The Project Gutenberg EBook of Auf Der Universitat Lore, by Theodor Storm Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. Auf der Universitaet Lore Theodor Storm Ich hatte keine Schwester, welche mir den Verkehr mit Maedchen meines Alters haette vermitteln koennen; aber ich ging in die Tanzschule. Sie wurde zweimal woechentlich im Saale des staedtischen Rathauses gehalten, welches zugleich die Wohnung des Buergermeisters bildete. Mit dessen Sohn, meinem treuesten Kameraden, waren wir acht Taenzer, saemtlich Sekundaner der Lateinischen Schule unsrer Vaterstadt. Nur in betreff der Taenzerinnen hatte sich anfaenglich eine scheinbar unueberwindliche Schwierigkeit herausgestellt; die achte standesmaessige Dame war nicht zu beschaffen gewesen. Allein Fritz Buergermeister wusste Rat. Eine fruehere bei allen Festschmaeusen von der Frau Buergermeisterin noch immer zugezogene Koechin seiner Eltern war an einen Flickschneider verheiratet, einen gelben hagern Menschen mit franzoesischem Namen, der lieber im Wirtshaus das grosse Wort, als auf seinem Schneidertisch die Nadel fuehrte. Die Leute wohnten am Ende der Stadt, dort, wo die Strasse dem Schlossgarten gegenueberliegt. Das schmale Haeuschen mit der grossen Linde davor, welche das einzige neben der Tuer befindliche Fenster fast ganz beschattete, war uns wohlbekannt; wir waren oft daran voruebergegangen, um einen Blick des huebschen Maedchens zu erhaschen, das hinter den Reseda- und Geranientoepfen an einer Naeharbeit zu sitzen pflegte und in unsern Knabenphantasien eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Es war das einzige Kind des franzoesischen Schneiders, ein dreizehnjaehriges zierliches Maedchen, das auch in der Kleidung, trotz der geringen Mittel, von der Mutter in grosser Sauberkeit gehalten wurde. Die braeunliche Hautfarbe und die grossen dunkeln Augen bekundeten die fremdlaendische Abkunft ihres Vaters; und ich entsinne mich noch, dass sie ihr schwarzes Haar sehr tief und schlicht an den Schlaefen herabgestrichen trug, was dem ohnehin kleinen Kopfe ein besonders feines Aussehen gab. Fritz und ich waren uns bald miteinander einig, dass Leonore Beauregard die achte Dame werden muesse. Zwar hatten wir mit Hindernissen zu kaempfen; denn die uebrigen kleinen Fraeulein und "gnaedigen" Fraeulein wurden sehr serioes und einsilbig, als wir unsern Vorschlag mitzuteilen wagten; allein die Kuenste ihres Lieblingssohnes hatten die Buergermeisterin auf unsre Seite gebracht, und vor dem heitern und resoluten Wesen dieser wackern Frau vermochten weder die geruempften Naeschen der kleinen Damen, noch, was gefaehrlicher war, die bestimmten Einwaende ihrer Muetter standzuhalten. So waren wir denn eines Nachmittags unterwegs nach dem Haeuschen des franzoesischen Schneiders.--Sonst hatte ich oft wohl bedauert, dass meine Kameradschaft mit dem Sohne unsers Haustischlers eingegangen war, dessen Schwester fast taeglich mit der kleinen Beauregard verkehrte; ich hatte auch wohl daran gedacht, die Bekanntschaft wieder anzuknuepfen und mich in der Werkstatt seines Vaters in der Schreinerei unterweisen zu lassen; denn Christoph war im uebrigen ein ehrlicher Junge und keineswegs auf den Kopf gefallen; nur dass er auf die Schueler der Gelehrtenschule, "die Lateiner", wie er mit einer unangenehmen Betonung sagte, einen wunderlichen Hass geworfen hatte; auch pflegte er sich unter Beihilfe gleichgesinnter Freunde auf dem Exerzierplatz von Zeit zu Zeit mit den Lateinern nach Leibeskraeften durchzupruegeln, ohne dass jedoch durch diese Schlachten ein Ende des Krieges erzielt waere. Nun bedurfte ich jener Vermittlung nicht; denn schon waren wir vor dem Hause und schritten ueber die gelben Blaetter der Linde, die der Novembersturm herabgefegt hatte, auf die niedrige Haustuer zu. Bei dem Klingeln der Schelle kam uns Frau Beauregard aus der Kueche entgegen, und nachdem sie sich sorgsam ihre Haende an der weissen Schuerze abgetrocknet, wurden wir in das kleine Wohnstuebchen genoetigt. Es war schwer, in dieser blonden untersetzten Frau die Mutter der zarten dunkeln Maedchengestalt zu erkennen, die jetzt bei unserm Eintritt von der Naeharbeit aufsprang und sich dann mit einem Ausdruck zwischen Neugier und Verlegenheit an die Schatulle lehnte. Waehrend Fritz unser Anliegen vorbrachte, ueberflog ein helles Rot ihr Gesichtchen, und ich sah, wie ihre Augen leuchteten und groesser wurden; als aber die Mutter schwieg und nachdenklich den Kopf schuettelte, stahl sie sich leise hinter ihrem Ruecken fort und verschwand durch eine anscheinend in die Schlafkammer fuehrende Tuer. --Ich warf einen Blick nach dem Tische, vor dem sie bei unserm Eintritt gesessen hatte. Zwischen Baendern und anderm Maedchenkram standen ein Paar schmale Lastingschuehchen, fertig bis auf die Einfassung, womit, wie es schien, das Maedchen sich soeben noch beschaeftigt hatte. Die Dinger waren beunruhigend klein, und meine Knabenphantasie liess nicht nach, sich die Fuesschen vorzustellen, die mutmasslich dahinein gehoerten; mir war, als saeh ich sie schon im Tanze um die meinen herumwechseln, ich hatte sie bitten moegen, nur einen Augenblick standzuhalten; aber sie waren da und waren wieder fort und neckten mich unaufhoerlich. Waehrend dieser visionaeren Traeumerei hatte die Frau Beauregard mit meinem Freunde, dem ich, wie billig, das Wort ueberlassen musste, Gruende und Gegengruende auszutauschen begonnen, bis sich die Sache, nachdem auch der Name der Buergermeisterin in die Waagschale gelegt war, mehr und mehr zu unsern Gunsten neigte. "Und da stehen ja schon die Tanzschuhe!" sagte Fritz. "Ist Herr Beauregard denn auch ein Schuhmacher?" Die Frau schuettelte den Kopf. "Sie wissen ja wohl, Fritz, dass er, leider Gottes, ein Tausendkuenstler ist! Er musste Ihnen doch auch Ihre Taschenuhr im Fruehjahr reparieren!--Die Schuehchen hat der dem Kinde auf Weihnachten schon im voraus gemacht." "Nun, Margret, und meine Mutter hat einen ganzen Koffer voll schoener alter Kleider; da koennt Ihr neue daraus schneidern fuer die Lore; es reicht jedes wenigstens ein vierteldutzendmal fuer sie." Die Alte laechelte; aber sie wurde wieder ernst. "Ich weiss nicht", sagte sie, "es sollte nicht sein; aber wenn die Frau Buergermeisterin es meint!" Das Maedchen war indessen wieder eingetreten und hatte sich neben die Mutter gestellt. Es entging mir nicht, dass sie ein weisses Kraegelchen umgetan hatte; auch meinte ich, die Ohrringe mit den roten Korallenknoepfchen vorhin nicht an ihr gesehen zu haben. "Was meinst du, Lore?" sagte Fritz, waehrend die Mutter noch immer nachdenklich und unschluessig dreinsah, "hast du Lust, mit uns zu tanzen?" Sie antwortete nicht; aber sie fasste die Mutter mit beiden Haenden um den Hals und fluesterte ihr zu, waehrend ihr Antlitz mit immer tieferm Rot ueberzogen wurde. "Fritz", sagte die Alte, indem sie sich sanft des ungestuemen Maedchens erwehrte, "ich wollte, Sie haetten mir die Geschichte erst allein erzaehlt; es waere dann nichts daraus geworden. So habt ihr mir nun einmal das Maedel auf den Hals gehetzt; ich weiss es schon, sie laesst mir keine Ruh!"-- Wir hatten also gesiegt. "Mittwoch abend um sieben Uhr!" rief Fritz noch im Fortgehen; dann traten wir, von Mutter und Tochter zur Tuer begleitet, aus dem Hause.--Als wir uns nach einer Weile umblickten, stand nur noch unsre junge Freundin da; sie nickte uns ein paarmal zu und lief dann rasch ins Haus zurueck. Am Tage darauf war, wie mir Fritz vertraute, die Frau Beauregard bei seiner Mutter gewesen, hatte mit ihr eine geraume Zeit in der Kleiderkammer gekramt und dann mit einem wohlgefuellten Paeckchen das Haus verlassen. Am Mittwochabend war die Tanzstunde. Ich hatte mir die lackierten Schuhe mit Stahlschnallen und die neue Jacke erst im letzten Augenblick von Schuster und Schneider herausgepocht und fand schon alles versammelt, als ich in den Saal trat. Meine Kameraden standen am Fenster um den alten Tanzmeister, der mit den Fingern auf seiner Geige klimperte und dabei die Wuensche seiner jungen Scholaren entgegennahm. Unsre Taenzerinnen gingen in Gruppen, die Arme ineinander verschraenkt, im Saale auf und ab. Leonore war nicht unter ihnen; sie stand allein unweit der Tuer und blickte finster zu den lebhaft plaudernden Maedchen hinueber, die sich so frei und unbehindert in dem fremden vornehmen Hause zu fuehlen schienen und sich so gar nicht um sie kuemmerten. Nichts ist selbstsuechtiger und erbarmungsloser als die Jugend. Aber gleich nach mir war die Buergermeisterin eingetreten. Nachdem sie die junge Gesellschaft begruesst und, wie Fritz sich ausdrueckte, einen ihrer Generalsblicke im Saal umhergeworfen hatte, schritt sie auf Lore zu und nahm sie bei der Hand. "Damit die Paerchen zueinander passen!" sagte sie zu dem Tanzmeister. "Rangieren Sie einmal die Kavaliere!"