tisch, wie ich es mag, So soll dir Kattwalds Haus wohl noch gefallen. Und nun geh an dein Amt und zeig mir Proben Von dem, was du vermagst. Leon. Wo ist die Kueche? Kattwald. Nun, dort. Leon. Das Hundestaellchen? Ei, Gott walt's! Das hat nicht Raum, nicht Fug, nicht Schick. Kattwald. Nu, nu! Begnueg dich nur fuer jetzt, man wird ja sehn. Was gibst du heute mittags? Leon. Heute mittags? (Ihn veraechtlich messend.) Rehbraten etwa. Kattwald. Gut. Leon. Gedaempftes.--Aber nein. Kattwald (eifrig). Warum nicht? Leon. Ihr muesst erst essen lernen, Erst nach und nach den Gaum, die Zunge bilden, Bis Ihr des Bessern wert seid meiner Kunst. Fuer heute bleibt's beim Braten, und aufs hoechste-- Wir wollen sehn. Kattwald. Nun sieh nur, sieh! Leon (rufend). Nun Holz Und Fett und Mehl und Wuerze! Tragt zusammen, Was Hof und Haus vermag. He, Knechte, Maegde! (Diener sind gekommen.) Du feg den Estrich! Du bring Holz herbei! Ist das Geraet? Habt Ihr nicht schaerfte Messer? Das Fleisch mag angehn. Pfui, was trockne Rueben! (Er wirft sie weit weg.) Der Pfeffer stumpf. (Er schuettet ihn auf den Boden.) Was knaupelst du da 'rum? Du Toelpel, willst du gehn? (Er jagt ihn mit einem Fusstritt aus der Kueche.) Verfluchtes Volk! (Er nimmt einem die Schuerze und bindet sie um.) Hat man nicht seine Not mit all den Tieren? Edrita (kommt). Was ist denn hier fuer Laerm? Kattwald. Pst, pst! Der neue Koch. Edrita. Fuer den Ihr so viel Geld--? Kattwald. Ja wohl. Sei still! Er weist uns sonst noch beide vor die Tuer. Edrita. Doch wer erlaubt ihm, so zu laermen? Kattwald. Je! Ein Kuenstler, Kind! Ein grosser Mann, dem's rappelt. Man muss das Volk wohl dulden, will man's brauchen. Ich schleiche fort; bleib du mal da und schau, Ob du was absehn kannst. Doch stoer ihn nicht. Hoerst du? Nur still! Und mittags in der Halle. (Er geht.) (Leon beschaeftigt sich in der Kueche. Edrita steht entfernt und sieht ihm zu.) Leon (singt). Den Wein, den mag ich herb, Der Tuechtige sei derb. (Sprechend.) Pfui Suesses! Hol' der Teufel das Suesse! Edrita. Ein schmuckes Bursch; doch vorlaut, wie es scheint. Ich will mir ihn ein wenig nur betrachten. Leon (singt). Der Reiter reitet ho, ho! Da ruft sie vom Fenster he, he! Er aber laechelt ha, ha! Bist du da? (Sprechend.) Nun freilich da, wo sollt' ich auch sonst sein? Edrita. Bemerkt er mich in Wahrheit nicht, wie, oder Stellt er sich an? Ich will nur zu ihm sprechen. He, guter Freund! Leon (ohne aufzusehen). He, gute Freundin. Ei, Ich mag die guten Freundinnen wohl leiden! Edrita. Was macht Ihr da? Leon (der Fleisch ausloest, ohne aufzusehen). Ihr seht, ich spalte Holz. Edrita (sich zurueckziehend). Nun, das war grob. Leon (singt). Wer Augen hat, ohne zu sehn, Wer Ohren hat und nicht hoert, Ist Ohren, beim Teufel, und Augen nicht wert. Edrita. Ich sah wohl, was Ihr tut, doch sah ich auch, Dass Ihr das Gut verderbt, das Ihr bereitet, Und darum fragt' ich Euch. Seht einmal selbst! Ihr schneidet ab die besten Stuecke. Hier! (Sie hat hinweisend den Finger dem Hackbrette genaehert. Leon schlaegt mit dem Messer staerker auf. Sie zieht schreiend den Finger zurueck.) Ei Gott! das ist ein grober Bursch. Bewahr'! Nun sprech ich nicht mehr, gaelt' es noch so viel. Leon. Es geht nicht! Nur daheim ist Arbeit Lust, Hier wird sie Frone. Da lieg du und du! (Er legt Messer und Schuerze weg.) Sie moegen zusehn, wie sie heut sich naehren. Ich will mal eins spazierengehn.--Ja dort, Dort geht der Weg ins Freie. Lasst doch sehn! Edrita. Das wird dir schlimm bekommen, grober Mensch! Denn kaum im Freien, packen dich die Knechte Und fuehren dich mit manchem Schlag zurueck. Leon. Ja so! Ihr fuerchtet, dass man sich verkuehle. Die freie Luft ist ungesund. Recht gut! So lass denn du uns miteinander plaudern. Ein feines Maedchen! Je, mein gutes Kind, Kann man dir nahen, ohne viel zu wagen? Edrita. Wie meinst du das? Leon. Je, trifft man ein Geschoepf Von einer neuen, niegesehnen Gattung, So forscht man wohl, ob es nicht kneipt, nicht sticht, Nicht kratzt, nicht beisst; zum mind'sten will's die Klugheit. Edrita. So haeltst du uns fuer Tiere? Leon. Ei bewahre! Ihr seid ein wackres Voelkchen. Doch verzeih! Vom Tier zum Menschen sind der Stufen viele. Edrita. Armseliger! Leon. Sieh, Maedchen, du gefaellst mir! Das laesst sich bilden, ich verzweifle nicht. Edrita. Weisst du auch, wer ich bin? Leon. Ja doch, ein Maedchen. Edrita. Und deines Herrn, des Grafen Kattwald, Tochter. Leon. Ei, liebes Kind, da bist du nicht gar viel. Ein fraenk'scher Bauer tauschte wahrlich nicht Mit Eures Herren Herrn. Denn unter uns: Ein Mensch ist um so mehr, je mehr er Mensch. (Mit einem Blick auf die Umgebung.) Und hier herum mahnt's ziemlich an die Krippe. Doch bist du huebsch, und Schoenheit war und ist So Adelsbrief als Doktorhut den Weibern. Drum lass uns Freunde sein! (Er will sie umfassen.) Edrita. Verwegener! Man ruehmt die feinen Sitten deines Volks, Du aber bist entartet und gemein. Was sahst du wohl an mir, was sprach, was tat ich, Das dich zu solcher Dreistigkeit berechtigt? Und wenn denn auch-- Leon. Mein Kind, wohl gar ein Traenchen? Hoerst du? Das Koepfchen huebsch zu mir gewandt! Ich bitte dich: verzeih! Bist nun zufrieden? Edrita. Wohlan, ich bin's. Ich mag nicht gerne grollen. Auch nahm ich es wohl minder schmerzlich auf, Ja, wies den Kuehnen frueher schon zurueck, Wenn du mir nicht gefielst, fuerwahr gleich anfangs. Sie sprechen viel von Euern fraenk'schen Leuten, Von ihren Sitten, Kuensten; und der erste nun, Auf den ich stiess, so ungeschlacht und roh-- Leon. Verzeih! noch einmal, und: ich tu's nicht wieder. Wir haben unsre Weise nun erkannt In Zukunft soll kein Zank uns mehr betrueben. Edrita. In Zukunft? Ja, was nennst du Zukunft denn? Mein Braeutigam ist hier, und morgen schon Gibt man ihm meine Hand drin in der Halle. Dann noch zwei Tage hoechstens oder drei, Und wir ziehn fort auf seine ferne Hube. Leon. So bist du Braut? Je sieh, das tut mir leid. Wer ist dein Braeutigam? Wie heisst, was treibt er? Edrita. Ich nenn ihn nur den dummen Galomir. Leon. Den dummen Galomir? O weh! Edrita. Ja wohl! Doch ist er unser naechster Stammverwandter, Und so gebuehrt ihm meine Hand. Leon. Je freilich! Und was die Klugheit, die ihm fehlt, betrifft: Mein Kind, die dummen Maenner sind die besten. Edrita. So dacht' ich auch. Leon. Sie lassen sich was bieten. Edrita. Und fordern alles nicht nach ihrem Kopf. Doch siehst du, manchmal, wenn auch nicht so oft, Spricht man doch gern einmal ein kluges Wort. Leon. Kommt dir die Lust, ein kluges Wort zu sprechen, So geh in Wald hinaus und sag's den Baeumen, Dann kehr erleichtert in dein Haus zurueck. Denn was dir selber nuetzt, taugt nicht fuer viele. Was vielen frommt, das waechst mit Gras und Kraut. Edrita. Ganz fass ich's nicht, doch will ich's also halten. Nur freilich wuenscht man Antwort, wenn man spricht. Leon. Das findet sich, eh man's gedacht. Doch nun Lass uns den Tag benuetzen, der uns bleibt. Fuehr mich ins Feld hinaus, zeig mir die Gegend. Auch moecht ich, wie's erfordert mein Geschaeft, Nach Wurzeln etwa suchen, Wuerze, Kraeutern. O Atalus! Edrita. Wie sagst du? Leon. Atalus. Edrita. Ist das ein Kraeutlein auch? Leon. Wie du's nun nimmst. Edrita. Ein naehrendes? Leon. Mir naehrt es Herz und Sinn. Doch will ich dich nicht eben nur betruegen. Der Name eines Freunds ist's, den ich suche. Du lachst? Edrita. Ei, eines Atalus gedenk ich, Der hier bei uns. Leon. Ein Franke? Edrita. Ja, vom Rhein. Leon. Der Neffe--? Edrita. Sieh, ich weiss nicht, was er ist, Doch liegt er hier als Geisel unsrer Herrn. Das ist ein trockner Bursch und gut zu necken. Wenn du versprichst, recht fromm zu sein und artig, Und etwa zu entfliehen nicht versuchst-- Leon. Sorgst du um mich? Edrita. Denk nur, das viele Geld, Das kurz nur erst fuer dich der Vater gab. Leon. Ei, geizig, wie die Weiber alle sind! Edrita. Doch weisst du ja, unmoeglich ist die Flucht. Ich nehme denn das Koerbchen, und du folg. Leon. Doch naht dort jemand. Edrita. Ei, wer immer! Galomir (der auf der Bruecke erscheint). Eh! Edrita. Was kuemmerst du mich, dummer Galomir! Galomir (poltert die Bruecke hinan, ins Haus zurueck). Edrita. Ei, sag's dem Vater nur, mich stoert das wenig. Nun komm, eh' man uns hindert. Folg mir rasch, Ich zeige dir den Garten und die Gegend. Dann unsern Atalus, der auch, wer weiss? Der deine wohl. Zum mindsten ist's ein Landsmann, Des Anblick dich entschaedigt fuer den unsern. Verstell dich nicht, so ist's. Willst du, so komm! (Sie geht gegen das Tor zu.) Leon. Das geht ja rascher, als ich dacht' und hoffte. Der Himmel, scheint's, kuerzt ab mir mein Geschaeft. Ich nehm es dankbar an.--Sieh nur, hier bin ich! (Er folgt ihr. Beide gehen ab.) -------- Kurze Gegend, mit Baeumen besetzt. Der Schaffer kommt, vor ihm her Atalus. Schaffer. Bist du schon wieder muessig, wie du pflegst? Dort gehn die Pferde weiden. Hier dein Platz. Und wenn sich eins verliert, so waer' dir besser, Du haettst dich selbst verloren, als das Tier. (Atalus setzt sich im Vorgrunde rechts auf die Erde. Der Schaffer geht. Nachdem dieser fort ist.) Atalus. Geh nur, du grober Bauer, geh! Ich wollt', Vergiften koennt' ich sie mit einem Blick. (Er schnitzt an einem Stock.) Hab ich den derben Stock erst zugeschnitzt, Dann nah' mir einer nur. Verwuenschtes Volk! Und auch das grobe Hemd kratzt mir die Haut, Und nichts als Brot und gruene Kost zur Nahrung. Waer' ich erst wieder heim bei meinem Ohm! Der denkt nicht mein und laesst sich's wohl ergehn, Indes ich hier bei diesen Heiden schmachte. (Edrita und Leon kommen.) Edrita (Kraeuter pflueckend). Sich, hier ist Salbei, blaues Kerbelkraut. Und dort dein Landsmann, schau nur, Atalus. Der brummt in seinen Bart und schwingt den Stock, Damit vermeint er, all uns zu erschlagen. Ei, Gott zum Gruss, mein hochgestrenger Herr! Das aergert ihn.