--Dann, waehrend dieser ihrem Auftrag Folge leistete, wandte sie sich zu den Maedchen und begann mit ihnen dieselbe Prozedur. Die blonde Postmeistertochter war die laengste, fast um einen Kopf hoeher als alle uebrigen. Sie wurde uns gegenueber an der Wand aufgestellt; dann nicht war die Sache zweifelhaft. "Ich weiss nicht, Charlott'", sagte die Buergermeisterin, "du oder Lore! Ihr scheint mir ziemlich egal zu sein!" Die Angeredete, die Tochter des Kammerherrn und Amtmanns, retirierte einen Schritt. "Mamsell Lore wird wohl die groessere sein", sagte sie leichthin. "Ei was, kleine Gnaedige", rief die Mutter meines Freundes, "komm nur heraus aus deiner Ecke und miss dich einmal mit der Mamsell Lore!" Und die kleine Dame musste hervor und sich dos-a-dos mit der Schneidertochter messen; aber--ich hatte ein scharfes Auge darauf-- sie wusste es dennoch so zu machen, dass sie den dunkeln Kopf der Handwerkertochter mit dem ihrigen kaum beruehrte. Das junge Fraeulein war in lichte Farben gekleidet; Lenore trug ein schwarz und rot gestreiftes Wollenkleid, um den Hals einen weissen Florschal. Die Kleidung war fast zu dunkel; sie sah fremdartig aus; aber es stand ihr gut. Die Buergermeisterin musterte die beiden Maedchen. "Charlott'", sagte sie, "du bist sonst immer die Meisterin gewesen; nimm dich in acht, dass die dir nicht den Rang ablaeuft; sie sieht mir gerade danach aus." Mir war, als saeh ich bei diesen Worten die schwarzen Augen des Maedchens blitzen. Nach einer Weile wurden die Paare formiert. Ich war der zweite in der Reihe der Knaben, und Lore wurde meine Dame. Sie laechelte, als sie ihre Hand in meine legte. "Wir wollen sie um und um tanzen!" sagte ich.--Und wir hielten Wort. Es sollte zunaechst eine Mazurka eingeuebt werden, und schon zu Ende dieser ersten Lehrstunde, da eine Tour nicht gehen wollte, klopfte unser alter Maestro mit dem Bogen auf den Geigendeckel: "Kleine Beauregard! Herr Philipp! Machen Sie einmal vor!" Und waehrend er die Melodie zugleich geigte und sang, tanzten wir.--Es war keine Kunst, mit ihr zu tanzen, ich glaube, es haette niemandem missgluecken koennen; aber der alte Herr rief ein begeistertes "Bravo!" nach dem andern, und die wackere Frau Buergermeisterin lehnte sich vor Behagen laechelnd weit zurueck in ihrem Sofa, wo sie seit Beginn des Unterrichts als aufmerksame Zuschauerin Platz genommen hatte. Fraeulein Charlotte war meinem Freunde Fritz als Partnerin zugefallen, und ihr lebhaftes Wesen schien, wie ich gern bemerkte, ihn bald seine anfaengliche Begeisterung fuer die Schneidertochter vergessen zu machen. Da ich die letztere aber jetzt gewissermassen als mein Eigentum betrachtete, so war ich eifersuechtig auf die Schoenheit und Eleganz meiner Dame, und ein verweilender Blick ihrer tadellos gekleideten Nebenbuhlerin, dem meine Augen gefolgt waren, hatte mich belehrt, dass die Beschuetzerin des schoenen Maedchens dennoch eines nicht genuegend bedacht hatte. Die Handschuhe waren zu gross fuer diese schmalen Haende; sie waren offenbar auch schon gewaschen. Am andern Morgen, sobald ich aus der Klasse kam, liess es mir keine Ruhe mehr. Ich machte mich ueber den Schrank, worin meine blecherne Sparbuechse aufbewahrt wurde, und grub und schuettelte so lange, bis ich aus dem Spalt einen harten Taler neben der roten Tuchzunge hervorgearbeitet hatte. Dann rannte ich in einen Kaufladen.-- "Ich wollte kleine Handschuhe!" sagte ich nicht ohne Beklommenheit. Der Ladendiener warf einen sachverstaendigen Blick auf meine Hand. "Nummer sechs!" meinte er, waehrend er die Handschuhschachtel auf den Tisch stellte. "Geben Sie mir Nummer fuenf!" bemerkte ich kleinlaut. "Nummer fuenf?--Wird wohl nicht passen!" und er machte Anstalt, die Handschuhe ueber meine Hand zu spannen. Es stieg mir siedend heiss ins Gesicht. "Sie sollen nicht fuer mich!" sagte ich und bedauerte mehr als jemals den Mangel einer Schwester, auf die ich den Handel haette bringen koennen. Aber ich war entzueckt von den kleinen Handschuhen mit den weissen seidenen Baendchen, die nun vor mir ausgebreitet lagen. Ich kaufte zwei Paar, und bald nachdem ich den Laden verlassen, hatte ich einen Jungen von der Strasse aufgefischt. "Bring das an die Lore Beauregard", sagte ich, "einen Gruss von der Frau Buergermeisterin, hier waeren die Handschuhe fuer die Tanzstunde! Und dann bring mir Bescheid; ich warte hier an der Ecke auf dich." Nach zehn Minuten war der Junge wieder da. "Nun?" "Ich hab' sie der Alten gegeben." "Was sagte die Alte?" "Es waere zuviel; die Frau Buergermeisterin haette diesen Morgen ja schon ein Paar geschickt." Gut! dachte ich; so merkt sie nichts. In der naechsten Tanzstunde trug Lore die neuen Handschuhe; ich weiss nicht, ob die meinen oder die von der Buergermeisterin; aber sie lagen wie angegossen um das schlanke Handgelenk; und nun sah keine vornehmer aus als Lore in ihrem dunkeln Kleide. Die Lehrstunden gingen nun ihren ebenen Lauf. Nachdem die Mazurka eingeuebt war, kam ein Kontertanz an die Reihe, in welchem Fritz und Lore zusammen tanzten.--Ein Verhaeltnis dieser zu den andern Maedchen wollte sich indessen nicht herausstellen, nur mit der langen Jenni, welche die aelteste und, wie ich glaube, die kluegste von ihnen war, sah ich sie ein paarmal im Gespraech zusammensitzen; auch auf dem Heimwege, der beiden bis auf eine kleine Strecke gemeinschaftlich war, legte Jenni wohl einmal ihren Arm auf den der Schneidertochter. Sonst stand diese zwischen dem Tanzen meist allein, wenn nicht der alte Lehrer mit seiner Geige einmal zu ihr trat und ihr einen oder andern Ballettsprung aus den Zeiten seiner Jugend vormachte, um seinen Liebling in die aeussersten Feinheiten der Kunst einzuweihen. Oft habe ich verstohlen zu ihr hinuebergeblickt, wie sie scheinbar teilnahmslos dem alten Mann zuhoerte, nur mitunter die schwarzen Augen zu ihm aufschlagend oder still und wie nur andeutungsweise eine seiner kuenstlichen Figuren nachmachend. Aber wenn wir angetreten waren und der Maestro seine Geige zu streichen begann, wurde es anders. Zwar schien sie an nichts weniger zu denken als an die Tritte und Wendungen des Tanzes, es war fast, als blickten ihre Augen in entlegene Fernen; aber waehrend ihre Gedanken weit entrueckt schienen, laechelte ihr Mund, und ihre kleinen Fuesse streiften lautlos und spielend ueber den Boden. --"Lore, wo bist du?" fragte ich dann wohl, waehrend ich ihr in der Tour die Hand reichte.--"Ich?" rief sie und strich, wie aus Traeumen auffahrend, ihr schwarzes Haar zurueck, waehrend die Wendung des Tanzes sie mir schon wieder entfuehrt hatte.--Noch jetzt, wenn ich die spanische Tanzweise in Silchers auslaendischen Volksmelodien hoere, kann ich immer nur an sie denken. Einigermassen hinderlich--ich will es nicht leugnen--war es mir, dass seit den Tanzstunden der franzoesische Schneider mich mit einer auffaelligen Gunst beehrte. Wo er mir nur begegnete, auf Strassen oder Spazierwegen, suchte er mich zu stellen und ein moeglichst lautes und langes Gespraech mit mir anzuknuepfen. Schon das erstemal erzaehlte er mir, dass sein Grossvater unter Louis seize Ofenheizer in den Tuilerien gewesen war. "Ja, Monsieur Philipp" sagte er mit einem Seufzer und praesentierte mir seine porzellanene Schnupftabaksdose, "so kann eine Familie herunterkommen!--Aber meine Lore--Sie verstehen mich, Monsieur Philipp!"--Er zog ein buntgewuerfeltes Schnupftuch aus der Tasche und trocknete sich die kleinen schwarzen Augen. "Was wollen Sie! Ich bin ein armer Kerl, aber das Kind--sie ist mein Bijou, der Abgott meines Herzens!" Und dabei blinzelte er und warf mir einen so vaeterlichen Blick zu, als gedenke er auch mich in die heruntergekommene Familie aufzunehmen. Mittlerweile kam die letzte Tanzstunde heran, die zu einem kleinen Ball erweitert werden sollte. Die Eltern waren eingeladen, um uns tanzen zu sehen; von den meinigen hatte indessen nur meine Mutter zugesagt, mein Vater wurde durch seinen Beruf als Arzt und Bezirksphysikus von jeder Geselligkeit ferngehalten. Da meine Ungeduld, sobald der Abend anbrach, mir keine Ruhe liess, so trat ich schon vor der angesetzten Stunde in den Saal, in welchem heute auf den Wandleuchtern und in den Glaskronen alle Kerzen brannten. Als ich mich umblickte, bemerkte ich Lore ganz allein mit dem Ruecken gegen mich an einem Fenster stehend. Bei dem Geraeusch der zufallenden Tuer schrak sie sichtlich zusammen, waehrend sie mit Hast bemueht schien, einen goldenen Schmuck von ihrer Hand zu streifen. Als ich zu ihr getreten, sah ich, dass es ein Armband war, dessen Schloss sie vergeblich zu oeffnen sich bemuehte. "So lass es doch sitzen, Lore!" sagte ich. "Es gehoert nicht mein!" antwortete sie verlegen, "Jenni hat es hier vergessen." Die feine Blumenrosette von mattem venezianischem Golde lag so schimmernd auf dem braunen schlanken Handgelenk. "Es sollte bleiben, wo es ist", sagte ich leise. Lore schuettelte traurig den Kopf, und ihre Finger begannen aufs neue an dem Schloss zu nesteln. "Komm", sagte ich, "es geht ja nicht; ich will dir helfen!"--Ich fuehlte die leichte Last ihrer schmalen Hand in der meinen; ich zoegerte, meine Augen waren wie verzaubert. "Oh, bitte, geschwind!" bat sie. Mit niedergeschlagenen Augen, wie mit Blut uebergossen stand das Maedchen vor mir. Endlich sprang das Schloss auf, und Lore legte den goldenen Schmuck schweigend zwischen die Blumentoepfe auf die Fensterbank. Gleich darauf fuellte sich der Saal. Auch Frau Beauregard hatte es sich nicht nehmen lassen, wenigstens als Aufwaerterin an dem Ehrenfeste ihres Kindes teilzunehmen. In einer frisch gestaerkten Haube, bald mit Kuchenkoerben, bald mit einem grossen Praesentierteller beladen, ging sie zwischen den Gaesten ab und zu.--Endlich begannen die Musikanten anzustreichen, deren heute vier an einem Tische sassen. Der alte Tanzmeister klopfte auf den Geigendeckel, und Lore reichte mir die Hand zur Mazurka.--Und, oh, wie tanzten wir! Wie sicher lag sie in meinem Arm, mit welcher Verachtung stampften die kleinen Fuesse den Boden! Auch mich riss es hin, als wenn ich von den Rhythmen der Musik getragen wuerde. Es war wie eine schmerzliche Leidenschaft; denn wir tanzten heute, vielleicht auf immer, zum letztenmal zusammen. Erst jetzt hatte ich bemerkt, dass Lore ein Kleid von leichtem hellgebluemtem Wollstoff trug. Es war wie das vorige augenscheinlich aus der Garderobe ihrer Goennerin hervorgegangen; denn auf der breiten Brust und bei den etwas kupferigen Wangen der Frau Buergermeisterin hatten diese farbigen Rosenbuketten im letzten Winter eine Art von komischer Beruehmtheit erlangt; nun aber kam das zarte Muster zu seiner Geltung; dem frischen braunen Maedchenantlitz stand es wunderhuebsch. Die Mazurka war getanzt; Lore liess wieder ihr dunkles Koepfchen und die schlanken Arme sinken, und ich fuehrte sie an ihren Platz.-- Fritz und Charlotte, die ebenfalls abgetreten waren, sassen dicht daneben. In demselben Augenblick kam auch Frau Beauregard mit Tee und Kuchen; sie sprach nicht zu ihrer Tochter, sie warf nur einen laechelnden stolzen Blick auf sie, als sie nach der vornehmen Dame auch ihr praesentieren durfte. Die kleine Gnaedige hatte schon eine Weile beide mit der ihr eigentuemlichen Laessigkeit gemustert. "Ihre Tochter ist ja heute sehr schoen, Frau Beauregard!" sagte sie, waehrend sie den Zucker in die Tasse fallen liess. Die geschmeichelte Frau neigte sich verbindlich. "Gnaediges Fraeulein, Frau Buergermeisterin haben auch ausgeholfen." "Ach!--Darum auch!--Die Rosenbuketts!"--Und sie liess einen langen Blick ueber Lenore hingleiten. Diese wollte ihr erwidern, aber ihre Augen verdunkelten sich; ich sah, wie ein paar Traenen ihr ueber die Wangen herabfielen. Charlotte schien das nicht zu bemerken; ihre Aufmerksamkeit hatte sich nach der offenstehenden Tuer gerichtet, wo ich zu meinem Schrecken unter den Koepfen der zuschauenden Dienstboten das gelbe Gesicht des franzoesischen Schneiders auftauchen sah. Er schien ganz a son aise, drehte die Porzellandose in der Hand und blickte mit seinen schwarzen Augen freudestrahlend in den Saal hinein. "Ist das Ihr Vater, Mamsell Lore?" fragte Charlotte, indem sie mit dem Finger nach der Tuer wies. Lenore blickte hin und fuhr zusammen. "Mutter!" rief sie und fasste wie unwillkuerlich den Arm der noch vor uns beschaeftigten Frau. Frau Beauregard, als nun auch sie ihren lebhaft gestikulierenden Eheherrn bemerkte, schien von dessen Anwesenheit keineswegs erbaut; aber sie nahm sich zusammen. "Er kommt aus der Herberge", sagte sie, "er will dich einmal tanzen sehen." Waehrend Lore, der ich unwillkuerlich folgte, sich der Tuer genaehert hatte, war schon der Buergermeister zu ihrem Vater getreten und lud ihn ein, sich ein Glas Punsch im Saal gefallen zu lassen. Aber der Schneider war nicht zu bewegen. "Submissester Serviteur, Herr Buergermeister!" sagte er, indem er mit einem Katzenbuckel noch einen Schritt weiter retirierte. "Wenn ich mein Grossvater vom Hofe Ludwigs des Sechzehnten waere!--So aber kenne ich meine Stellung." Als der Buergermeister weggegangen, brachte Fritz ihm ein Glas an die Tuer. "Wohl bekomm's, Meister!" sagte er gutmuetig. "Jetzt werd ich mit der Lore tanzen! Die versteht's." Aber in demselben Augenblick war auch der Schwarm der andern Knaben mit vollen Glaesern in der Hand herangekommen. Sie stiessen mit ihm an, machten ihm seinen Katzenbuckel nach, den er ihnen jedesmal beim Anklingen zum besten gab, und ergingen sich in allerlei possenhaften Komplimenten. Lore stand, ohne sich zu ruehren, und liess kein Auge von ihrem Vater; aber ich hoerte, wie ihre kleinen Zaehne aufeinanderknirschten. Als die Musikanten wieder zu stimmen begannen, liefen die uebrigen Knaben in den Saal zurueck. Ich stand noch mit Lore an der Tuer. "Ah, Monsieur Philipp", rief der Schneider, waehrend er mir die Hand reichte, "lauter liebe, scharmante junge Herren! Aber im Vertrauen --Sie und die Lore, Sie und die Lore, Monsieur Philipp!" Die kleinen schwarzen Augen richteten sich dabei mit bewundernder Zaertlichkeit auf das Antlitz seines Kindes; wie aus unwiderstehlichem Antrieb streckte er seinen langen Arm in den Saal hinein und zog sie an seine Brust. "Mein Kind, mon bijou!" fluesterte er. Und das Maedchen kuesste ihn und warf ihre Arme mit leidenschaftlicher, schmerzlicher Zaertlichkeit um seinen Hals, waehrend ihr feines Koepfchen an seiner Schulter ruhte. Dann aber machte sie sich los und fasste seine Haende und sprach leise und eindringlich zu ihm. Ich verstand ihre Worte nicht; aber ich sah ihre Augen bittend auf die seinen gerichtet und ihre kleine Hand, die mitunter, als wolle sie ihm ein Leid vergueten, zittern ueber seine hagern Wangen hinstrich. Zuerst schuettelte er laechelnd und wie unglaeubig den Kopf; allmaehlich aber verschwand aus seinen Augen die freudestrahlende Sicherheit, womit er bisher seinen Platz behauptet hatte. "Ich weiss, ich weiss", murmelte er, "du liebst deinen armen alten Vater!" Und als nun die Musik zum Kontertanz begann, drueckte er seiner Tochter die Hand und ging stumm und ohne auch nur einen Blick noch in den Saal hineinzuwerfen, den langen Hausflur hinab. In diesem Augenblick kam Fritz und holte seine Dame.--Sie tanzte mit der gewohnten Sicherheit; nur war es nicht die sonstige sorglose Traeumerei, als vielmehr eine grazioese Feierlichkeit, womit sie die Touren dieses Tanzes ausfuehrte. Mitunter in den Pausen blickte sie wie versteinert vor sich hin, waehrend sie mit beiden Haenden ihr glaenzend schwarzes Haar an den Schlaefen zurueckstrich. Die Scherze ihres Taenzers schienen ungehoert ihrem Ohr vorbeizugehen. Mit dem Kontertanz waren unsre einstudierten Taenze zu Ende; aber nicht unsre Tanzlust. Wir hatten noch Walzer, Schottisch und Galoppaden auf unserm Zettel; sogar einen Kotillon, wozu ich in Gedanken an Lore einen ausgesuchten Beitrag an Schleifen und frischen Blumen geliefert hatte. Aber Lore war nicht mehr im Saal. Die andern Maedchen standen bei ihren Muettern und liessen sich von ihnen die verschobenen Schaerpen und Haarbaender zurechtzupfen. Frau Beauregard kam eben mit neuen Erfrischungen zur Tuer herein; sie hatte ihre Tochter nicht gesehen. Nun suchte ich Fritz. Er stand in der Ecke am Musikantentisch und fuellte die leeren Glaeser wieder. "Wo ist Lore?" fragte ich. "Ich weiss nicht", erwiderte er verdriesslich; "sie war verdammt einsilbig, mir hat sie's nicht verraten." Ich zog ihn mit auf den Flur hinaus. Als wir an die Kammer kamen, worin die Gesellschaft ihre Maentel abgelegt hatte, trat sie uns entgegen; sie hatte ihr Maentelchen umgetan und ihr schwarzes Seidenkaeppchen auf dem Kopf. "Lore!" rief ich und suchte ihre Hand zu fassen; aber sie entzog sie mir und ging an uns vorbei. "Lass!" sagte sie kurz. "Ich will nach Haus!" Einen Augenblick spaeter hatte sie die schwere, nach der Strasse fuehrende Tuer aufgerissen und sprang draussen an dem Eisengelaender die Steintreppe hinab, und als auch Fritz neben mir draussen auf den Fliesen stand, war sie schon weit drunten in der Strasse, dass wir in der Dunkelheit ihre leichte fluechtige Gestalt nur kaum noch zu erkennen vermochten. "Lass sie!" sagte Fritz. "Oder hast du Lust auf die Wilde-Gans- Jagd?" Ich hatte zwar die Lust; ich wusste aber nicht recht, wie und es mit Fug beginnen sollte.--So kehrten wir denn in den Saal zurueck. Frau Beauregard ging nach ihrer Wohnung; aber sie kehrte unverichtetersache wieder. Der Lore sei unwohl geworden, sagte sie; sie liege schon im Bett, der Vater sitze bei ihr. Mir war nun der Rest des Abends verdorben; und als der Kotillon beginnen sollte, den ich mit Lore zu tanzen gedachte, schlich ich mich still und truebselig nach Hause. Neujahr war vorueber. Schon laengst hatte ich mit der glatten Stahlsohle meiner hollaendischen Schlittschuhe geliebaeugelt, nicht ohne eine kleine Verachtung gegen meine Kameraden, welche sich noch der hergebrachten scharfkantigen Eisen zu bedienen pflegten. Aber erst jetzt war ein dauernder Frost eingetreten. Es war an einem Sonntagnachmittage; ueber dem Muehlenteich, einem mittelgrossen Landsee unweit der Stadt, lag ein glaenzender Eisspiegel. Die halbe Einwohnerschaft versammelte sich draussen in der frischen Winterluft; von alt und jung, auf zweien und auf einem Schlittschuh, sogar auf einem untergebundenen Kalbsknoechlein wurde die edle Kunst des Eislaufs geuebt.