--Verweile hier ein wenig! Ich will zum Garten noch des Schaffers gehn; Dort waechst am Zaune schoener Majoran, Davon stibitz ich etwa dir ein Haendchen. (Sie setzt das Koerbchen nieder.) Bleib nur indes! Leon. Ja wohl. Edrita. Bald komm ich wieder. (Sie geht.) (Leon setzt sich links im Vorgrunde auf den Boden nieder und legt den Inhalt des Koerbchens aus.) Leon. Das hier ist Kraut und das gesprengter Kohl-- He, Atalus! Atalus (gerade ueber sich blickend). Ruft's da? Leon. Hier gelbe Moehren-- Eu'r Oheim sendet mich. Atalus. Wie nur? Mein Ohm? Leon. Bleibt dort und schweigt! Man darf uns nicht gewahren. Atalus (aufstehend). Du sprachst von meinem Ohm. Leon. Dort Euer Platz! Atalus. Er selbst-- Leon. Wenn Ihr nicht bleibt, so geh denn ich. (Er steht auf und entfernt sich nach dem Hintergrunde.) Atalus (der sich wieder gesetzt hat). Das ist denn auch so einer wie die andern! Sie necken mich und haben ihre Lust. Dem Maedchen, nun, dem steht's noch artig an; Doch diese groben Bursche--Gottes Wort! (Mit seinem Stock auf den Boden schlagend.) Ich wollt', ein Streich genuegte fuer sie alle. Leon (wieder nach vorn kommend und sich setzend). Noch einmal, Atalus, bleibt still und hoert. Eu'r Oheim sendet mich, Euch zu erretten. Atalus. Wie fingst du das nur an? Leon. Mit Gott gelingt's. Schon fand den Eingang ich in dies Gehoeft. Ich bin hier Koch. Atalus. Da bist du schon was Rechts! Leon. Ist alles gut doch, was zum Ziele fuehrt. Der Herr des Hauses ist mir hold gesinnt, Ich will erbitten Euch mir zum Gehilfen. Atalus. Mich zum Gehilfen? In der Kueche? Leon. Wohl! Atalus. Da such du einen andern nur als mich. Leon. Und wenn Ihr sonst gefangen bleibt, wie dann? Atalus. Weit lieber hier gefangen oder sonst, Als also schaenden meiner Vaeter Namen. (Der Schaffer geht im Hintergrunde beobachtend vorueber.) Leon (im Korbe kramend). Hier Sellerie und das hier Pastinak. Die Zwiebel beisst. Zu wenig von der Kresse. (Der Schaffer geht ab.) Leon. Gaelt' es nur Euch, so waer' ich nun am Ende. Doch Euer Oheim will's, und, junger Herr, Da werdet Ihr wohl muessen. Atalus. Muessen, ich? Leon. Ja, Herr! und huckpack trag ich Euch hinueber, Wenn Ihr Euch straeubt. Atalus. Ei, wag's nur, grober Bauer! (Edrita kommt.) Edrita. Hier hast du noch. Nun ist's wohl denn genug? (Sie schuettet Kraeuter aus ihrer Schuerze in den Korb.) Und sprachst du auch zu deinem Landsmann dort? Das ist ein wunderlicher Bursch, nicht wahr? Atalus (aufstehend). Spraecht Ihr mit mir, Euch stuend' ich etwa Rede; Doch jener dort ist albern und gemein. Edrita. Ei, klueger wohl als du. Atalus. Ja, ueberhaupt Tut Ihr nicht gut, mich also zu verschmaehn. Kehr ich einst heim, wer weiss? ich naehm' Euch mit. Edrita. Du reichtest wohl die Hand mir gar? Atalus. Vielleicht. Edrita. Ei sieh! Atalus. Vorausgesetzt, der Koenig, unser Herr, Erkennt' Eu'r Haus zu fraenk'schem Helm und Schild. Edrita. Dann aber meinst du? Atalus. Dann, o ja! Edrita. O nein! Der hier gefaellt mir, weil er leicht und froh, Du aber bist beschwerlich und zur Last. Leon. Er soll in meine Kuech'. Atalus. So wiederholst du's? Leon. Mir als Gehilf'. Edrita. Er ist wohl ungeschickt. Leon. Wenn auch! Er ist ein Frank' und laesst sich bilden. Atalus. Ich aber will nicht, sag ich noch einmal. Die Pferde huet ich endlich, weil ich muss, Und weil's ein edles, ritterliches Tier. Doch in der Kueche? Eher hier am Platz Lass ich mein Leben, gliederweis zerstueckt. (Er hat den Stock ergriffen.) (Kattwald und Galomir kommen.) Kattwald. Die streiten, ho! (Da Galomir mit einer heftigen Bewegung nach der Gruppe hinweist.) Nun ja, ich sehe schon. Was treibt ihr hier? Edrita. Wir suchten Kuechenkraeuter. Hier dieser kennt sie, und ich pflueckte sie. Leon. Auch dacht' ich, 'nen Gehilfen mir zu dingen, Hier, da mein Landsmann stand mir eben an; Allein er will nicht. Atalus. Nein. Kattwald. Nur eben nein? Du willst nicht, so? und all dein Grund ist: nein? Ich aber sage dir: wenn er in meinem Namen Dich folgen heisst, so folgst du ohne Nein; Sonst duerften meine Knecht' an dir versuchen, Ob fest das Eisen noch an Beil und Spiess. Edrita. Nun stehst du da und weisst nicht, was du sollst, Und musst gehorchen doch. Ich wusst' es ja. Kattwald. Merk wohl: wenn er dir's heisst in meinem Namen; Doch vorderhand bleibst du hier aussen noch. (Zu Leon.) Mein Freund, du schnueffelst mir zuviel herum Und spionierst, merk ich, nach allen Seiten. Du suchst wohl den Genossen nur der Flucht. Leon. Erraten, Herr! Zu zweien laeuft sich's besser. Kattwald. Nun denn! du hast mich scherzhaft nur gesehn, Da duld und geb ich wohl ein lustig Wort. Doch press ich meine Finger in den Mund Und ruf mein Schlachtgeschrei, dann, guter Freund, Setzt's Blut. Edrita. Du, das ist wahr. Leon. Ich zweifle nicht. Blut auch bei mir, von Huehnern, Tauben, Enten, Von allem, was nicht beisst und fromm sich fuegt. (Er faengt an, das Gruenzeug aus dem Korbe zu werfen.) Kattwald (eifrig). Was machst du da? Leon. Was soll das viele Zeug? Ist niemand hier doch, der's zur Kueche traegt. Kattwald. Nimm du den Korb und geh! Leon. Ei, in der Tat? Bin ich als Traeger denn in Euerm Dienst? Edrita. Lass mich-- Leon. Waert Ihr bemueht an meiner Statt? Kattwald. Am Ende soll ich selbst--? Leon. Wer's tut, mir gleich. Kattwald (umherblickend). Da hilft denn wirklich nur ein tuecht'ger Stock. Atalus (auf seinen Knuettel gelehnt, vergnuegt vor sich hin). Bricht's einmal los? Er ist auch gar zu frech. Kattwald (zu Atalus). Zu frech? Und du zu albern, leerer Bursch! Wer etwas kann, dem sieht man etwas nach, Das Ungeschick an sich ist schon ein Ungemach. Du nimmst den Korb und gehst und dienst ihm hilflich, Und fuehrt er Klag', gedenk an meinen Arm. Fuer ihn wird sich wohl auch der Meister finden. Du widersprichst? Edrita. Er sagt ja nicht ein Wort. Kattwald. Nun denn, hierher! und fort! (Zu Galomir.) Mach ihnen Beine! (Da dieser mit hastiger Uebertreibung das Schwert ziehen will.) Oho! Du spiessest etwa mir den Koch Und braetst ihn endlich gar! Brauch deine Haende! Leon (zu Edrita). Indes sie hier sich liebenswuerdig machen, So machen wir uns fort. Nicht So? Edrita. Mir recht! Leon. Und wer am besten laeuft, erhaelt--Nun was? Edrita. Nun nichts! (Sie laufen Hand in Hand fort.) Kattwald. Holla, das laeuft! Die sind schon sehr bekannt! Und was denkst du dazu, mein armer Galomir? Galomir. Ich? Kattwald. Nun, ich weiss, du denkst nicht gar zuviel. Doch sei getrost! Nur noch ein Tage zwei, So ist sie deine Frau, und ihr zieht fort. Da nimmst du diesen Burschen etwa mit, (auf Atalus zeigend) Und macht der andre hier sich gar zu unnuetz, So tun wir ihm, wie er den Huehnern tut, Und schlachten ihn mal ab. Fuer jetzt, Geduld! Zum Festschmaus ist er uns ja doch vonnoeten. (Zu Atalus.) Du dort, voran! Uns lass nur immer heim, Die Gaeste fanden etwa auch sich ein. (Gehend, dann stehenbleibend.) Mir waessert schon der Mund nach leckern Bissen! (Indem Atalus, den Korb in der Linken tragend und den Stock auf der rechten Schulter, widerwillig vorausgeht und die beiden folgen, faellt der Vorhang.) Dritter Aufzug Vorhof in Kattwalds Hause wie im zweiten Akte. Die Halle ist erleuchtet, und man sieht Gaeste an einem langen Tische sitzen. Im Vorgrunde Leon beschaeftigt. Atalus vor der Kueche auf einem Steine sitzend und mit seinem Stocke spielend. Leon (einem Knechte einen grossen Braten reichend). Trag nur hinauf und sag, es sei das letzte. Sie moegen ihre Lust am Weine buessen. (Knecht ueber die Bruecke in die Halle.) Leon (nachdem er Atalus eine Weile betrachtet). Nun habt Ihr ueberlegt? Atalus. Was nur? Leon. Was ich Euch sagte. Atalus. Was sagtest du mir denn? Leon. Du meine Zeit! Das haelt auch gar zu schwer. So hoert denn zu. Warum ich Euch hierher gebracht, Ihr wisst's. Der alte Werwolf aber schoepft Verdacht. Ich hoert' ihn sagen, zieh' die Tochter fort, Wollt' er mit ihr Euch senden, weit ins Land. Atalus. Das waer' mir eben recht. Leon. So? In der Tat! Atalus. Das Maedchen ist gar huebsch. Leon. Das merkt' ich auch. Atalus. Sie will mir wohl. Leon. Das merkt' ich nicht. Atalus. Seit lange. Leon. Doch schien es mir, als lacht' sie ueber Euch. Atalus (aufstehend). Mein Ohm hat mich den Studien bestimmt, Deshalb verkehrt' ich wenig nur mit Weibern, Doch sagt man: was sich neckt, das liebt sich auch. Leon. Doch Necken und Verlachen, Herr, sind zwei. Atalus. Ich glaub es nun einmal. Leon. Ei, immer denn! Doch zieht mit der Euch liebenden Geliebten Ihr weiter fort ins Land, wie steht's dann, Herr, Mit Eures Oheims Wunsch und unsrer Flucht? Atalus. Da hast du wieder recht. Leon. So hoert denn weiter. (Geschrei und Laerm von zusammengestossenen Bechern im Hause.) Leon (nach rueckwaerts). Nur zu! nur zu! Das passt in meinen Plan! Mein Anschlag ging zuerst ins Ferne, Weite, Nach Wochen dacht' ich moeglich erst die Flucht. Doch trennt man uns, welkt alle Hoffnung hin. Auch ist Gelegenheit ein launisch buhlend Weib, Die nicht zum zweiten Male wiederkehrt, Fand sie beim erstenmal die Tuer verschlossen. Nun hoff ich, dass der Wein, die fremden Speisen, Die ich zumal gepfeffert und gewuerzt, Dass sie zum Trunk, wie Sommerwaerme, laden; Davon hoff ich die Herren so bewaeltigt-- Die Diener ahmten treulich ihnen nach.-- (Auf die grosse Pforte zeigend.) Seht Ihr den Schluessel dort in jenem Schloss? Vergisst man den, wenn's Abend, abzuziehn, Ist frei der Weg, und--halt noch! Geht zur Seite! (Sie treten auseinander. Ein Diener kommt schwerfaelligen Ganges, ein Lied misstoenig vor sich hinbrummend. Er geht zur Pforte, schliesst sie ab und zieht dann den Schluessel aus. Leon macht eine Bewegung gegen ihn, tritt aber gleich wieder zurueck. Der Diener geht ueber die Zugbruecke ins Haus.) Atalus (lachend). Ha, ha! Damit ging's schief. Leon. Freut Ihr Euch drueber? Atalus. 's ist nur, weil du fuer gar so klug dich haeltst. Leon. Ob klug, ob nicht, das soll die Folge lehren. Den Schluessel schaff ich wieder, drauf mein Wort. Ich hab erkundigt, dass er nachts im Zimmer Des Alten haengt, zu Haeupten seines Betts; Dort holt man ihn, tun Wein und Schlaf das ihre. (Neuer Laerm in der Halle.) Hoert Ihr? Doch klingt's schon schwaecher. Sie sind matt. Was heut getan, ersparst du dir fuer morgen, Ein Helfer wie dies Fest kommt nicht im Jahr. Auch ist der Weg mir, den ich hergemacht, Teils noch bekannt, teils stellt' ich Zeichen, Die laengre Zeit verwirret und verwischt, So dass der Anschlag heut, wie nie, gelingt. Kommt dann der Tag, und sind sie spaet erwacht, So sichert uns der Vorsprung, will es Gott. (Die Lichter in der Halle sind nach und nach verloescht.) Seht, es wird dunkel oben in der Halle, Bald haben Wein und Schlaf ihr Amt vollbracht. Doch wird man unsre Flucht vor Tag gewahr, So ist noch eins zu tun. Seht dort die Bruecke, So roh wie alles hier und schlecht gefuegt, Mit Pfloecken eingerammt die Tragepfaehle. Graebt nun ein Mann der Pfeiler einen ab, So stuerzt die Bruecke, wenn man sie betritt, Und der Verfolger liegt im sumpf'gen Graben. Das sichert uns vor jenen drin im Haus; Und auch die Knechte werden frueher eilen, Zu ziehen den Gestuerzten aus dem Grund, Als dass sie uns verfolgen, die wir fliehen. Bis man den Zugang herstellt, sind wir weit. So ist nun zwei zu tun, doch sind wir zwei: Der eine schleicht ins Haus, indes der andre Die Stuetzen losgraebt, wie ich Euch gesagt, Wozu hier das Geraet schon in Bereitschaft. Atalus. Ich dring ins Haus. Leon. Ei wahrlich! in der Tat! Atalus. Haett' ich ein Schwert, der Schluessel waere mein. Leon. Haett' ich, so wuerd' ich!--Possen! Wenn und Aber Sind, wie das Sprichwort sagt, der Pferde schlechtster Haber. Ich will Euch nicht bestreiten andre Gaben, Doch schlauer, Herr, bin ich. Ich schleich ins Haus. Ihr moegt indes nach Lust im Boden wuehlen. Atalus. So faellt das Schwerste immer denn auf mich? Leon. So nennt Ihr das das Schwerste? in der Tat! Atalus (Spaten und Haue mit dem Fusse wegstossend). Nicht ruehr ich an dies niedrige Geraet. Ich bin der Bessre, darum muss das Kuehnre Mir anvertraut sein, mir! Ich dring ins Haus. Leon. Und wenn Euch einer in den Gaengen trifft? Atalus. So pack ich ihn am Hals-- Leon. Und er schreit Zeter. Herr, kaempft mit Loewen, aber Voegel fangen, Das lasst nur mir. Es sei, wie ich gesagt. Mir hat's Eu'r Ohm vertraut, ich steh ihm ein, Drum muss es gehn nach meinen klaren Sinnen. Sonst send ich Euch zu Euern Pferden wieder, Da moegt Ihr denn an Euerm Unmut kaun, Indes ich selbst die raschen Beine brauche. Was sie fuer mich bezahlt, ist dann wohl wett Durch manchen Dienst, den etwa ich geleistet. Eu'r Oheim harret Eurer--hoert Ihr wohl? Leis mit den Abendwinden, deucht mich, dringt Zu uns her sein Gebet, das schuetzt, das sichert, Und Engel mit den breiten Schwingen werden Um uns sich lagern, wo wir wandelnd gehn. Ich moecht Euch schmeicheln, wie man Kindern schmeichelt. Glaubt, Graben ist ein adelig Geschaeft! Was Ihr auch Grosses wirkt und Grosses foerdert, Der Euch einst eingraebt, er besiegt doch alles, Was in Euch siegt und wirkt und prangt und trachtet. Hier ist der Spaten, tragt ihn wie ein Schwert, Und hier die Haue--doch noch nicht, noch jetzt nicht. (Edrita erscheint auf der Bruecke.) Edrita. Seid Ihr noch wach? Leon. Wir sind's. Edrita. So geht zur Ruh'! Leon. Wir werden's. Edrita. Habt ihr euch nun satt geplaudert? Leon. Man ist nicht satt, solang noch Hunger bleibt. Edrita. Wenn's euch erfreut, mir recht. Ich geh nun schlafen. Leon. Und schliessest du dort oben wohl die Tuer? Edrita. Das ist des Vaters abendlich Geschaeft, Der selbst vor Schlafengehn die Runde haelt. Doch heute, denk ich, unterlaesst er's wohl. Er hat des Weins zuviel in sich gegossen Und liegt nun schon und schlaeft. Da mag er sehn. Ich tu nur, was mein eignes Amt. Nicht wahr? Leon. Das sollte jeder tun. Edrita. So geh denn schlafen. Das ist zu Nacht der Mueden suesse Pflicht. Und Traeume wachen auf, so wie wir schlafen. Wirst du auch traeumen heut? Leon. Weiss ich's? Edrita. Ich weiss. Fast schlummr' ich schon. Gut' Nacht! Leon. Schlaf wohl! Edrita. Ich will. (Sie geht ins Haus.) Leon (nachdem er ihr eine Weile nachgesehen). Nun geht ans Werk mit Gott! Hier das Geraet, Doch braucht es leise, dass das Ohr der Nacht Nicht aufhorcht Eurem Ton. Vorsicht vor allem. (Er hat ihn nach rueckwaerts gefuehrt.) Steigt in den Graben nur. Seht zu, hier geht's. Die Fuesse setzend in des Abhangs Rasen Gelangt Ihr leicht zum Grund, der seicht genug, Zur Not erreichbar mit 'nem tuecht'gen Sprung. (Atalus ist in den Graben gestiegen.) So geht's. Schon recht. Nun das Geraet. (Er reicht ihm die Werkzeuge.) Und jenen Pfeiler rechts dort grabt mir an, Er scheint am losesten befestigt und verrammt. Der Grund ist weich, es geht so leicht wie Essen. (Nach vorn kommend.) Nun will denn ich mich ruesten an mein Werk. (Sich an den Hals fuehlend.) Sitzt denn der Kopf noch fest? Ja, noch zur Hand, Doch fuer demnaechst moecht ich darauf nicht borgen. Ob ich sie schon mit derber Unverschaemtheit So sehr an jedes Aeusserste gewoehnt, Dass Scherz und Ernst in einem Topfe quirlt Und die Beleid'gung zur Entschuld'gung wird. Mut denn, Leon, es geht nicht gleich ans Leben. (Halblaut singend.) Es war einmal!-- Ja so, es gilt zu schweigen. Und dann, wenn's endlich wirklich nun gelingt Und er, der gute alte Herr--Habt acht! Es geht zum Sturm! Den Schild hoch! Doppelschritt! (Er eilt die Bruecke hinan, hinabsehend.) So recht, mein Maulwurf, wuehl dich in den Grund! Doch lass ein Restchen Pflockes nur noch stehn, Sonst droht beim Rueckweg selber mir die Falle. (Man hoert unten einen lautern Schlag.) Halt doch! zu laut!--Doch leise nur auch ich. (Er geht ins Haus.) Atalus (unten). Leon! (Er wird sichtbar.) Er ist schon fort! Der freche Bursch Laesst mich hier fronen, waehrend er--Geduld! Er soll mir's seinerzeit mit Wucher zahlen. (Er verschwindet wieder.) -------- Verwandlung Kurzes Zimmer, an der Rueckwand eine grosse bogenfoermige Oeffnung, daneben links eine kleinere. Beide durch Vorhaenge geschlossen. Hart an der letztern eine Seitentuere. Nach einer Pause guckt Leon durch den Vorhang des kleinen tuerfoermigen Ausschnittes. Leon (gedaempft). Hier ist das Zimmer, hab ich recht bemerkt, Und dort der Raum, wo unser Werwolf ruht. Schlaeft er? (Er setzt einen Fuss ins Zimmer und tritt damit etwas staerker auf, wonach er sich sogleich wieder zurueckzieht und verschwindet. Nach einer Weile wieder erscheinend.) Er schlaeft.--Insoweit waer' es gut! Obgleich mit alledem noch nicht am besten. Der Schluessel haengt zu Haeupten seines Betts. Und liegt er gleich in Wein und Schlaf begraben, So hat das Raubtier doch gar leisen Schlaf, Wenn's selber wird beraubt.--Jetzt oder nie! Ein rascher Griff, und alles ist getan. Erwacht er auch, so hilft ein Luegenkniff. Doch halt! das hat der alte Herr verboten, Ob's toericht gleich, hoechst albern, laecherlich! Wie soll man mit den Teufeln fertig werden, Hilft nicht ein Fund?--Wie immer! sei's gewagt! (Er hat sich dem Vorhange genaehert.) Wer nur den Schluessel faend' beim ersten Griff-- (Horchend.) Ich hoer ihn atmen. Schnarchen, deucht' mich, heisst's. Ist er so grob, was bin ich denn so sittig? (Er geht hinter den Vorhang.) (Edrita erscheint am Eingange der Mittelwand, den Finger auf dem Munde. Sie tritt horchend einige Schritte vorwaerts.) Kattwalds Stimme (hinter dem Vorhange). Holla. Hallo! Den Schluessel da-- Leon (ebendort). So hoert! Kattwald. Den Schluessel, sag ich, gib! Wo ist mein Schwert? Ich haue dich in hunderttausend Stuecke. Leon. Hoert nur! Kattwald. Du hoere, spricht mein Schwert. (Edrita hat gleich bei den ersten Worten sich nach der Seitentuere links gewendet und in hastiger Eile den Schluessel aus dem Schlosse gezogen. Jetzt tritt sie damit hinter den Vorhaeng der Eingangstuere zurueck.) Leon (hervorkommend). Nun stehe Gott uns bei! Fort den Verraeter! (Er schleudert den Schluessel von sich nach der Gegend des Eingangs.) Kattwald (mit blossem Schwert ihm folgend). Heraus mein Schwert! Wo ist der freche Dieb? Leon (dem Schluessel nachblickend). Vielleicht kann ich ihn noch beim Gehn erhaschen. Kattwald. Wo ist der Schluessel, wo? Leon. Ich hab ihn nicht. Kattwald. Du nahmst ihn. Leon. Ja, ich nahm ihn. Kattwald. Nun, und wo? Leon. Ich warf ihn, Herr, von mir. Kattwald (zum Stoss ausholend). So schaff ihn wieder. Leon. Man muss ihn eben suchen. (Sucht auf der entgegengesetzten Seite.) Kattwald. Such! Leon (am Boden suchend). Hier ist er nicht. Kattwald. Ich aber will nicht wissen, wo er nicht, Ich frage, wo er ist! Leon (aufgerichtet). Das frag ich auch. Kattwald. Such! sag ich. Leon (wieder gebueckt). Wohl, ich suche. Kattwald. Frecher Bursch! War das der kecke Spass, die tolle Kuehnheit, Mit der du dich ins Haus--? Leon. Herr, hebt den Fuss! Kattwald. Wozu? Leon (ihm einen Fuss emporhebend). Hier!