--In der Naehe des Ufers waren Zelte aufgeschlagen, daneben auf dem Lande ueber flackerndem Feuer dampften die Kessel, mit deren Hilfe allerlei waermendes Getraenk verabreicht wurde. Hie und da sah man einen Schiebeschlitten, in dem einen eingehuellte Maedchengestalt sass, aus dem Gewuehl auf die freie Flaeche hinausschiessen; aber alle hielten sich am Rande des Sees; die Mitte mochte noch nicht geheuer scheinen. Ich schnallte meine Stahlschuhe unter und machte einen einsamen Lauf an dem Ufer entlang.--Als ich zurueckkehrte, fand ich fast die ganze Gesellschaft unsrer Tanzstunde bei den Zelten versammelt; pruefend mit vorgestreckten Haenden schritten die kleinen Damen in ihren neuen Weihnachtsmaenteln ueber die dort bereits ziemlich zerfahrene Eisdecke. Fritz, der schon abends zuvor seinen gelben Schlitten mit dem geschnitzten Hirschkopfe in der Muehle eingestellt hatte, war eben von einer Fahrt mit Fraeulein Charlotte zurueckgekehrt; und schon hatte eine andre unsrer Taenzerinnen den Platz unter der praechtigen Tigerdecke eingenommen. Der Kavalier zoegerte indessen noch und schien sich nach einem Gehilfen fuer den anstrengenden Damendienst umzusehen; aber ich schwenkte zeitig ab; denn weiterhin unter deiner Gesellschaft von Frauen und Maedchen aus dem Handwerkerstande hatte ich Lenore Beauregard bemerkt, mit der ich seit jenem Tanzabende nicht wieder zusammengetroffen war. Die jungen Dirnen liessen sich, eine nach der andern, von einem Lehrburschen unsers Haustischlers in einem leichten Schiebschlitten fahren, den ich sofort als den meines frueheren Spielgenossen Christoph erkannte. Auch seine Schwester bemerkte ich; er selbst war nicht dabei. Der Glanz des Eisspiegels mochte ihn weiter auf den See hinausgelockt haben; denn er war einer der besten Schlittschuhlaeufer unter den Knaben der Stadt. Ich schwaermte eine Zeitlang umher, unschluessig, wie ich am manierlichsten Lenore meine Dienste anbieten moechte; aber jedesmal, wenn ich mich naeherte, wich sie sichtlich aus und verbarg sich zwischen den andern. Eben kam der Bursche wieder von einer Fahrt zurueck. "Lenore ist an der Reihe!" hiess es; aber Lore wollte nicht. "Barthel muss erst einmal trinken", sagte sie und drueckte dem Jungen etwas in die Hand. Ich hoerte dies kaum, so hatte ich auch schon meinen Plan gefasst. Als ginge mich alles nichts mehr an, lief ich so rasch wie moeglich nach den Zelten zu. Dicht davor wurde ich von Fritzens Mutter angerufen. "Philipp", sagte sie neckend und mit dem Daumen nach der Seite weisend, von wo ich hergekommen, "wenn du die Lore wieder fangen willst--da ist sie!" "Freilich will ich sie fangen!" rief ich und segelte vorbei. "Ja, ja; aber sie will nichts mehr wissen von euch jungen Herren!" Ich hoerte nur noch aus der Ferne. Schon stand ich vor dem grossen Weinzelte; und als auch Barthel sich bald darauf einfand, hatte ich mit dem Opfer meiner ganzen Barschaft ein Glas Punsch und ein mit Wurst belegtes Butterbrot fuer ihn in Bereitschaft. "Lass dir's schmecken", sagte ich, indem ich beides vor ihn hinschob, "die Maedchen machen dir das Leben gar zu sauer." Der Junge ass und trank mit solchem Appetit, dass ich meinen Bestechungsversuch fortzusetzen wagte. "Wie waer es, Barthel, wenn ich dich einmal abloeste?" Er wischte sich mit der Hand den Schweiss von der Stirn und kaute ruhig weiter; nur mitunter, waehrend ich ihm meine Verhaltungsregeln auseinandersetzte, nickte er zum Zeichen, dass er mich verstanden habe. Als seine Mahlzeit beendigt war, kehrte er zu seiner Gesellschaft zurueck, und bald darauf sah ich Lore, ihr schwarzseidenes Pelzkaeppchen auf dem Kopf, die Haende in ihren kleinen Muff gesteckt, im Schlitten sitzen, und Barthel steuerte langsam und schwerfaellig am Rande des Sees dahin.--Als sie aus dem Menschengewuehl heraus waren, fuhr ich unhoerbar auf meinen ebenen Schlittschuhen hinterher. Noch ein paar Augenblicke; dann legte meine Hand sich auf den Schlitten, und der Bursche blieb zurueck. Ich haette aufjauchzen moegen; aber ich biss die Zaehne zusammen; und fort wie auf Fluegeln schoss das leichte Gefaehrt ueber die glaenzende Eisflaeche. "Barthel, du fliegst ja!" sagte Lore. Ich hielt ein wenig inne; ich fuerchtete, mich verraten zu haben, und suchte, so gut es gehen wollte, das Scharren von Barthels rostigen Schlittschuhen nachzuahmen. Aber meine Besorgnis war unnoetig. Lore steckte ihre Haende tiefer in den Muff und lehnte sich behaglich zurueck, so dass das Pelzkaeppchen fast auf meinem Arm ruhte. "Nur immer zu, Barthel!" sagte sie. Und Barthel liess sich das nicht zweimal sagen. Schon hatten wir den Bereich der gewoehnlichen Schlittschuhlaeufer hinter uns gelassen; kein Lueftchen regte sich, das weiss bereifte Schilf, das sich weithin dem Ufer entlang zieht, glitzerte blendend in den schraeg fallenden Sonnenstrahlen. Immer weiter ging es; wenn ich niederblickte, konnte ich die schlangenartigen Triebe des Aalkrautes unter der durchsichtigen Glasdecke erkennen. Aber die Mitte des Sees lockte mich; unmerklich wandte ich den Schlitten, und immer groesser wurde der Raum, der uns vom Ufer trennte. Schon konnte ich beim Zurueckblicken nur noch kaum das Blinken des Schilfes unterscheiden; geheimnisvoll dehnte sich die dunkle Spiegelflaeche bis zum andern, weit entfernten Ufer, kaum erkennbar, ob eine feste tragende Eisdecke oder nur ein regungsloses truegliches Gewaesser. Endlich war die Mitte erreicht. Jede Spur eines menschlichen Fusses hatte aufgehoert; wie verloren schwebte der Schlitten ueber der schwarzen Tiefe. Keine Pflanze streckte ihr Blatt hinauf an die duenne kristallene Decke; denn der See soll hier ins Bodenlose gehen. Nur mitunter war es mir, als husche es dunkel unter uns dahin.--War das vielleicht der Sargfisch, der in den untersten Gruenden dieses Wassers hausen soll, der nur heraufsteigt, wenn der See sein Opfer haben will?--Wenn es waere, dachte ich, wenn es braeche! Und meine Augen suchten die dunkeln Huellen zu durchdringen, in denen ich die liebliche Gestalt verborgen wusste.-- Wieder hatte ich den Schlitten gewandt und fuhr jetzt geradeaus, mich immer in der Mitte haltend. Vor uns, dort, wo der See seine Ufer zu einem schmalen Strom zusammendraengt, war in der Ferne schon die Bruecke zu erkennen; wie ein Schatten stand sie in der grauen Luft. "Mach zurueck, Barthel! Es wird kalt!" sagte Lore. Ich achtete nicht darauf. Mag sie sich umblicken, dachte ich und schob nur um so rascher vorwaerts. Ich wartete jetzt fast mit Ungeduld darauf. Aber sie schien ihre Mahnung schon vergessen zu haben; denn sie senkte schweigend den Kopf und wickelte sich fester in ihren Mantel.--Und weiter flog der Schlitten. Mitunter war mir, als spuerte ich unter uns eine leise Wellenbewegung, als hebe und senke sich die duenne Kristalldecke unter der ueber sie hinfliegenden Last; aber ich hatte keine Furcht, ich wusste, was man dem jungfraeulichen Eise bieten darf. Der kurze Winternachmittag war indessen fast zu Ende gegangen; schon lag der Sonnenball gluehend am Rande des Horizonts. Es wurde kalt, das Eis toente. Und jetzt, in stetem Wachsen, lief ein donnerndes Krachen von einem Ufer zum andern ueber den ungeheuern, immer dunkler werdenden Eisspiegel. Lore warf sich zurueck und stiess einen lauten Schrei aus. "Erschrick nicht!" sagte ich leise, "es hat nicht Not, es kommt nur von der Abendluft." Sie wandte sich um und starrte mich wie versteinert an. "Du!" rief sie, "was willst du hier?" "So nach doch nicht so boese Augen!" sagte ich und suchte ihre Hand zu fassen. Sie entriss sie mir. "Wo ist Barthel?" "Er ist zurueckgeblieben; ich habe dich gefahren." Sie richtete sich auf. "Lass mich hinaus!" rief sie, indem ihr die Traenen aus den Augen sprangen. Ich hoerte nicht auf sie; ich wandte nur den Schlitten nach der Stadt zurueck. "Lore", sagte ich, "was habe ich dir getan?" Aber sie stiess mich mit der kleinen geballten Faust vor die Brust. "Geh doch zu deinen feinen Damen! Ich will nichts mit euch zu tun haben; mit dir nicht, mit keinem von euch!" Es war wie Wut, was mich ueberfiel. Ich fasste sie mit beiden Armen und drueckte sie hart auf den Sitz nieder. "Du bist ruhig, Lore", sagte ich, und die Stimme bebte mir, "oder ich wende noch einmal den Schlitten und ich fahre dich in die Nacht hinaus, unter der Bruecke durch, so weit der Strom ins Land hinausreicht; mir gleich, ob es haelt oder bricht!" Sie hatte waehrenddessen, fast als beachte sie meine Worte nicht, seitwaerts ueber den See geblickt; aber sie blieb sitzen und liess sich ruhig von mir fahren. Nur fiel es mir auf, dass sie bald darauf wiederholt und wie verstohlen nach derselben Seite blickte. Als auch ich den Kopf dahin wandte, sah ich einen Schlittschuhlaeufer in nicht gar weiter Ferne auf uns zustreben. Er musste bemerkt haben, was soeben vorgefallen; denn er strengte sich augenscheinlich an, uns zu erreichen. Und schon hatte ich ihn erkannt; es war Christoph, mein alter Spielkamerad, der grosse Feind der Lateiner. Ich wusste auch wohl, was jetzt bevorstand; es galt nur noch, wer von uns der schnellste sei. "Nur zu!" sagte Lore, indem sie ihr Pelzkaeppchen zurueckschob, dass ihr schwarzes Haar sichtbar wurde. "Er kriegt dich doch!" Ich konnte nicht antworten; schneller als je zuvor trieb ich den Schlitten vorwaerts; aber ich keuchte, und meine Kraefte, von der langen Fahrt geschwaecht, begannen nachzulassen. Immer naeher hoerte ich den Verfolger hinter mir; rastlos und schweigend war er uns auf den Fersen; dann ploetzlich hoerte ich dich an meiner Seite seine Schlittschuhe scharf im Eise hemmen, und eine schwere Hand fiel neben der meinen auf die Lehne des Schlittens. "Halbpart, Philipp!" rief er, indem er mit der andern an meine Brust griff. Ich riss seine Hand los und stiess den Schlitten fort, dass er weit vor uns hinflog. Aber in demselben Augenblick erhielt ich einen Faustschlag und stuerzte ruecklings mit dem Hinterkopf auf das Eis. Nur undeutlich hoerte ich noch das Fortschurren des Schlittens; dann verlor ich die Besinnung. Ich blieb indes nicht lange in dieser Lage. Wie ich spaeter von ihm hoerte, hatte Christoph bald darauf sich nach mir umgesehen und war, da er mich nicht nachkommen sah, auf den Platz unsers Kampfes zurueckgekehrt. Nicht ohne grosse Bestuerzung hatten dann beide, nachdem Lore ausgestiegen, mich in den Schlitten gehoben.--Mir selbst kam nur ein dunkles Gefuehl von alledem; es war wie Traumwachen. Mitunter verstand ich einzelne Worte ihres Gespraechs. "Behalte doch deinen Mantel, Lore!" hoerte ich Christoph sagen.-- "O nein; ich brauch ihn nicht; ich laufe ja."--Und zugleich fuehlte ich, dass etwas Warmes auf mich niedersank. Der Schlitten bewegte sich langsam vorwaerts. Dann kam es wieder wie Daemmerung ueber mich; immer aber war es mir, als ginge ein leises Weinen neben mir her. Zum voelligen Bewusstsein erwachte ich erst in der Wohnstube und auf dem Sofa des Wassermuellers, der hart am Ufer des Muehlenteichs wohnte. Lore hatte mit ihrer Mutter, die mittlerweile auch herausgekommen war, nach Hause gehen muessen; Christoph aber war zurueckgeblieben und hatte sich auf den Rat der Muellersfrau damit beschaeftigt, mir nasse Umschlaege auf den Kopf zu legen. Als ich die Augen aufschlug, sass er neben mir auf dem Stuhl, eine irdene Schuessel mit Wasser zwischen den Knien. Er wollte eben das Leintuch erneuern, aber er zog jetzt die Hand zurueck und fragte schuechtern: "Darf ich dir helfen, Philipp?" Ich setzte mich aufrecht und suchte meine Gedanken zu sammeln; der Kopf schmerzte mich. "Nein", sagte ich dann, "ich brauche deine Hilfe nicht." "Soll ich jemanden fuer dich aus der Stadt holen?" "Geh nur; ich werde schon allein nach Hause kommen." Christoph stand zoegernd auf und setzte die Schuessel auf den Tisch. Bald darauf knarrte die Stubentuer; er hatte die Klinke in der Hand; aber er ging nicht fort. Als ich mich umwandte, sah ich die Augen meines alten Kameraden mit dem Ausdruck der ehrlichsten Traurigkeit auf mich gerichtet. Nur eine Sekunde noch war ich unschluessig. "Christoph", sagte ich, indem ich aufstand und ihm die Hand entgegenstreckte, "wenn du Zeit hast, so bleibe noch ein wenig bei mir; du kannst mir deinen Arm geben; wir gehen dann zusammen in die Stadt." Wie ein Blitz der Freude fuhr es ueber sein Gesicht. Er ergriff meine Hand und schuettelte sie. "Es war ein schaendlicher Stoss, Philipp!" sagte er. Eine halbe Stunde spaeter, da es schon voellig finster war, wanderten wir langsam nach der Stadt zurueck. Aber die Sache ging nicht so leicht vorueber. Ich konnte am folgenden Morgen das Bett nicht verlassen und musste meinen Eltern gestehen, dass ich einen schweren Fall auf dem Eise getan habe. Am Abend des folgenden Tages, da ich schon fast wiederhergestellt war, setzte meine Mutter ein Federkaestchen von poliertem Zuckerkistenholz vor mir auf den Tisch. "Der Christoph Werner hat es gebracht", sagte sie; "er habe es selbst fuer dich gearbeitet." Ich nahm das Kaestchen in die Hand. Es war zierlich gemacht, sogar auf dem Deckel mit einer kleinen Bildschnitzerei versehen. "Er hat sich nach deinem Befinden erkundigt", fuhr meine Mutter fort; "habt ihr denn draussen eure alte Freundschaft wieder neu besiegelt?" "Besiegelt, Mutter?--Wie man's nehmen will", sagte ich laechelnd. Und nun liess die gute Frau nicht nach, bis ich, von manchen Fragen und zaertlichen Vorwuerfen unterbrochen, ihr mein ganzes kleines Abenteuer gebeichtet hatte.--Aber es wurde, wie sie gesagt; der Lateiner und der Tischlerlehrling erneuerten ihre Kameradschaft, und zweimal woechentlich zur bestimmten Stunde ging ich von nun an regelmaessig in die Werkstatt des alten Tischlers Werner, um unter der Anleitung des geschickten Mannes wenigstens die Anfangsgruende seines Handwerks zu erlernen. Das ist die Drossel, die da schlaegt, Der Fruehling, der mein Herz bewegt, Ich fuehle, die sich hold bezeigen, Die Geister aus der Erde steigen; Das Leben fliesset wie ein Traum. Mir ist wie Blume, Blatt und Baum. Es war Fruehling geworden. Die Nachtigall zwar verkuendigte ihn nicht; denn, wenn auch mitunter eine sich zu uns verflog, die Nordwestwinde unsrer Kueste hatte sie bald wieder hinweggeweht; aber die Drossel schlug in den Baumgaengen des alten Schlossgartens, der im Schutze der Stadt, in dem Winkel zweier Strassen lag. Dem Haupteingange gegenueber, auf einem Rasenplatz hinter den Gaerten der grossen Marktstrasse, war seit gestern ein Karussell aufgeschlagen; denn es war nicht nur Fruehling, es war auch Jahrmarkt, eine ganze Woche lang. Die Leierkastenmaenner waren eingezogen und vor allem die Harfenmaedchen; die Schueler mit ihren roten Muetzen streiften Arm in Arm zwischen den aufgeschlagenen Marktbuden umher, um womoeglich einen Blick aus jungen asiatischen Augen zu erhaschen, die zu gewoehnlichen Zeiten bei uns nicht zu finden waren.--Dass waehrend des Jahrmarktes die Gelehrtenschule, wie alle andern, Ferien machte, verstand sich von selbst.--Ich hatte das vollste Gefuehl dieser Feiertage, zumal ich seit kurzem Primaner war und infolgedessen neben meiner roten Muetze einen schwarzen Schnuerenrock nach eigner Erfindung trug. Brauchte ich nun doch auch nicht mehr wie sonst abends an dem Treppeneingang des erleuchteten Ratskellers stehenzubleiben, wo sich allzeit das schoenste lustigste Gesindel bei Musik und Tanz zusammenfand; ich konnte, wenn ich ja wollte, nun selbst einmal hinabgehen und mich mit einem jener fremdartigen Maedchen im Tanze wiegen, ohne dass irgend jemand gross danach gefragt haette.--Aber grade zu solchen Zeiten liebte ich es mitunter, allein ins Feld hinauszustreifen und in dem sichern Gefuehl, dass sie da seien und dass ich sie zu jeder Stunde wieder erreichen koenne, alle diese Herrlichkeiten fuer eine Zeitlang hinter mir zu lassen. So geschah es auch heute. Unter der Beihilfe meines Vaters, der ein leidenschaftlicher Entomologe war, hatte ich vor einigen Jahren eine Schmetterlingssammlung angelegt und bisher mit Eifer fortgefuehrt. Ich war nach Tische auf mein Zimmer gegangen und stand vor dem einen Glaskasten, deren schon drei dort an der Wand hingen. Die Nachmittagssonne schimmerte so verlockend auf den blauen Fluegeln der Argusfalter, auf dem Samtbraun des Trauermantels; mich ueberkam die Lust, einmal wieder einen Streifzug nach dem noch immer vergebens von mir gesuchten Brombeerfalter zu unternehmen. Denn dieses schoene olivenbraune Sommervoegelchen, welches die stillen Waldwiesen liebt und gern auf sonnigen Gestraeuchen ruht, war in unsrer baumlosen Gegend eine Seltenheit.--Ich nahm meinen Kescher vom Nagel; dann ging ich hinab und liess mir von meiner Mutter ein Weissbroetchen in die Tasche stecken und meine Feldflasche mit Wein und Wasser fuellen. So ausgeruestet, schritt ich bald ueber den Karussellplatz nach dem Schlossgarten, dessen Baumgaenge schon von jungem Laube beschattet waren, und von dort weiter durch die dem Haupteingange gegenueberliegende Pforte ins freie Feld hinaus. Es hatte die Nacht zuvor geregnet, die Luft war lau und klar; ich sah drueben am Rande des Horizonts auf der hohen Geest die Muehle ihre Fluegel drehen. Eine kurze Strecke fuehrte noch der Weg an der Aussenseite des Schlossgartens entlang; dann wanderte ich aufs Geratewohl auf Feldwegen oder Fusssteigen, welche quer ueber die Aecker fuehren, in die sonnige schattenlose Landschaft hinaus. Nur selten, so weit das Auge reichte, stand auf den Sand- und Steinwaellen, womit die Grundstuecke umgeben sind, ein wilder Rosenstrauch oder ein andres duerftiges Gebuesch; aber hier, wo in der Morgenfruehe die rauhen Seewinde ungehindert ueberhin fahren, waren nur kaum die ersten Blaetter noch entfaltet. Ich schlenderte behaglich weiter; mehr die Augen in die Ferne als nach dem gerichtet, was etwa neben mir am Wege zwischen Graesern und rot bluehenden Nesseln gaukeln mochte. So war, ohne dass ich es merkte, der halbe Nachmittag dahin. Ich hoerte es von der Stadt her vier schlagen, als ich mich an dem Ufer des Muehlenteichs ins Gras warf und mein bescheidenes Vesperbrot verzehrte. Eine angenehme Kuehlung wehte von dem Wasserspiegel auf mich zu, der gross und dunkel zu meinen Fuessen lag. Dort in der Mitte, wo jetzt ueber der Tiefe die kleinen Wellen trieben, musste der Schlitten gestanden haben, als Lore ihren Mantel ueber mich legte. Ich blickte eine ganze Weile nach dem jetzt unerreichbaren Punkte, den meine Augen in dem Fluten des Wassers nur mit Muehe festzuhalten vermochten.