--ist er auch nicht. Kattwald. Donner! So machst du dich noch lustig ueber mich? Leon. Man muss doch ueb'rall suchen. (Edrita ist waehrend des Vorigen leise eingetreten, hat den Schluessel vom Boden aufgenommen, den andern an dessen Stelle gelegt und sich leise wieder entfernt.) Kattwald. Nun wohlan! Ich zaehle: Eins, zwei, drei; und ist beim dritten Der Diebesschluessel nicht in meiner Hand, Faehrt dir mein Schwert in deine feisten Rippen. Eins! Leon. Hoert doch! Kattwald. Zwei! Leon. Ihr wollt doch nicht--? Kattwald (zum Hieb ausholend). Und-- Leon (schreiend). Possen! (Kaltbluetig nach der entgegengesetzten Seite zeigend.) Wir haben ja dort drueben nicht gesucht. (Den Schluessel aufhebend.) Hier ist das Kleinod ja. Da liegt's am Boden. Kattwald. Es war die hoechste Zeit. Dir ging's schon nah. Leon. Doch ist der Schluessel leichter, oder wahrlich, Mir zittert noch die Hand. Kattwald. Dort haeng ihn hin. Leon. Es ist derselbe Schluessel nicht. Kattwald. Dort, sag ich! (Er hat den Vorhang nach einer Seite zurueckgeschlagen. Man sieht ein Bette, daneben einen Schemel.) Leon (zum Boden gebueckt). Man muss den andern suchen. Kattwald. Tausend Donner! So narrst du mich von neuem? Dort der Platz! Leon. Doch wenn's der rechte nicht? Kattwald. Es ist der rechte, Weil du's bezweifelst grad! Leon. Fast glaub ich's auch. Liegt doch kein andrer rings herum am Boden. (Zur Schlafstelle gehend.) Hier haeng ich ihn denn auf. (Er tut's.) Kattwald. Wo? Zeig die Haende. Leon. Hier beide, sie sind leer. (Der Alte befuehlt die Haende.) Kattwald. Wohl. Leon. Dort der Schluessel. Kattwald (in die Hoehe fuehlend, wobei er aufs Bett zu sitzen kommt). Auch gut. Leon. Nun liegt und schlaft nur aus den Rausch. Kattwald. Wie waere das? Leon. Betrunken seid Ihr, ja! Kattwald. Heut schon ich dich. Leon. Weil Ihr mich morgen braucht. Doch werf ich Gift in alle Eure Bruehen. Kattwald. Du sollst von allen essen mir zuerst. Leon. So ess ich alle auf mit meinem Freund, Der viel ein groessrer Herr in unserm Land Als Eure rost'gen Gaest' und Sippen alle. Kattwald (will aufstehen, Leon stoesst schnell den Schemel vor seine Fuesse, so dass er wieder hinsinkt). Verdammt. Leon. Geduld! Da braucht es schnellre Beine. Und morgen denkt nur, Herr, Ihr habt getraeumt, Und alles das war nicht. Nun, gute Nacht! (Zur Tuere hinaus.) Kattwald (sitzend). Im Grund kann man dem Burschen gram nicht sein. Er sagt grad alles 'raus und ist gar lustig. Waer' ich an seiner Statt, ich macht's nicht anders. Der Schluessel wieder da und-- (Sein Kopf sinkt herab, auffahrend.) Holla, Bursch! Ja, er ist fort. Ich will von neuem schlafen. Der Wein ist wirklich etwas schwer im Kopf. (Er macht halbliegend mit der Schwertspitze den Vorhang los. Dieser faellt zu und bedeckt die Schlafstelle.) -------- Veraenderung Vorhof des Hauses wie zu Anfang des Aufzuges. Leon (steht auf der Bruecke). He, Atalus!--Ich glaube gar, er schlaeft. (Herabkommend.) Ei immerhin! Was nuetzt auch all sein Graben, Jetzt, da misslang, was moeglich macht die Flucht. (Horchend.) Er graebt!--Oh, dass ich ihn gering geachtet, Und er genuegt dem Wen'gen, was ihm oblag, Indes ich scheitre, wo ich mich vermass. (Nach rueckwaerts sprechend.) Lasst ab!--Und doch vorher noch erst versuchen, Ob also fest gefuegt das Tor, die Fluegel, Dass keine Wut, die Wut ob eignem Unsinn-- (Er hat sich dem Tore genaehert, ploetzlich zuruecktretend.) Du guet'ger Himmel! Taeuschen, meine Augen? Truegt mich die Nacht?--Im Tore steckt ein Schluessel. Grabt immer, Atalus!--Es ist nicht moeglich! Wie kaem' er hier, der nur erst kurz noch oben Und doch blinkt er liebaeugelnd mir herueber, (hineilend) Ich muss dich fassen--pruefen, ob-- (Den Schluessel fassend und damit auf- und zuschliessend.) Er ist's! Und Freiheit weht, wie Aether, durch die Fugen. (Mit gefalteten Haenden.) So will der Himmel sichtbar seine Wege? Stehn Engel um uns her, die uns beschirmen? Edrita (die schon frueher sichtbar geworden, jetzt vortretend). Du irrst, kein Engel hilft, da wo der Mensch Mit Trug und Falsch an seine Werke geht. Leon. Mit Trug und Falsch? Edrita. Du willst entfliehn. Leon. Ich hab es nie verhehlt. Edrita. Ei, ja, ja doch! Und darum haeltst du dich fuer wahr? Nicht so? Hast du die Wahrheit immer auch gesprochen, (die Hand aufs Herz legend) Hier fuehl ich dennoch, dass du mich getaeuscht. Drum hoffe nicht auf Gott bei deinem Tun, Ich selber war's, die dir den Schluessel brachte. Du willst entfliehn? Leon. Ich will. Edrita. So, und warum? Leon. Fraegst du, warum der Sklave sucht die Freiheit? Edrita. Es ging dir wohl bei uns. Leon. Dann ist noch eins. Ich habe meinem frommen Herrn versprochen, So fromm, dass, denk ich seiner Abschiedsworte, Mit dem, was erst nur sprach dein Kindermund, Ich in Beschaemung meine Augen senke; Versprochen hab ich ihm, den Neffen sein, Dort jenen Atalus, zurueckzubringen. O kenntest du den heilig wuerd'gen Mann! Edrita. Mir sind nicht fremd die Heil'gen deines Volks. Es wandern Christen-Priester wohl durchs Land, Gewinnend ihrem Herrn verwandte Seelen, Wofuer sie Tod erdulden oft und Pein. Sie lehren einen einz'gen Gott, und wahrlich, (seine Hand beruehrend) An was das Herz in glaeub'ger Fuelle haengt, Ist einzig stets und eins. O fuerchte nicht, Dass, bleibst du hier, ich dich mit Neigung quaele. Ich bin nicht, wie die Menschen oft wohl sind: Ei, das ist schoen! das soll nur mir gehoeren, Und das ist gut! das eign' ich rasch mir zu. Ich kann am Guten mich und Schoenen freun, Wie man geniesst der Sonne goldnes Licht, Das niemands ist und allen doch gehoert. Auch bin ich nicht mehr mein, noch eignen Rechts, Obwohl ich schaudernd denke, wem ich eigne. Es soll dir wohl ergehen, bleibst du hier. Mein Vater ist nur hart im ersten Zorn, Und jener andre--Nein, ich kann, ich mag nicht! Bleib hier! das andre gibt der Tag, das Jahr. Leon. Wie aber stuend' es dann um meinen Freund? Edrita. Lass ihn allein der Rettung Wege gehn. Leon. Du kennst ihn, wie er ist, wie rat- und hilflos, Er fiele den Verfolgern doch anheim. Doch ist er erst befreit, dann-- Edrita. Huete dich! Du wolltest sagen: dann kehr ich zurueck. Du kehrst nicht wieder, bist du fort erst. Leon (nach ihrer Hand fassend). Edrita! Edrita. Lass nur das!--Kannst du mich missen, Ich kann es auch. Und nun zu noet'gern Dingen. Wo ist dein Freund? Leon. Er graebt dort an der Bruecke. Edrita. Er graebt? Leon. Der Pfeiler einen sticht er ab, Dass ein sie bricht, wird irgend sie betreten. Edrita (lachend). Und der Verfolger in den Graben faellt? Nun, das ist gut.--Dort steht die Pforte offen. Und doch. Sieh nur, wie Trug und Arglist sich bestraft. Leon. Wie nur? Edrita. Du glaubst dich Meister nun der Flucht, Doch gehen weitum Waechter, rasche Knechte, Die jeden toeten, weiss er nicht das Wort, Das naechtlich als ein Merkmal wird gegeben. Das Wort heisst Arbogast. Merk dir's. Leon. Ja wohl. Edrita. Am Ufer dann des Flusses wohnt ein Faehrmann, Verschuldet meinem Vater und verpflichtet. Den taeusch nur, wenn's die Wahrheit dir erlaubt, Dass du im Auftrag meines Vaters gehst, Sag ihm auch: Arbogast. Er fuehrt dich ueber. (Im Graben geschieht ein staerkerer Schlag.) Edrita. Was ist nur dort? Leon (hineilend). Zum Henker! Warum laermt Ihr? Atalus (heraufsteigend). Es war der letzte Schlag! Leon. Muesst Ihr drum poltern? Atalus (auf Edrita losgehend). Hier ist das Maedchen auch. Edrita (zu Leon). Schuetz mich vor dem! Nun hast du deinen Freund, der dir so wert Und der mit Liebe lohnt dir deine Treue. Ha, ha! Fuerwahr! Du siehst recht artig aus! Mit Kot befleckt und nass. (Sie beruehrt ihn mit dem Finger.) Du armer Junker! Atalus. Der wollt' es so! Edrita. Nun aber geht ans Werk! Denn ob mein Vater gleich im Schlafe liegt, Waer's moeglich, dass Verdacht ihn frueher weckte. (Sie geht zur Pforte, um sie zu oeffnen. Leon tut es statt ihrer.) Der Weg laeuft anfangs grad, dann teilt er sich. Der eine links bringt schneller wohl ans Ziel, Doch waehlt den andern rechts, er fuehrt durchs Dickicht, Und da die Unsern euch zu Pferde folgen, Durchdringt ihr leicht, was jene stoert und hemmt. Den Schluessel steck von aussen in das Schloss, Und seid ihr fort, schliess ab und wirf ihn weg, So haelt ein neues Hemmnis die Verfolger. (Leon befolgt es.) Edrita (zu Atalus). Und kaemen sie euch nach, ergreif 'nen Ast Und fechte loewenkuehn fuer deinen Freund. Atalus. Ich sorg um mich. Edrita (zu Leon). Hoerst du? Das klingt recht gut. Nun aber geht! Die Zeit vergoennt nicht Wort. Die ihr als Raeuber kamt, wie Diebe macht euch fort. Kattwald (der mit Galomir am Fenster der Halle erscheint). Dort stehn sie, schau! Edrita. Nur schnell! (Die jungen Leute entfliehen, wobei das Tor offen bleibt.) Kattwald (zu Galomir). Folg ihnen, lauf! Edrita. Da bricht nun alles Wetter ueber mich. (Galomir ist aus der Tuere gekommen und auf die Bruecke getreten. Diese wankt und bricht endlich mit ihm zusammen, er stuerzt in den Graben.) Edrita (vortretend). Ha, ha! ha, ha! Der dumme Galomir! Das haben sie recht schlau sich zugerichtet. Kattwald (am Fenster den Spiess zum Wurf schwingend). Verruchter Balg, des traegst nur du die Schuld! Edrita. O weh, o weh! Sie bringen mich noch um! Auch liessen jene dort den Torweg offen. Ich dreh den Schluessel ab und mach mich fort. Ist erst der Zorn vorueber, kehr ich wieder. (Sie eilt durch die Pforte, die sie hinter sich zuzieht und abschliesst.) Kattwald (am Fenster, mit den Haenden in den Haaren). So schlage denn der Donner! Mord und Pest! Hoert mich denn niemand? Knechte! Leute! Brut! Da steh ich denn und fresse meine Wut! (Indem