-- Aber ich wollte ja den Brombeerfalter fangen! Hier, wo es weitumher kein Gebuesch, kein stilles vor dem Winde geschuetztes Fleckchen gab, war er nicht zu finden. Ich entsann mich eines andern Ortes, an dem ich vor Jahren unter der Anfuehrung eines aeltern Jungen einmal Vogeleier gesucht hatte. Dort waren Koppel an Koppel die Waelle mit Hagedorn und Nussgebuesch bewachsen gewesen; an den Dornen hatten wir hie und da eine Hummel aufgespiesst gefunden, wie dies nach der Naturgeschichte von den Neuntoetern geschehen sollte; bald hatten wir auch die Voegel selbst aus den Zaeunen fliehen sehen und ihre Nester mit den braun gesprenkelten Eiern zwischen dem dichten Laub entdeckt. Dort, in dem heimlichen Schutz dieser Hecken, war vielleicht auch das Reich des kleinen seltenen Sommervogels! Das "Sietland" hatte der Junge jene Gegend genannt, was wohl soviel wie Niederung bedeuten mochte. Aber wo war das Sietland?--Ich wusste nur, dass wir in derselben Richtung, wie ich heute, zur Stadt hinausgegangen waren und dass es unweit der grossen Heide gelegen, welche etwa eine Meile weit von der Stadt beginnt. Nach einigem Besinnen nahm ich mein Fanggeraet vom Boden und machte mich wieder auf die Wanderung. Durch einen Hohlweg, in den sich das Ufer hier zusammendraengt, gelangte ich auf eine Hoehe, von der ich die vor mir liegende Ebene weit uebersehen konnte; aber ich sah nichts als Feld an Feld die kahlen ebenmaessigen Sandwaelle, auf denen die herbe Fruehlingssonne flimmerte. Endlich, dort in der Richtung nach einem Haeuschen, wie sie am Rande der Heide zu stehen pflegen, glaubte ich etwas wie Gebuesch zu entdecken.--Es war mindestens noch eine halbe Stunde bis dahin, aber ich hatte heute Lust zum Wandern und schritt ruestig drauflos. Hie und da flog ein gelber Zitronenfalter oder ein Kressweissling ueber meinen Weg, oder eine graue Leineule kletterte an einem Grasstengel; von einem Brombeerfalter aber war keine Spur. Doch ich musste schon mehr in einer Niederung sein; denn die Luft wurde immer stiller; auch ging ich schon eine Zeitlang zwischen dichten Hagedornhecken. Ein paar Male, wenn sich ein Lufthauch regte, hatte ich einen starken lieblichen Geruch verspuert, ohne dass ich den Grund davon zu entdecken vermocht haette; denn das Gebuesch an meiner Seite verwehrte mir die Aussicht. Da ploetzlich sprang zur Rechten der Wall zurueck, und vor mir lag ein Fleckchen huegeligen Heidelandes. Brombeerranken und Bickbeerengestraeuch bedeckten hie und da den Boden; in der Mitte aber an einem schwarzen Waesserchen stand vereinzelt im hellsten Sonnenglanz ein schlanker Baum. Aus den blendend gruenen Blaettern, durch die er ganz belaubt war, sprang ueberall eine Fuelle von zarten weissen Bluetentrauben hervor; unendliches Bienengesumm klang wie Harfenton aus seinem Wipfel. Weder in der Gaerten der Stadt noch in den entfernteren Waeldern hatte ich jemals seinesgleichen gesehen. Ich staunte ihn an; wie ein Wunder stand er da in dieser Einsamkeit. Eine Strecke weiter, nur durch ein paar duerftige Ackerfelder von mir getrennt, dehnte sich unabsehbar der braune Steppenzug der Heide; die aeussersten Linien des Horizonts zitterten in der Luft. Kein Mensch, kein Tier war zu sehen, so weit das Auge reichte.-- Ich legte mich neben dem Waesserchen im Schatten des schoenen Baumes in das Kraut. Ein Gefuehl von suesser Heimlichkeit beschlich mich; aus der Ferne hoerte ich das sanfte traeumerische Singen der Heidelerche; ueber mir in den Blueten summte das Bienengetoen; zuweilen regte sich die Luft und trieb eine Wolke von Duft um mich her; sonst war es still bis in die tiefste Ferne. Am Rande des Wassers sah ich Schmetterlinge fliegen; aber ich achtete nicht darauf, mein Kescher lag muessig neben mir.--Ich gedachte eines Bildes, das ich vor kurzem gesehen hatte. In einer Gegend, weit und unbegrenzt wie diese, stand auf seinen Stab gelehnt ein junger Hirte, wie wir uns die Menschen nach den ersten Tagen der Weltschoepfung zu denken gewohnt sind, ein rauhes Ziegenfell als Schurz um seine Hueften; zu seinen Fuessen sass--er sah auf sie herab-- eine schoene Maedchengestalt; ihre grossen dunkeln Augen blickten in seliger Gelassenheit in die morgenhelle Einsamkeit hinaus.-- "Allein auf der Welt" stand darunter.--Ich schloss die Augen; mir war, als muesse aus dem leeren Raum dies zweite Wesen zu mir treten, mit dem selbander jedes Beduerfnis aufhoere, alle keimende Sehnsucht gestillt sein. "Lore!" fluesterte ich und streckte meine Arme in die laue Luft. Indessen war die Sonne hinabgesunken, und vor mir leuchtete das Abendrot ueber die Heide. Der Baum war stumm geworden, die Bienen hatten ihn verlassen; es war Zeit zur Heimkehr. Meine Hand fasste nach dem Kescher.--Aber was kuemmerte mich jetzt dies Knabenspielzeug. Ich sprang auf und haengte ihn hoch, so hoch, wie ich vermochte, zwischen den dichtbelaubten Zweigen des Baumes auf. Dann, das Bild der schoenen Schneidertochter vor meinen trunknen Augen, machte ich mich langsam auf den Rueckweg. Die Daemmerung war stark hereingebrochen, als ich aus dem Portal des Schlossgartens trat. Drueben am Karussell waren schon die Lampen angezuendet; Leierkastenmusik, Lachen und Stimmengewirr schollen zu mir herueber; dazwischen das Klirren der Florette an den eisernen Ringhaltern. Ich blieb stehen und blickte durch die Linden, welche den Platz umgaben, in das bewegte Bild hinein. Das Karussell war in vollem Gange; Sitzplaetze und Pferde, alles schien besetzt, und ringsumher draengte sich eine schaulustige Menge jedes Alters und Geschlechts. Jetzt aber wurde die Bewegung des Karussells langsamer, so dass ich unter den gruenen Zweigen durch die einzelnen Gestalten ziemlich bestimmt erkennen konnte. Unwillkuerlich war ich indessen naeher getreten und hatte mich bis an den Eisendraht gedraengt, der ringsum gezogen war.--Das Maedchen dort auf dem braunen Pferd war die Schwester meines Freundes Christoph. Aber es kam noch eine Reiterin, eine feinere Gestalt; sie sass seitwaerts, ein wenig laessig, auf ihrem hoelzernen Gaule. Und jetzt, waehrend sie langsam naeher getragen wurde, wandte sie den Kopf und blickte laechelnd in die Runde. Es war Lore; fast wie ein Schrecken schlug es mir durch die Glieder. Auch sie hatte mich erkannt; a nur eine Sekunde lang hafteten ihre Augen wie betroffen in den meinen; dann bueckte sie sich zur Seite und machte sich an ihrem Kleide zu schaffen. Das schwere eiserne Florett, das sie in der kleinen Faust hielt, schien nicht umsonst von ihr gefuehrt zu sein; denn es war fast bis an den Knopf mit Ringen angefuellt. Mittlerweile war der Eigentuemer des Karussells herangetreten, um fuer die neue Runde einzusammeln. Sie richtete sich auf und hielt ihm ihr Florett entgegen. "Freigeritten!" sagte sie, indem sie es umstuerzte und die Ringe in die Hand des Mannes gleiten liess. Er nickte und ging an den naechsten Stuhl, wo eine Anzahl Kinder sich um die besten Plaetze zankten.--Als ich von dort wieder zu Lore hinuebersah, stand Christophs Schwester neben ihr; aber sie wandte mir den Ruecken und schien mich nicht bemerkt zu haben. "Gehst du mit, Lore?" hoerte ich sie fragen; "ich muss nach Hause." Lore antwortete nicht sogleich; ihre Augen streiften mit einem unsichern Blick zu mir hinueber. Ich wagte mich nicht zu ruehren; aber meine Augen antworteten den ihren, und mir selber kaum vernehmlich fluesterten meine Lippen: "Bleib!" "So sprich doch!" draengte die andre. "Es hat schon acht geschlagen. " Lore steckte ihre Fuesschen wieder in den Steigbuegel, den sie hatte fahren lassen, und die Augen auf mich gerichtet, erwiderte sie: "Ich bleibe noch, ich hab' mich freigeritten!" Und leise setzte sie hinzu: "Meine Mutter wollte vielleicht noch hier vorueberkommen!" Ich fuehlte, dass das gelogen sei. Das Blut schoss mir siedend heiss ins Gesicht, es brauste mir vor den Ohren; die kleine Luegnerin hatte ploetzlich den Schleier des Geheimnisses ueber uns geworfen. Es war zum erstenmal in meinem Leben, dass ich eine so berauschende Zusage erhielt; bisher hatte ich nur manchmal darueber nachgesonnen, wie in der Welt so etwas moeglich sei. Christophs Schwester hatte sich entfernt. Der Leierkasten begann wieder seine Musik, die Peitsche klatschte ueber dem alten Gaul, und unter dem Zuruf der Bauernburschen und--maedchen, die inzwischen die meisten Plaetze eingenommen hatten, setzte das Karussell sich wieder in Bewegung. Lore sah nach mir zurueck, sie hatte ihr Florett in den Sattelknopf gestossen und sass wie in sich versunken, die Haende vor sich auf dem Schoss gefaltet. Das rote Tuechelchen an ihrem Halse wehte in der Luft, und in immer rascherem Kreisen wurde die leichte Gestalt an mir voruebergetragen; kaum fuehlte ich den Blitz ihres Auges in den meinen, so war sie schon fort, und nur der Schimmer ihres hellen Kleides tauchte in der trueben Lampenbeleuchtung noch ein paarmal fluechtig aus den immer tiefer fallenden Schatten auf.