er einen fruchtlosen Versuch macht, aus dem Fenster zu steigen, faellt der Vorhang.) Vierter Aufzug Waldige, dicht bewachsene Gegend. Links im Vorgrunde ein grosser Baum mit einem natuerlichen Moossitze. Auf derselben Seite im Hintergrunde dickes Gestruepp und Steinmassen, hoehlenartig ein Versteck bildend. Es ist Tag. Leon und Atalus kommen. Leon. Hier ist der rechte Weg. Atalus. Nein, dort! Leon. Nein, hier! Atalus. Dort, hat das Maedchen selber mir gesagt. Leon. Euch sagte sie's? Atalus. Ja mir, und war besorgt, Weil ich durchnaesst, und ruehrte meinen Arm. Leon. So lebt denn fort in Eurer suessen Taeuschung! Doch laeuft der Fusssteig hier. Atalus. Ich geh nicht weiter. Soll alles denn nach deinem Duenkel nur? Auch bin ich mued. (Er setzt sich rechts auf einen Stein.) Leon. Und holen sie uns ein? Atalus. Wenn sie uns fangen, ei, dann geht's dir schlimm, Mich kauft der Oheim etwa dennoch los. Leon. Er kauft Euch los? Weil er nicht kann, nicht mag, Drum eben kam ich her. Atalus. Er mag nicht, sagst du? Das ist recht schlecht von ihm. Leon. Schmaeht Ihr den Ohm? Den frommen Mann, der fehllos bis auf eins, Nicht dass er geizig, wie ich einst ihn hielt, Nein, dass, beschaeftigt wohl mit hoehern Dingen, Den Neffen er nicht besser sich erzog. Weil er Euch liebt, drum sandt' er mich hieher, Waer's nicht um ihn, ich liess Euch laengst in Stich. Atalus. Das waer' mir eben recht! du bist mir widrig. Leon. Ihr saesst noch bei den Pferden ohne mich. Atalus. Dort war mir wohl, auch hatt' ich Essen satt. (Aufstehend.) Nun denn, weil du fuer gar so klug dich haeltst, Weisst du hier Pfad und Steg und Ziel und Richtung? Hast du bedacht, was sonst dem Menschen not? Was nuetzt es uns, dass wir im Freien sind, Wenn wir vor Mangel grausamlich verschmachten? Der Wald dehnt sich wohl etwa tagelang, Und eher findet sich ein reissend Tier, Das uns verzehrt, als wir, wovon wir zehren. Leon. Vertraut auf Gott, der uns so weit gefuehrt, Er wird die Hungernden mit Nahrung troesten, Wie den Gefangnen er die Freiheit gab. Und nun-- Edritas Stimme (hinter der Szene). Leon! Leon. Man kommt. Nur schnell von hinnen! Atalus. Hoer erst! Edrita (naeher). Leon! Atalus. Das ist des Maedchens Stimme. Leon. Wes immer auch! Hier sind nur wir und Feinde. Auch ist sie kaum allein. Atalus. Sie ist's. Ich seh's. Leon. Nun, so verplaudern wir die Zeit der Rettung. Atalus. Sie hilft uns wohl mit einem neuen Fund. Geh immer, wenn du willst, ich harr auf sie. Leon. Nun denn, so streck ich wehrlos meine Haende; Wenn's doch misslingt, ich trage nicht die Schuld. (Edrita kommt.) Edrita. Hier seid ihr ja. Nun, das ist recht und gut. Atalus. Sei mir gegruesst! Edrita (zu Leon). Was wendest du dich ab? Du fuerchtest, ich verzoegre eure Flucht? Doch umgekehrt. Jetzt tut euch Zaudern not. Atalus. Siehst du? Edrita. Was soll er sehn? Atalus. Ich wollte weilen, Er trieb zu gehn. Edrita. Da hatt' er recht, du nicht, Da ihr nicht wusstet, was nur ich kann wissen. Die Unsern gehn zu Ross die andre Strasse, Insoweit ist es gut. Doch dieser Pfad, Er trifft am Saum des Walds mit jenem andern, Und da ihr Pferde doch nicht ueberholt, So waer' euch schlimm, kaemt ihr zu frueh dahin. Im Ruecken ihrer aber geht ihr sicher. Leon. Nun aber noch um aller Himmel willen: Wie kommst du her? Edrita. Ich, meinst du? Ei, ja so! Ihr habt es gut gemacht, bis nur auf eins. Atalus. Ei, er macht alles klug. Edrita. Ja, alles andre. Ihr wart kaum fort, da wollten sie mich toeten, Der Vater hob den Spiess in seiner Hand. Da lief ich fort, ein Endchen in den Wald, Bei Tagesanbruch wollt' ich wiederkehren. Doch kam der Tag, da sah ich euern Fusstritt Im weichen Boden kenntlich eingedrueckt; Das, dacht' ich, das verraet sie; und am Saum Des Rasens gehend, wo kein Fusstritt haftet, Bestreut' ich eure Spur mit Sand und Erde. So kam ich weiter, weiter und bin hier. Und nun ich da, kehr ich nicht mehr zurueck. Leon. Was faellt dir ein? Atalus. Ja ja, bleib nur bei uns. Edrita. Bedenk nur selbst. Kehrt nun mein Vater heim Und fing euch nicht, was euer Gott verhuete! So schlaegt er mich und wirft mich in den Erker, Wo ich schon einmal lag, wie einst die Mutter. Und dann wird jener Galomir mein Mann. Ich will ihn nicht. Ich sag euch's nun, ich will nicht. Nehmt mich mit euch, ich bin euch wohl noch nuetz. Die Wege kenn ich hier und alle Schliche. Ihr seid noch nicht so sicher, als ihr glaubt. Sie fuehren Hunde mit, ich hoert' es wohl, Die wittern euch und schlagen bellend an, Mich aber kennen sie und jeder schweigt, Und streichl' ich ihn, legt er sich auf die Pfoten. Ich will zu deinem Herrn, zu seinem Ohm, Und dort den frommen Lehren horchend lauschen, Die er wohl weiss von Gott und Recht und Pflicht. Will mich mein Vater, soll er auch nur kommen Und lernen auch, ist er gleich grau und alt. Das ist ihm nuetz. Sie sind auch gar zu wild. Leon. Ich aber duld es nicht! Edrita. Wie nur, Leon? Leon. Ich habe meinem frommen Herrn versprochen. Nichts Unerlaubtes, Greulichs soll geschehn Bei diesem Schritt, den nur die Not entschuldigt. Hab ich den Sklaven seinem Herrn entfuehrt, Will ich dem Vater nicht die Tochter rauben Und mehren so den Fluch auf unserm Haupt. Edrita. So hoer doch nur! Leon. Es soll, es darf, es kann nicht. Atalus. Er ist nicht klug. Edrita. Ei, klueger, als du glaubst. Er ist der Mann des Rechts, des trocknen, duerren, Das eben nur den Gegner nicht betruegt. Allein durch ungekuenstelt kuenstliches Benehmen Vertraun erregen, Wuensche wecken, denen Sein wahres Wort dann polternd widerspricht, Das mag er wohl und fuehrt es wacker aus. (Zu Atalus.) So nimm denn du mich mit. Atalus. Ja doch, wie gerne. Leon. Ich duld es nicht. Edrita. Wir fragen dich auch nicht. Wir sind zu zweit, da gilt denn unsre Meinung. Leon. So trenn ich mich von diesem Augenblick. Edrita. Auch das! Wir helfen ohne dich uns weiter. Die Wege kenn ich alle bis zum Strom, Von dort an weiss sie der. Atalus. Ich weiss sie nicht. Edrita. Nun denn, dann sind wir nahe deinem Land, Und jeder bringt uns auf die sichre Faehrte. Leon. Viel Glueck dazu! Atalus. Siehst du, er streitet immer. Edrita. Dann treten wir vor deinen Oheim hin Und sagen ihm: dein Knecht hat schlimm getan, Wir aber halfen selbst uns, wie wir konnten. (Zu Leon.) Du bist ja trueb. Leon. Ich lieh dir meine Laune. Edrita. Siehst du? Man muss nur artig sein und wollen, Sonst kommt das Muessen und dann fehlt der Dank. (Der Ton eines Horns von weitem.) Leon. Hoer doch! Nun zitterst du, und warst so kuehn. Edrita. Und wenn ich zittre, ist's um euch. Atalus. Nur fort! Leon. Ich bleibe. Edrita. Keine Torheit, die nur quaelt. Das ist kein Trupp; ein einzelner, Verirrter, Der die Genossen sucht mit Hornesruf. Er wird vorueberziehn, weil er allein, Und, zwei zu fangen, mehr als einer noetig. Dort rueckwaerts ist, ich weiss es, ein Versteck, Wo dichte Straeuche sich zum Schirmdach woelben. Dort warten wir, bis seine Schritte fern, Vielleicht koennt ihr beschleichen ihn, bewaelt'gen. Wie immer, nur hinein, und zwar im Umkreis, Dass ihm der Tritt nicht unsre Spur verraet. (Sie fuehrt sie leise auf den Zehen bis an die Baeume rechts, dann rasch am innern Umkreise zurueck und in die Hoehle.) (Kurze Pause; dann kommt Galomir von der linken Seite, einen Spiess auf der linken Schulter, das Schwert an der Seite, ein Horn um den Leib. Er sucht gebueckt nach den Fusstritten am Boden.) Galomir. Da, da!--Eh, eh! die Kleine! Oh!--Nach dort! (Die Spur mit dem Finger verfolgend.) Wart! wart!--Verirrt. Kein Mann da! Wo? Ah weit. Uf!--heiss! (Seine Beine befuehlend.) Und mued!--Da.--Ah! Dort Schatten! Baum. Ruh aus, Mann, ruh! dann weiter. (Er setzt sich.) Heiss die Haube! (Er nimmt den Helm ab und legt ihn neben sich.) Noch einmal rufen. (Er ruft durch die hohle Hand.) Hup! (Er horcht eine Weile, dann nach rueckwaerts gekehrt.) Ah!--Niemand hoeren. Wozu das Horn? Blas an!--Verwirrt, verwirrt! (Er lehnt den Spiess an den Baum und wickelt die verworrene Schnur des Hornes auseinander.) Ah, los! Nun an den Mund! (Er setzt das Horn an.) -------- (Edrita, die schon waehrend des letzten sichtbar geworden ist und Ruhe gebietend zurueckgewinkt hatte, tritt jetzt vor.) Edrita. Stoss nicht ins Horn! Galomir (sie erblickend). Ah. Ah. Edrita. Ich bin's! Was mehr? Galomir. Eh, fangen, fangen! (Er hascht nach ihr.) Edrita. Was braucht's zu fangen, die du ja schon hast. Lass mir ein bisschen Raum, sitz ich zu dir. Galomir (hastig rueckend). Eh, eh! Edrita. Du wirst mich doch nicht fuerchten? Galomir. Du schuld an allem! Edrita. Ich? Was faellt dir ein! Galomir. Der Vater! Edrita. Nu, er wird wohl etwas zuernen, Doch, sprech ich ihn, setzt alles sich ins Gleis. Galomir. Nein, nein! Edrita. Nun, dann bist du mein Braeutigam Und ich die Braut, du musst, du wirst mich schuetzen. Galomir. Ha, ha! Edrita. Ei, das gefaellt dir! Galomir (mit dem Finger drohend). Du! Edrita. Wie, nicht? Je, weil ein wenig etwa ich gelacht, Als du in Graben fielst? Das war ein Sprung. Galomir (den Arm reibend). Ah. Edrita. Schmerzt's noch etwa? Galomir (nach unten zeigend). Uh! Edrita. Und auch der Fuss. Ein Ehmann muss an manches sich gewoehnen. Nun ziehst du aus und willst die beiden fangen? Galomir (nach ihr greifend). Du, du! Edrita. Nur mich allein? Wo bleibt dein Mut? Nein, nein! Du selber musst die Fluecht'gen haschen. Sie sind nicht fern! Galomir (aufstehend). Ah! Wo? Edrita. Nicht grad vor dir, Doch auch nicht weit. Sind zwei, doch du bewaffnet. Hier lehnt dein Spiess. (Da Galomir danach langen will.) Er liegt auch gut am Boden. Und dann dein breites ritterliches Schwert. Galomir (ans Schwert schlagend). Ah, oh! Edrita. Ich weiss, dein Arm ist stark. Nur neulich Schlugst du dem Stier das Haupt ab einen Streichs. Doch war der Kampf nicht billig. Du bewaffnet, Er blank und bar. Gib kuenftig auf den Vorteil, Dann kaempft ihr gleich mit gleich. Allein auch so. Ich will mich nur auf jene Seite setzen. (Sie setzt sich auf die andere Seite. Er macht ihr Platz.) Hier ist dein Schwert, das gut und stark. Doch schmucklos. Was gibst du mir, so knuepf ich dir ein Baendchen, Das, etwa blau, ich trug an meinem Hals (sie macht eine Schleife am Halse los) Wie, schau nur, dies. Das knuepf ich an dein Schwert. Galomir (mit offner Hand ihr ins Gesicht greifend). Eh! Edrita. Nur gemach!--Das waer' ganz artig, deucht mir. Zieh aus dein Schwert und lehn es zwischen uns, So machen sie's bei der Vermaehlung auch, Da liegt ein Schwert erst zwischen beiden Gatten. (Er hat das Schwert neben sie gelehnt.) Edrita (das Band um das Schwertheft windend). So knuepf ich denn--dann so--und wieder so (Sie hustet wiederholt.) Galomir. Wie? Edrita. Ei, ich bin doch allzu scharf gelaufen. Nun steht es schoen. Nicht wahr? Ei, ei, wie artig. (Sie schlaegt wie erfreut die Haende zusammen; die Juenglinge, die schon frueher leise vorgetreten, sind ganz nahe.) Edrita (das Schwert umstossend). O weh, es faellt! Galomir. Mein Schwert! Edrita. Heb's auf vom Boden. (Sie tritt mit dem Fusse darauf. Galomir bueckt sich.) Edrita (stehend und auf Leon sprechend). Nur hier! Da liegt sein Speer. Nimm ihn nur auf. (Zu Galomir herabsprechend.) Was zoegerst du? Galomir (immer gebueckt). Der Fuss-- Edrita (Atalus nach der andern Seite winkend). Du hier herueber. (Zu Galomir.) Ja so, mein Fuss, er steht auf deinem Schwert. Der boese Fuss! (Zu den beiden.) Nur hier. Galomir (sich vom Boden aufrichtend). So heb ihn. (Er erblickt Leon, der, auf der linken Seite stehend, den Spiess gerade gegen seine Brust haelt.) Ah! (Er sinkt auf den Sitz zurueck.) (Atalus ist indessen von der andern Seite gekommen und hat das Schwert aufgenommen.) Edrita (steht auf und eilt auf Leons Seite). Du, reg dich nicht, sonst bringen sie dich um! Atalus. Mich weht es an, hab ich doch nun ein Schwert! Edrita (mit den Haenden zusammenschlagend). Ei, das ist gut, ei, das ist gut! Fuerwahr! (Zu Atalus.) Du, droh ihm auch! Atalus (mit gehobenem Schwerte). Hier bin ich. Leon (zu Galomir). Mir tut leid, Muss also ich an Euch die Worte richten. Es war nicht meine Wahl, doch ist's geschehn, Und da es ist, benuetz ich es zur Rettung. Bleibt sitzen, Herr, Ihr seid in unsrer Macht. (Seinen Guertel loesend.) Mit dieser Schnur bin ich genoetigt, Herr, Zu binden Euch an dieses Baumes Stamm. Es haelt nicht lange gegen Eure Kraft, Doch sind wir fern, kehrt ruhig zu den Euern. Edrita. Ich halte dir den Spiess, doch regt er sich, Ist flugs er wieder dort in deiner Hand. (Galomirn den Speer zeigend, den sie umgekehrt gefasst hat.) Du sieh!--Ja so! (Sie kehrt ihn um. Zu Atalus.) Du, droh ihm--droh ihm auch! (Waehrend Galomir nach Atalus blickt, der einen Schritt naeher getreten, zieht Leon rasch die Schnur zwischen Galomirs Leib und Arme, auf die er sich rueckwaerts stuetzt, und bindet letztere am Baume fest.) Galomir. Ah, oh! Leon. Euch wird kein Leid, wenn Ihr Euch fuegt. Edrita. Du, bind ihn fest, er hat wohl Kraft fuer viele. Leon. Es ist getan, und wohl fuer jetzt genug. Kommt, Atalus, Ihr seid mir anvertraut. (Atalus tritt zu ihm.) Edrita. Ich nicht? Da sorg ich denn nur selbst fuer mich. (Laut, wobei sie aber den Kopf verneinend schuettelt.) Wir gehn nun grade in den Wald hinein. (Galomir hat indessen heftige Bewegungen gemacht.) Leon. Er macht sich los. Edrita (zu Atalus). Sorg du! (Atalus naehert sich ihm.) Edrita (leise zu Leon). Wenn auch! Wenn auch! Allein genuegt er nicht, Ihr seid bewaffnet, Und zieht er unsre Leute zu sich her, Wird frei der untre Weg, der naeh're, bessre, Und so erreichen wir den Strom vor ihnen. Leb wohl denn, Galomir, auf lange, hoff ich. Leon. Und kehrt Ihr zu dem Vater dieses Maedchens, Sagt ihm, nicht ich-- Edrita. Ich selber, meinst du, nicht? Ich selber nahm die Flucht? Nun, sei bedankt Um all die Sorglichkeit fuer meinen Ruf. Doch weiss ich ja, dass du die Wahrheit sprichst; So lass uns schweigen, dann sind wir am wahrsten Und brauchen um nichts minder unsern Fuss. Komm, Atalus! (Sie geht nach der rechten Seite ab.) Leon (Atalus nach sich ziehend). Ja, kommt! Atalus. Er regt sich immer. Ich daecht', ein ringer Streich-- Leon. Was faellt Euch ein! (Er zieht ihn fort. Beide Edriten nach, ab.) Galomir (ihnen nachsehend, dann gegen seine Bande wuetend). Ah!--Schurken--Oh--Mord Donner!--Oh, das Band! (Er versucht, mit den Zaehnen sich der Schnur zu naehern.) Geht nicht! Und dort mein Horn. Blas an! (Das Haupt hinabgeneigt.) Geht auch nicht. (Ruettelnd) Verdammte Schurken! (Er sinkt ermuedet auf den Sitz zurueck. Ploetzlich mit einem listigen Gesichte.) Ih! (Es ist ihm gelungen, den rechten Arm zum Teil aus dem Bande zu ziehen, er ruettelt aber gleich wieder von neuem.) Sei ruhig, Mann! (Laut rufend.) Uh! Uh!--Hoert nicht!--Der Arm! Es geht! Der Arm. Geht, Galomir, der Arm--Ah! Eh! (Er hat den rechten Arm aus dem Bande gezogen und greift sogleich nach dem Horne.) Er blaest. (Stoesst ins Horn. Horchend.) Horch!--Nein! (Macht sich mit dem andern Arme los, den Weg der Fortgegangenen am Boden verfolgend.) Da! Da! In Wald--Eh, eh, kein Schwert. (Auf die leere Scheide schlagend. Er bleibt am Ausgange rechts stehen und stoesst von neuem ins Horn. Ein entfernter Ruf antwortet.) Ah. Ha! Wo Maenner, wo? (Neue Antwort, naeher.) Ah, dort. Heran. (Einer der Burgmaenner kommt. Es ist der Schaffer. Nach und nach sammeln sich mehrere.) Schaffer. Seid Ihr's? Galomir. Ja, ja! Schaffer. Saht Ihr die Fluecht'gen? Galomir (auf den Weg der Abgegangenen zeigend). Ah! Schaffer (nach rueckwaerts zeigend). Kommt dort hinueber. Dort ist unser Pfad. Galomir (auf den Weg rechts zeigend). Da, da! Schaffer. Allein, der Herr befahl-- Galomir. Nein, da. Schaffer. Doch sie entwischen uns, ich sag's Euch, Herr. Nach dortaus treffen allseit sich die Pfade. Galomir. Ich selber sie gesehn. Gebunden.--Da. (Auf den Baum zeigend.) Schaffer. Sie banden Euch? Galomir (den Weg bezeichnend). Nur da. Und mir ein Waffen. (Er nimmt einem der Knechte den Kolben, ihn schwingend.) Aha!--Nur da! Schaffer. Nun denn, wenn Ihr befehlt, Doch wasch ich nur in Unschuld meine Haende. (Sie gehen nach rechts ab.) -------- Veraenderung Offene Gegend am Strom, der im Hintergrunde sichtbar ist. Am Ufer die Huette des Faehrmanns. Der Faehrmann und sein Knecht. Faehrmann. Die ganze Herde, sagst du, trieb er fort? Knecht. Der Kattwald, ja. Wir waren auf der Weide, 's ist nun der zweite Tag. Und als er schied, Befahl er grinsend mir, Euch nur zu sagen: So treib' er Schulden ein, sobald sie faellig. Faehrmann. Die ganze Herde fuer so kleine Schuld? So sag ich mich denn auch fuer immer los, Der Wilden Trutz ist nicht mehr zu ertragen. Die Franken zahlen besser, sind auch besser. (Auf einen Baum zeigend, in den ein Bild eingefuegt ist.) Sie schenkten dort mir jenes fromme Bild, Und wenn die Frucht man kennet aus der Saat, Gilt mehr ihr Gott als Wodan oder Teut. Doch frueher raech ich mich an jenen Argen. Dem Kattwald fang ich nur ein Liebstes weg, Ein Kind, ein Weib, den Naechsten seines Stamms, Und das soll bluten, zahlt er nicht mit Wucher, Was ungerecht er meiner Habe stahl. Nun rueste mir den Kahn, ich will hinueber. Man sagt, die Franken brechen wieder los Und wollen jenes Ufer sich gewinnen, Das streitig ohnehin, bald des, bald jenes, Und spaerlich nur bewohnt, zwei Tag' im Umkreis. Sie zielen wohl auf Metz, wo jene Teufel Ob ihrem Land die plumpe Wache halten. Doch wird's wohl nicht so bald; drum noch Geduld, Bis dahin heisst's verbeissen seinen Aerger. Nur jenem Kattwald tu ich's frueher an. (Er geht in den Hintergrund, wo er sich am Flusse beschaeftigt.) Edrita (tritt von der linken Seite kommend rasch auf). Wir sind am Strom! (In die Szene sprechend.) Verbergt die Waffen nur, Im Notfall nehmt ihr leicht sie wieder auf. (Die Juenglinge kommen.) Hab ich mein Wort gehalten oder nicht? (Leon eilt mit schnellen Schritten dem Ufer zu, von dort zurueckkehrend, erblickt er den Baum mit dem Heiligenbilde und kniet betend davor nieder.) Edrita (zu Atalus). Wie unvorsichtig! Jetzt dorthin zu knien. Atalus. Da hat er recht. Man muss wohl also tun. (Er kniet auch hin.) Edrita (zum Faehrmann, der, die beiden betrachtend, vom Ufer nach vorn gekommen). Seid Ihr der Faehrmann? Faehrmann. Wohl, ich bin's. Edrita. Dem Grafen Im Rheingau ob nicht hoerig, doch verpflichtet? Faehrmann. Dem guten Grafen Kattwald, ja. Edrita. Nun denn! Die beiden, die du siehst, sind Knechte Kattwalds, Sie tragen seine Botschaft in das Land. Drum rueste schnell ein Schiff, ein gutes, rasches, Das sie hinueberfuehrt und mich mit ihnen. Faehrmann. Des Grafen Kattwald? Edrita. Wohl. Damit du glaubst, (leiser) Das Wort heisst: Arbogast. Faehrmann. Ja wohl, so heisst's. Das kommt mir recht gelegen, o fuerwahr. (Seinen Knecht rufend.) He, Notger, hier! Die wackern Leute da, Sie tun fuer Grafen Kattwald ihre Reise, Des frommen Manns, der unsre Herden schuetzt. Mach immer nur das Schiff bereit. (Die Kappe ziehend, zu Edrita.) Verzeiht! Ich muss dem Knecht da Auftrag geben. (Leise zum Knecht.) Fuehr sie zum Schein in Strom. Dann suche Saeumnis, Indes versamml' ich Freunde, Fischersleute-- Leon (der aufgestanden ist). Wo ist der Faehrmann? Faehrmann. Hier. Leon. Wir