--Ploetzlich krachte etwas; die in den Stuehlen sitzenden Maedchen kreischten, und das Karussell stand. "Bleiben Sie sitzen, meine Herrschaften", rief der Eigentuemer, indem er mit seinem Gehilfen ueber die Querbalken stieg, um den Schaden zu untersuchen. Eine Laterne wurde heruntergenommen, es wurde geklopft und gehaemmert; aber es schien sich so bald nicht wieder fuegen zu wollen. Mir wurde die Zeit lang; meine Augen suchten vergebens nach der kleinen Reiterin. Ich draengte mich aus der Menschenmasse heraus, in die ich eingekeilt war, und ging von aussen nach der gegenueberliegenden Seite des Platzes. Als ich mich hier mit Bitten und Gewalt bis an die Barriere durchgearbeitet hatte, stand ich dich neben ihr. Sie war von dem Holzgaul herabgestiegen und blickte wie suchend um sich her. Nach einer Weile steckte sie das Florett, das sie spielend in der Hand gehalten, wieder in den Sattelknopf und machte Miene, herabzuspringen. Aber waehrend sie ihre Kleider zusammennahm, war ich in den Kreis geschluepft. "Guten Abend, Lore!" "Guten Abend!" sagte sie leise. Dann, waehrend die Bauernburschen immer lauter ihr Eintrittsgeld zurueckforderten, fasste ich ihre Hand und zog sie mit mir hinaus ins Freie. Aber hier war meine Verwegenheit zu Ende. Lore hatte mir ihre Hand entzogen, und wir gingen wortlos und befangen nebeneinander der Strasse zu, an deren aeusserstem Ende sich das Haus ihrer Eltern befand.--Als wir den zur Seite liegenden Eingang des Schlossgartens erreicht hatten, kam uns von der Strasse her ein Trupp von Menschen entgegen, an deren lauten Stimmen ich einzelne meiner ausgelassensten Kommilitonen erkannte. Unwillkuerlich blieben wir stehen. "Wir wollen durch den Schlossgarten!" sagte ich. "Es ist so weit!" "Oh, es ist nicht so viel weiter!" Und wir gingen durch das Portal in den breiten Steig hinab, welcher zwischen niedrigen Dornhecken zu einem Laubgange von dichtverwachsenen Hagebuchen fuehrte. Da hier vorne auch hinter den Zaeunen nur bebautes harmloses Gartenland lag, so verhinderte mich die einbrechende Dunkelheit nicht, die neben mir wandelnde Maedchengestalt zu betrachten. Mich schauerte, dass sie jetzt wirklich in solcher Einsamkeit mir nahe war. Kein Mensch ausser uns schien in dem alten Park zu sein; es war so still, dass wir jeden unsrer Tritte auf dem Sande hoerten. "Willst du mich nicht anfassen?" fragte ich. Sie schuettelte den Kopf. "Warum nicht?" "Nein--wenn jemand kaeme!" Wir hatten den gewoelbten Buchengang erreicht. Es war sehr dunkel hier; denn in geringer Entfernung zu beiden Seiten waren aehnliche Laubengaenge, und auf den dazwischen befindlichen Rasenflecken lagerten undurchdringliche Schatten. Ich wusste nur noch, dass Lore neben mit ging; denn ich hoerte ihren Atem und ihren leichten Schritt; zu sehen vermochte ich sie nicht. Wie neckend schoss es mir durch den Kopf, dass ich am Nachmittag auf einen Sommervogel ausgegangen war. "Nun bist doch gefangen!" sagte ich, und durch die Dunkelheit ermutigt, ergriff ich ihre herabhaengende Hand und hielt sie fest. Sie duldete es; aber ich fuehlte, wie sie zitterte, und auch mir schlug mein Knabenherz bis in den Hals hinauf. So gingen wir langsam weiter. Von der Stadt her kam der gedaempfte Ton der Drehorgeln und das noch immer fortdauernde Getoese des Jahrmarkttreibens; vor uns am Ende der Allee in unerreichbarer Ferne stand noch ein Stueckchen goldenen Abendhimmels. Ich legte ihre Hand in meinen Arm und fasste sie dann wieder. In diesem Augenblick trollte vor uns etwas ueber den Weg; es mag ein Igel gewesen sein, der auf die Maeusejagd ging.--Sie schrak ein wenig zusammen und draengte sich zu mir hin, und als ich, unabsichtlich fast, den Arm um sie legte, fuehlte ich, wie ihr Koepfchen auf meine Schulter glitt. Als aber dann, nur eine fluechtige Sekunde lang, ein junger Mund den andern beruehrt hatte, da trieb es uns wie toericht aus den schuetzenden Baumschatten ins Freie. So hatten wir bald, waehrend ich nur noch ihre Hand gefasst hielt, das Ende der Allee erreicht und traten durch eine Pforte auf einen Feldweg hinaus, der seitwaerts auf die letzten Haeuser der Stadt zufuehrte. Wir gingen eilig nebeneinander her, als koennten wir das Ende unsers Beisammenseins nicht rasch genug herbeifuehren. "Mein Vater wird mich suchen; es ist gewiss schon spaet!" sagte Lore, ohne aufzusehen. "Ich glaube wohl!" erwiderte ich. Und wir gingen noch eiliger als zuvor. Schon standen wir am Ausgang des Weges, den letzten Haeusern der Stadt gegenueber. In dem Lichtschein, der unter der Linde aus dem Fenster des Schneiderhaeuschens fiel, sah ich unweit davon ein Maedchen an einem Brunnen stehen. Ich durfte nicht weiter mit. Als aber Lore den Fuss auf das Strassenpflaster hinaussetzte, war mir, als duerfe ich sie so nicht von mir gehen lassen. "Lore", sagte ich beklommen, "ich wollte dir noch etwas sagen." Sie trat einen Schritt zurueck. "Was denn?" fragte sie. "Warte noch eine Weile!" Sie wandte sich um und blieb ruhig vor mir stehen. Ich hoerte, wie sie mit den Haenden ueber ihr Haar strich, wie sie ihr Tuechelchen fester um den Hals knuepfte; aber ich suchte lange vergebens des Gedankens habhaft zu werden, der wie ein dunkler Nebel vor meinen Augen schwamm. "Lore", sagte ich endlich, "bist du noch boes mit mir?" Sie blickte zu Boden und schuettelte den Kopf. "Willst du morgen wieder hier sein?" Sie zoegerte einen Augenblick. "Ich darf des Abends sonst nicht ausgehen", sagte sie dann. "Lore, du luegst; das ist es nicht, sag mir die Wahrheit!" Ich hatte ihre Hand gefasst; aber sie entzog sie mir wieder. "So sprich doch, Lore!--Willst du nicht sprechen?" Noch eine Weile stand sie schweigend vor mir; dann schlug sie die Augen auf und sah mich an. "Ich weiss es wohl", sagte sie leise, "du heiratest doch einmal nur eine von den feinen Damen." Ich verstummte. Auf diesen Einwurf war ich nicht gefasst; an so ungeheure Dinge hatte ich nie gedacht und wusste nichts darauf zu antworten. Und ehe ich mich dessen versah, hoerte ich ein leises "Gute Nacht" des Maedchens; und bald sah ich sie drueben in dem Schatten der Haeuser verschwinden. Ich vernahm noch das vorsichtige Aufdruecken einer Haustuer, das leise Anschlagen der Tuerschelle; dann wandte ich mich und ging langsam durch den Schlossgarten zurueck. Ohne erst zum Abendessen in die Wohnstube meiner Eltern zu gehen, schlich ich die Treppe hinauf in meine Kammer. Wie trunken warf ich mich in die Kissen. Nach einer Viertelstunde hoerte ich die Stubentuer gehen, und durch die halb geoeffneten Augenlider sah ich meine Mutter mit einer Lampe an mein Bett treten. Sie beugte sich ueber mich; aber ich schloss die Augen und traeumte weiter. Trotz des wenig verheissenden Abschieds war mir doch, als haette meine Hand eine volle Rosengirlande gefasst, an welcher nun in alle Zukunft hinein der Lebensweg entlang gehen muesse. So sehr ich aber an diesem Abend den Drang, allein zu sein, empfunden, ebensosehr trieb es mich am andern Morgen unter Menschen. Ich hatte ein neues Gefuehl der Freiheit und Ueberlegenheit in mir, das ich nun auch andern gegenueber empfinden wollte. Sobald ich gefruehstueckt und den etwas unbequemen Fragen meiner Mutter notduerftig genuggetan hatte, ging ich in die Werkstatt meines Freundes Christoph. Er war eifrig beschaeftigt, kleine Mahagonifurniere auszuwaehlen und zu schneiden. "Was machst denn du da fuer Schoenes?" fragte ich. "Ein Naehkaestchen", sagte er, ohne aufzublicken. "Fuer Lenore Beauregard; meine Schwester will's ihr zum Geburtstag schenken." Ich sah ihn von der Seite an; ein uebermuetiges Laecheln stieg in mir auf. "Die Lore ist wohl dein Schatz, Christoph?" Der eckige Kopf des guten Jungen wurde bis unter die Stirnhaare wie mit Blut uebergossen bei dieser treulosen Frage. Er schien selbst ueber seine Verlegenheit in Zorn zu geraten. "Ihr haettet sie nur aus eurer lateinischen Tanzschule fortlassen sollen!" sagte er, indem er mit seinem Messer grimmig in die Furnierblaettchen hineinfuhr. "Du bist wohl eifersuechtig, Christoph?" fragte ich. Aber er antwortete nicht; er brummte nur halb fuer sich: "Das haette meine Schwester sein sollen!"