wollen ueber. Faehrmann. Ich weiss, ich weiss, in hohem Auftrag, ja! Leon. Was spricht der Mann? Edrita. Ich sagt' ihm, was du weisst, Dass ihr, die beiden, mit Graf Kattwalds Botschaft-- Faehrmann. Und da gehorcht ein niedrer Mann, gleich mir. Leon. Wenn Ihr's nur deshalb tut, und nicht fuer Lohn, Um dessen willen nicht, der prangt dort oben, (auf das Heiligenbild zeigend) So wisst: nicht in Graf Kattwalds Auftrag gehn wir, Und nicht mit seinem Willen sind wir hier. Edrita. Leon. Leon. Es ist so, und ich kann nicht anders. Faehrmann. Gehoert ihr nicht zu Kattwalds Freunden? Leon. Nein. Faehrmann. Ihr habt nur erst vor jenem Bild gekniet. Seid ihr vielleicht von jenen fraenk'schen Geiseln? Es ward um einen kurz nur angefragt. Leon. Wer fragte? Faehrmann. Wie es hiess, von seiten dessen, Der ihren Glaeub'gen vorsteht in Chalons. Atalus. Leon! Faehrmann. Ihr seid erwartet drueben; doch Liegt feindlich Land dazwischen weit und breit. Leon. Nun, Gott wird helfen. Wer wir immer sei'n, Willst du den Strom uns nicht hinueberbringen, Versuchen wir denn anderwaerts das Glueck. Faehrmann. Halt noch! Und habt ihr Geld? Leon (Muenzen vorweisend). Wenn das genuegt. Faehrmann. Nun denn, ich fuehre selber euch hinueber. Nicht weil ihr Kattwalds, nein doch, weil ihr's nicht. Denn waert ihr's, laegt inmitten ihr des Stroms. Er ist mein Feind, und Rache lechzt die Brust. Leon (zu Edrita). Siehst du, man ist nicht klug, wenn man nur kluegelt. Edrita (sich von ihm entfernend und auf Atalus zeigend). Ich geh mit dem. Was soll es weiter nun? Faehrmann (zu dem sein Knecht gesprochen hat, der sogleich wieder abgeht). Nun kommt, denn Reiter streifen durch die Gegend. Seid ihr entflohn, verfolgen sie wohl euch. Seht dort!--Folgt rasch!--Und dankt dem droben, (auf das Bild am Baume zeigend) Der euern Fuss, der euer Wort gelenkt. (Sie gehen.) Ein Krieger (der im Vorgrund auftritt). Halt da! Faehrmann. Halt selber du! Es liegt ein Wurfspiess Und auch wohl zwei im Kahn. Willst sie versuchen? (Sie gehen ab.) Krieger (zurueckrufend). Hallo! Zweiter Krieger (der im Hintergrunde links aufgetreten). Dort sind sie. (Er ist vorgeprellt, jetzt zurueckweichend und sein Haupt schirmend.) Blitz! Sie haben Waffen. Kattwald (auftretend). Wo da! Wo da? Zweiter Krieger. Sie sind schon, seht, im Strom. Kattwald. Verfolgt sie! Zweiter Krieger. Ja, da ist ringsum kein Kahn. Doch an der Sandbank muessen sie vorueber, Dort rechts, da reichen wir mit unsern Pfeilen. Kattwald. Schiesst immer, schiesst! Und traeft ihr auch mein Kind, Weit lieber tot--verwundet wollt' ich sagen--, Als dass entkommen sie, mein Kind mit ihnen. (Knechte haben sich rechts am Ufer aufgestellt.) Knecht. Es ist umsonst. Sie staun mit Macht den Strom Und halten ihren Kahn scharf nach der Mitte. Kattwald (wieder hineilend). Nicht also sie! Nicht sie? Nicht Rache! Rache! So werf ich mich denn selber in den Strom, Und kann ich sie nicht fassen, mag ich sterben. Knecht (ihn zurueckhaltend). Lasst ab! Vielleicht erreicht sie Galomir. Am Ende seines Wegs ist eine Furt, Da kommen dann noch drueben sie zu Schaden. Kattwald (an seinem ausgestreckten Arm die Stellen bezeichnend). Die Hand, den Arm in ihrem Blute baden. Fuenfter Aufzug Vor den Waellen von Metz. Im Hintergrunde ein grosses Tor, die daran fortlaufenden Seitenmauern zum Teile von Baeumen verdeckt. Rechts im Vorgrunde eine Art Scheune mit einer Fluegeltuere. Es ist vor Tag und noch dunkel. Leon (oeffnet die Tuer der Scheune und tritt, jene hinter sich zuziehend heraus). Die Sonne zoegert noch, 's ist dunkle Nacht, Und dunkel wie das All ist meine Brust. (Zurueckblickend.) Da liegen sie und schlafen wie die Kinder, Ich aber, wie die Mutter, bin besorgt. O dass ein Teil doch jenes stillen Gluecks, Der Freudigkeit am Werk mir waer' beschieden. (Nach vorn kommend.) So weit gelang's. Der Strom ist ueberschritten, Wir sind im Jenseits, das so fern uns schien. Zwar wohnen Feind' auch hier, doch weiss ich nicht, Die Gegend, sonst belebt und menschenvoll, Ist oed und leer, und der Begegner flieht. Zwar sichert das vor allem unsern Weg, Doch fehlt auch, der den Weg uns deutend kuende. Die Stadt hier deucht mich Metz, der Feinde Burg, Wo sie die Wache halten uebers Land. Ist die im Ruecken, naehert sich die Heimat. Ich wuenschte Fluegel unserm Zauderschritt, Doch wag ich's nicht, das Schlaeferpaar zu wecken, Sie sind ermuedet bis zum bleichen Tod. Trag du allein, Leon, trag du fuer alle. Und wenn wir nun vor meinem Herren stehn! Wie tritt mit eins sein ehrfurchtheischend Bild Durch Nacht und Dunkel vor mein irres Auge! Sein letztes Wort war Mahnung gegen Trug, Und nun, wie bunt, was alles wir vollfuehrt. Die Tochter aus dem Vaterhaus geraubt. Geraubt! Gestattet mindstens, dass sie folge. Wie werd ich stehn vor meines Herren Blick? Und dann, was wird aus ihr, die uns gefolgt In kinderhaft unschuldigem Beginnen, Vertrauen schoepfend aus dem Gaukelspiel, Des Zweck war, zu entfernen das Vertrauen? Ich kann nicht glauben, dass sie jenen liebt, Den Juengling Atalus, ist gleich sein Wesen Veraendert und gebessert seit der Zeit, Als er hinweg schied aus der wilden Fremde. Erst schien sie mir mit Neigung zugetan, Doch trieb mein Weigern, achtlos ernstes Mahnen Von mir sie fort zu ihm.--Sie liebt ihn nicht, Und doch geht jedes Wort, das sie ihm goennt, Wie Neid und Hass durch meine truebe Seele. Nur in der Nachtruh' erst, da fiel ihr Haupt Im Schlaf herabgesenkt an meine Brust, Ein staerkrer Atemzug klang wie ein Seufzer, So warm das Haupt, so suess des Atems Wehn, Mir drang es froestelnd bis ins tiefste Mark: Vielleicht denkt sie an ihn.--Da stand ich auf, Gab einem andern Kissen ihre Schlaefe Und ging heraus und plaudre mit der Nacht. Der Osten graut, der Tag, scheint's, will erwachen. Vielleicht erkenn ich nun des Weges Spur, Vielleicht, dass in der sonderbaren Oede Ein Wanderer--Horch, war das nicht ein Schritt? Was soll die Vorsicht da, wo Vorsicht hemmt? (An der linken Seite leise rufend.) Ist hier ein Mann? Geht jemand diese Wege? Nun wieder still.--Doch nein. Wer geht? Gebt Antwort! Knecht Kattwalds (der hinter ihm auftritt und ihn rueckwaerts fasst). Die Antwort hier! Leon. Verrat. Erster Knecht. Du selbst Verraeter! Zweiter Knecht (links im Vorgrunde auftretend). Ist er's? Erster Knecht (mit Leon ringend). Er macht sich los! Zweiter Knecht. Ich komme. Leon (hat sich losgerungen). Fort! Eh' nicht mein Amt vollendet, faengt mich niemand. (Er geht wieder nach der andern Seite.) Kattwalds Schaffer (kommt). So habt ihr sie? Erster Knecht. Dort einer. Schaffer. Nu, wo der, Dort sind die andern auch. Kommt nur heran! Galomir (tritt auf). Ha du! Das Maedchen wo? Eh, oh, mein Schwert. (Er zieht sein Schwert.) Schaffer. Seid ruhig nur, sie koennen nicht entrinnen. Leon. Lechzt ihr nach meinem Blut, wohl denn, hier bin ich; Die Rache sucht des Schadens Stifter ja. Wollt ihr das Maedchen, eures Herren Tochter? Ich will sie bitten, dass sie mit euch zieht, Und geht sie, gut; wenn nicht, so steht mein Blut (die Hand an ein dolchartiges Messer legend, das er im Guertel traegt) Fuer sie auch ein, wie ganz fuer jenen andern. Schaffer. Wo sind die beiden, sprich! Hier hilft kein Leugnen. Leon. Ich leugne nicht und habe nicht geleugnet. Hier sind sie, schaut, doch haltet euch entfernt. (Er hat die Tuere der Scheune geoeffnet, man sieht Atalus und Edrita in halb sitzender Stellung auf Strohbuendeln schlafend.) Ruehrt euch die Unschuld nicht ob ihrem Haupt? Wie Gottes Atem weht des Schlafes Atem Aus ihrer Brust, indes sie dort bei ihm. O Schlaf, du Anfang unsrer Seligkeit, Nur unterbrochen noch von truebem Wachen! Sprecht sachte, leise, dass ihr sie nicht weckt. (Er schliesst die Tuere.) Nun aber noch. Der erste, der sich naht, Er faellt, ein Opfer seines raschen Eifers. (Noch einmal die Hand am Messer.) Ist's einer auch nur, droht's doch allen gleich. Schaffer (da Galomir auf Leon eindringen will). Wozu auch ohne Not? er hat ein Waffen, Und jener andre steht, erwacht, ihm bei. Hier ist ja Metz, der Unsern starke Feste. Da drin sind Fesseln, Bande, sichre Kerker Und Helfer der gefahrlos lust'gen Jagd. Poch einer dort ans Tor, wir stehn und wachen. (Einer geht hin.) Leon. Nun denn, sie haben mich umstellt mit Netzen, Da hilft denn einer nur und der bist du! (Mit aufwaerts gestreckten Armen.) In deinem Auftrag ging ich in dies Land, Durch meines Herren Mund hast du gesprochen. Aus seiner frommen Werke reichem Schatz Gab er mir deinen Beistand auf die Reise, O nimm die Hilfe nicht, bevor sie half. Ich weiss, Unmoegliches schein ich zu heischen. Doch ist ja moeglich das nur, was du willst, Und was du nicht willst, das nur ist unmoeglich. Um mich nicht fleh ich, nein, fuer ihn, um sie. Ein Menschenleben, ach, es ist so wenig, Ein Menschenschicksal aber ist so viel. Beschirm sie gegen Feinde, gegen sich. Das Maedchen, zu den Ihren heimgekommen, Wird im Gewoehnen wild und arg wie jene. Und Atalus--Wir wissen's beide, Herr! Er ist nur schwach; kehrt er in neue Haft, Faellt er verzweifelnd ab von deinen Wegen; Sein Oheim aber segnet sich und stirbt. Das soll nicht sein, das darf nicht.--Nicht wahr, nein? (Er faellt auf die Knie.) Schaffer. Er ist verwirrt und spricht mit Luft und Wolken. (Nach rueckwaerts.) Kommt niemand noch? Leon. Horch! Welch bekannter Klang! (Aus der Stadt toent der entfernte Laut einer kleinen Glocke.) So toenen ja der Christen fromme Zeichen, Die Glaeubigen versammelnd zum Gebet. Schaffer. Du irrst, da drin sind keine Christenvoelker, Da ehrt man Wodan und den starken Teut. Man kommt. Leon. Wohlan, so gilt es denn das Letzte? Ich bitte nicht mehr Hilfe, nein, ich fordre-- Ich bitte immer noch, ich bitte, Herr! Als ich von deinem frommen Diener schied, Da leuchtete ein Blitz in meinem Innern; Von Wundern sprach's, ein Wunder soll geschehn. Und so begehr ich denn, ich fordre Wunder! Halt mir dein heilig Wort!--Weh dem, der luegt! (Er springt auf.) (Die Tore gehen auf, Gewaffnete treten heraus, unter ihnen ein Anfuehrer, glaenzend geharnischt.) Schaffer (der sich dem Tore genaehert, zurueckweichend). Die sind der Unsern nicht. Anfuehrer. Hier Feinde, greift! Schaffer (immer zurueckweichend). Ist das nicht Metz, der Unsern starke Feste? Anfuehrer. Noch ehegestern war's der Euern Stadt, Ein Ueberfall bei Nacht gab sie uns eigen, (Glockentoene von neuem) Und schon toent heller Klang der frommen Glocken, In Eile aufgerichtet, zum Gebet Und lockt zu glauben, die da liebend hoffen. Leon (zu Atalus und Edrita, die aus der Huette getreten). Hoert ihr? (Chorknaben kommen aus dem Tore.) Anfuehrer. Der fromme Kirchenvogt, er selber, Des Sprengel ueberall, wo Hilfe not, Er kam herbei in seines Herren Dienst, Zu streuen Aussaat christlicher Gesittung. Dort kommt er, seht! ergebt euch Gott und uns. (Gregor tritt heraus.) Leon (zu Atalus). Dort Euer Ohm! Lauft hin! Atalus (auf ihn zueilend). O Herr! Mein Herr! Gregor. Mein Atalus! Mein Sohn!--Gott, deine Gnade. (Sie halten sich umarmt.) Leon (Edritas Gesicht zwischen beide Haende fassend). Edrita, schau! Da sind wir bei den Unsern. (Sie loslassend.) Ja so, du bist im Ganzen doch der dunkle Fleck. Edrita (sich von ihm abwendend). Bin ich? Da muss ich mich denn selber reinen. Gregor. So halt ich dich in diesen meinen Armen! (Atalus will sich vor ihm auf die Knie niederlassen, er hebt ihn auf.) Ich habe viel um dich gesorgt, mein Sohn, Nicht nur, wie du der Haft wohl frei und ledig, Nein, um dich selbst, um all dein Sein und Tun. Ein Schleier fiel von dem bestochnen Auge. Du bist nicht, wie du sollst. Wir wollen sehn, Ob wir durch Sorgfalt kuenftig das ersetzen. Nun aber sag, kamst du allein hierher, War nicht ein andrer bei dir, den ich sandte? Atalus (auf Leon zugehend). Dort steht er, dem ich's danke. Dort mein Schutz. Gregor. Ha, du, mein toller Bursch. Mein Wackrer, Treuer! Hier meine Hand! Nicht kuessen, druecken--So. Nu, huebsch gelogen? Brav dich was vermessen? Mit Lug und Trug verkehrt? Ei ja, ich weiss. Leon. Nu, gar so rein ging's freilich denn nicht ab. Wir haben uns gehuetet, wie wir konnten. Wahr stets und ganz war nur der Helfer: Gott! Gregor. Das ist er auch in allen seinen Wegen. (Zum fraenkischen Anfuehrer.) Und so, in seinem Namen, bitt ich Euch, Lasst los die Maenner hier, goennt ihnen Heimkehr. (Auf Galomir und die Seinen zeigend.) Es waere denn, es fuehlte einer Trieb, Im Schoss der Kirche--Nun, sie wollen nicht, Geht immer nur mit Gott. Hier ist kein Zwang. Am Ende zwingt die Wahrheit jeden doch, Sie braucht nicht aeussre Helfer und Beschuetzer. Waer' sie auch Wahrheit sonst? Zieht hin in Frieden. Galomir (auf Edrita zeigend). Die dort? Schaffer. Benuetzt die Freiheit, die sie goennen, Eh' sie's gereut. Sie sind wohl toericht g'nug. (Er zieht ihn nach sich. Die Seinigen folgen, von einigen Gewaffneten geleitet.) Gregor (der einige Schritte nach der Stadt gemacht hat). Ihr steht noch immer da, folgt nicht zur Stadt? Atalus. Hier ist noch eine, Herr, die deiner harrt. (Edrita tritt vor.) Sie ist des Kattwald, meines Hueters, Tochter. Gregor (stark). Leon, tatst du mir das? Leon. Verzeiht, o Herr-- Edrita. Er wird Euch sagen, dass nicht er es war, Dass wider seinen Willen fast ich folgte. Auch ist es so. Gregor. Was brachte dich dazu? Edrita. Was mich zuerst zu diesem Schritt bewog, Ich wusst' es damals nicht, nun aber weiss ich's, Doch sei's vergessen auch fuer jetzt und stets. Der zweite Grund, der edlere, der reine, Er bleibt, wie damals, also jetzt und immer. Du botst nur erst den Maennern unsres Volks Der Kirche Heil, sie aber wollten nicht; Schau eine hier, die wollte und die will, Nimm auf mich in die friedliche Gemeine. Gregor. Und ohne deines Vaters Willen denn? Edrita. Holt er sie selbst, gib ihm zurueck die Christin, Dem Christen nur, vertrau ich, gibst du sie. So pflanzt sich fort des Guten schwacher Same, Und kuenftig Heil entspriesset fuer mein Volk. Gregor. Mir ziemt's zu kargen nicht mit dem, was aller, Und deinen Vorsatz weis ich nicht zurueck. Atalus. Und dann noch eins! Ich will ihr wohl, o Herr, Und wenn-- Gregor. Was nur? Atalus. Wenn du's gestattest, wollt, ich-- Gregor. Was Neues denn? das war sonst nicht dein Sinn. Atalus. Als ich gefangen lag in harten Banden, War sie die einz'ge, die nicht rauh und wild. Dann auf der Reise hielt sie sich an mich, Nahm meinen Arm, und sonst auch--Herr, du siehst. Gregor. Ich sehe, dass sie hold und wohlgetan. Atalus. Auch stammt sie von dem Grafen her im Rheingau. Gregor. Und also, meinst du? auch dir ebenbuertig? Gib nicht fuer einen Ahn, so alt er ist, Den aeltsten auf, den ersten aller Ahnen, Ihn, der da war, eh' noch die Sonne war, Der niedern Staub geformt nach seinem Bild. Des Menschen Antlitz ist sein Wappenschild. Ich hatte andre Absicht wohl mit dir, Doch wenn es Gottes Willen nun-- (Zu Edrita.) Und du? Edrita. Ich denk vorerst in Einsamkeit zu leben, Was du sodann gebeutst, das will ich tun. Gregor. Die Zukunft mag denn lehren, was sie bringt. Vorerst reich ihm als Schuetzer deine Hand. Leon (da Atalus die Hand ausstreckt und Edrita im Begriff ist, die ihre zu heben). O Herr! Gregor. Was ist?--Warum stehst du so fern? Leon. Ich nahe denn, um Urlaub zu begehren. Gregor. Urlaub, warum? Leon. Das Reisen wird Gewohnheit, Reist einer nur ein Stueck mal in die Welt. Und dann, Ihr wisst, mich trieb wohl stets die Lust, Im Heer des Koenigs-- Gregor. Das waer's? Leon. Ja, das ist's. Gregor. Dich treibt ein andrer Grund. Leon. Fuerwahr, kein andrer. Gregor. Weh dem, der luegt! Leon. Man sollte ja doch meinen-- Gregor. Noch einmal weh! dem Luegner und der Luege. Leon. Nun, Herr, das Maedchen liegt mir selbst im Sinn. Will sie mich nicht, mag sie ein andrer haben. Doch zusehn eben, wie man sie vermaehlt-- Edrita (auf ihrem Platze bleibend). Leon. Leon. Ja, du. Edrita. Leon, und ich-- Leon. Wie nur? Edrita. War ich gleich anfangs dir nicht denn geneigt? Leon. Doch in der Folge kam's gar bitter anders. Du gingst mit Atalus. Edrita. Ei, gehen musst' ich, Du aber stiessest grausam mich zurueck. Leon (auf Gregor zeigend). Es war ja wegen dem. Er litt es nicht. Sollt' ich mit Raub und Diebstahl zu ihm kehren? Edrita. Du aber stahlst mein Inneres und hast's. Leon. Und willst dich doch vermaehlen? Edrita. Ich? (Mit gefalteten Haenden den Bischof vertrauensvoll anblickend.) O nein. Gregor. Wer deutet mir die buntverworrne Welt! Sie reden alle Wahrheit, sind drauf stolz, Und sie beluegt sich selbst und ihn; er mich Und wieder sie; der luegt, weil man ihm log-- Und reden alle Wahrheit, alle. Alle. Das Unkraut, merk ich, rottet man nicht aus, Glueck auf, waechst nur der Weizen etwa drueber. (Zu Atalus.) Es steht nicht gut fuer uns; was denkst du, Sohn? Atalus (nach einer Pause). Ich denke, Herr, das Maedchen dem zu goennen, Der mich gerettet, ach, und den sie liebt. Gregor. So recht, mein Sohn, und dass dir ja kein Zweifel Ob ihres Gatten Rang und Stand und Ansehn; Von heut an, merk! Hab ich der Neffen zwei. Der Koenig tut mir auch wohl was zuliebe, Da frei' er immer denn das Haeuptlingskind. Du bist betruebt. Heb nur dein Aug' vom Boden, Du wardst getaeuscht im Land der Taeuschung, Sohn! Ich weiss ein Land, das aller Wahrheit Thron; Wo selbst die Luege nur ein buntes Kleid, Das schaffend Er genannt: Vergaenglichkeit, Und das er umhing dem Geschlecht der Suenden, Dass ihre Augen nicht am Strahl erblinden. Willst du, so folg, wie frueher war bestimmt, Dort ist ein Glueck, das keine Taeuschung nimmt, Das steigt und waechst bis zu den spaetsten Tagen. Und diese da (mit einer Bewegung der verkehrten Hand sich umwendend) sie moegen sich vertragen. (Da Leon und Edrita sich in die Arme stuerzen und Gregor eine Bewegung fortzugehen macht, faellt der Vorhang.) Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Weh dem, der luegt!, von Franz Grillparzer. End of the Project Gutenberg EBook of Weh dem, der luegt, by Franz Grillparzer *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WEH DEM, DER LUEGT *** This file should be named 7whdm10.txt or 7whdm10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7whdm11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7whdm10a.txt Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau. Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. 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If the value per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 If they reach just 1-2% of the world's population then the total will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! This is ten thousand titles each to one hundred million readers, which is only about 4% of the present number of computer users. Here is the briefest record of our progress (* means estimated): eBooks Year Month 1 1971 July 10 1991 January 100 1994 January 1000 1997 August 1500 1998 October 2000 1999 December 2500 2000 December 3000 2001 November 4000 2001 October/November 6000 2002 December* 9000 2003 November* 10000 2004 January* The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. We need your donations more than ever! 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