-- Dieser Triumph sollte indessen mein einzigster bleiben; denn ich muehte mich vergebens, wieder allein mit Lore zusammenzutreffen. Ein paarmal zwar im Laufe des Sommers begegnete sie mir an Sonntagnachmittagen hinter den Gaerten auf dem Buergersteige; aber Christoph und seine Schwester begleiteten sie, und der gute Junge ging so trotzig neben ihr, als wenn er sie einer ganzen Welt von Lateinern haette streitig machen wollen; auch suchte sie selbst, wenn ich ein Gespraech mit ihnen begann, augenscheinlich die andern zum Weitergehen zu veranlassen. Als spaeterhin bei Beginn des Michaelismarktes das Karussell wieder aufgeschlagen wurde, wagte ich noch einmal zu hoffen. Einen Abend nach dem andern, sobald die Daemmerung anbrach, fand ich mich auf dem Platze ein; zum grossen Verdrusse meines Freundes Fritz, von dem ich mich unter immer neuen Vorwaenden loszumachen suchte. Aber ebenso oft spaehte ich vergebens unter den jungen Reiterinnen, die sich zuweilen einfanden, die schlanke Braune zu entdecken, um derentwillen ich allein gekommen war. Einsam wanderte ich durch die dunklen Gaenge des Schlossgartens und zehrte truebselig von der Erinnerung eines entflohenen Glueckes. Dies alles nahm ein ploetzliches Ende, als ich zu Anfang des Winters nach dem Willen meines Vaters die Gelehrtenschule unsrer Heimat verliess und zu meiner weitern Ausbildung auf ein Gymnasium des mittleren Deutschlands geschickt wurde.--Ob mein Schmetterlingskescher noch in dem bluehenden Baum am Rande der Heide haengt?--Ich weiss es nicht; ich bin nicht wieder dort gewesen; auch den Brombeerfalter habe ich bis auf heute noch nicht gefangen. Jahre waren seitdem vergangen. Als ich den Zwang der kloesterlichen Schulanstalt hinter mir hatte, brachte ich zum erstenmal wieder einige Herbstwochen im elterlichen Hause zu. Von allen meinen Kameraden fand ich nur noch Christoph im heimatlichen Neste; die uebrigen, auch Fritz, waren alle schon ausgeflogen; ins lustige Studentenleben, aufs weite Meer hinaus, in die dunkle Schreibstube eines Kaufmanns, oder wohin sonst Wahl und Verhaeltnisse sie gefuehrt hatten. Auch Christoph, der zum stattlichen, etwas untersetzten jungen Mann herangewachsen war, ruestete sich zum Abzug; er war Gesell geworden und wollte wandern. Aber zuvor arbeiteten wir noch einmal gemeinschaftlich in der Werkstatt seines Vaters, und ein ungeheurer Tabakskasten, der mit mir die Universitaet beziehen sollte, war das Resultat unsrer Bemuehungen.--Von meiner Mutter erfuhr ich, dass die ruestige Frau Beauregard vor Jahresfrist eines ploetzlichen Todes verblichen und ihre Tochter bald darauf nach der kleinen Landesuniversitaetsstadt zu einer alten unverheirateten Tante gezogen sei, die sie testamentarisch zur Universalerbin ihres kleinen Vermoegens eingesetzt hatte. Das schmale Haeuschen mit der Linde war nach dem Tode der Mutter schuldenhalber verkauft worden, und der franzoesische Schneider hatte froh sein muessen, bei einem der andern Meister als Gesell ein Unterkommen gefunden zu haben. Ich traf ihn am Sonntagnachmittage in einer Ecke des Kirchhofs auf der Bank sitzend. Seine Haut ueber den scharfen Backenknochen war noch gelber geworden, und sein schwarzes Haar war stark ergraut; er hustete, aber die Sonne schien ihm wohlzutun. "Ah, Monsieur Philipp!" rief er, da er mich erkannte, und streckte mir zwei Finger seiner langen knoechernen Hand entgegen, waehrend die andern die alte wohlbekannte Porzellandose umklammert hielten. "Damals-- das waren andre Zeiten, Monsieur Philipp!" fuhr er seufzend fort. "Meine Alte, sie hat sich mit ihrer Menage unter die schwarzen Kreuze dort begeben; und das Kind, die Lore"--er schluckte ein paarmal und nahm eine starke Prise--, "Sie werden es ja gehoert haben!--Sie wollte nicht, sie wollte ihren armen Vater nicht allein lassen, ich musste mit Gewalt ihre kleinen Haende von mir losreissen; aber was hilft es denn! Das Kind musste doch sein Glueck machen!" Er liess den Kopf sinken und legte schlaff seine Haende auf die Knie. "Ich werde Ihnen ihre Briefe zeigen!" begann er dann wieder. "Sie werden sehen, Monsieur Philipp, Sie sind ja ein Gelehrter! Die allerliebsten Buchstaben, und all die lieben guten Worte; eine Marquise koennte es nicht besser."-- --So sprach er noch eine Weile fort, bis ich ihn verliess. Ich habe den franzoesischen Schneider nicht wiedergesehen; denn einige Tage darauf reiste ich ab, um zunaechst auf einer auslaendischen Universitaet meine juristischen Studien zu beginnen, und schon nach einem halben Jahre schrieb mir meine Mutter, der ich diese Begegnung erzaehlt hatte, dass auch Monsieur Beauregard, der Enkel des Ofenheizers vom Hofe Ludwigs des Sechzehnten, unter den schwarzen Kreuzen eine Stelle gefunden habe. Drei Jahre spaeter befand ich mich auf der Landesuniversitaet, um vor dem Examen noch das gesetzlich vorgeschriebene Jahr hier zu absolvieren. Fritz, mit dem ich das letzte Semester in Heidelberg zusammen gewohnt, wollte erst im naechsten Herbst zurueckkehren. Aber mein Freund Christoph hatte die Universitaet bezogen; er war erster Arbeiter in einem grossen Moebelmagazin. Ich trag ihn eines Nachmittags in einem oeffentlichen Garten, wo er allein vor seinem Seidel Lagerbier sass und, scheinbar in Sinnen verloren, den Rauch seiner Zigarre vor sich hinblies. Sein starker blonder Backenbart und seine feine buergerliche Kleidung liessen mich ihn erst in naechster Naehe erkennen. Als ich schweigend meine Hand auf seine Schulter legte, warf er den Kopf rasch und trotzig nach mir herum; denn, wenn ich jetzt auch keine farbige Muetze trug, so gehoerte ich doch unverkennbar genug zu den mutmasslich noch immer nicht von ihm geliebten Lateinern. Allein kaum hatte er mich angesehen, als auch sogleich die freudigste Ueberraschung aus seinen Augen leuchtete. "Philipp, du bist es?" sagte er, indem er mit einer fast maedchenhaften Bescheidenheit meine dargebotene Hand nahm und sie dann desto kraeftiger drueckte.--Wir sprachen lange zusammen; ueber unsre Heimat, ueber Eltern und Altersgenossen; als ich mich dann der verhaengnisvollen Eisfahrt erinnerte, fragte ich auch nach unsrer gemeinschaftlichen Knabenliebe. Lenore lebte noch im Hause ihrer Verwandten, einer alten Schneiderin, mit der sie zum Naehen in die Haeuser der vornehmen Einwohner ging. Aber Christoph wurde bei den Antworten auf diese Fragen immer wortkarger und suchte endlich mit einer gewissen Hast das Gespraech auf andre Dinge zu bringen. Er schien in seinem treuen Gemuete noch immer die Fesseln des schoenen Maedchens zu tragen, die ich mit dem Staub der Heimat schon laengst von mir abgeschuettelt zu haben glaubte. Ich mochte mich darin indessen irren.--Einige Zeit darauf hatte ich mit befreundeten Damen jenseits der Meeresbucht, an welcher die Stadt liegt, einen damals beliebten Vergnuegungsort besucht. Der Nachmittag war zu Ende, und wir gingen an den Strand hinab, um nach einem Fahrzeug fuer die Heimkehr auszuschauen.--Zwei Boote, beide schon fast besetzt, lagen zur Abfahrt bereit. Neben dem einen, das etwa dreissig Schritte von uns entfernt sein mochte, stand an der Seite einer aeltlichen lahmen Naehterin, die ich mitunter im Wohnzimmer meines Hauswirts gesehen hatte, eine auffallend schoene Maedchengestalt. Sie hatte schon den Fuss auf den Rand des Bootes gesetzt und schien im Begriff, hineinzusteigen; aber sie zoegerte ploetzlich, da sie den Kopf nach uns zurueckwandte. Zwei schwarze fremdartige Augen, wie ich sie lange nicht, aber wie sich sie einst gesehen, trafen in die meinen; ich wusste jetzt, dass es Lenore Beauregard sei. Sie war groesser geworden, und unter den braunen Wangen schimmerte das Rot der vollsten Jungfraeulichkeit; aber noch immer war ihr in der Haltung jene grazioese Laessigkeit eigen, die mir unbewusst, schon einst mein Knabenherz entfuehrt hatte. Es wallte heiss in mir auf, und ich hatte der Damen neben mir fast ganz vergessen. Denn jene dunkeln Augen schienen mich bittend anzublicken; ich hoerte, wie die alte Naehterin ihr zusprach, wie der Schiffer sie nicht eben in den hoeflichsten Worten zum Einsteigen draengte; aber noch immer stand die schlanke Maedchengestalt unbeweglich, wie im Traum, die Augen nach mir hingewandt. Schon hatte ich, wie von dunkler Naturgewalt getrieben, ein paar Schritte nach dem Boote zu getan; aber ich bezwang mich; ich dachte an Christoph; seine ehrlichen Augen schienen mich ploetzlich anzusehen. "Es wird nicht Platz dort fuer uns alle sein", sagte ich zu den Damen. Dann gingen wir seitwaerts nach dem andern Fahrzeug am Wasser entlang.--Doch noch einmal musste ich nach Lore zurueckblicken. Sie hatte den Kopf auf die Brust sinken lassen und stieg eben langsam ueber den Bord in das Innere des Bootes, das im Gold der Abendsonne auf dem regungslosen Wasser lag. Bei der Heimfahrt sass ich am Steuer, wortkarg und innerlich erregt; meine Augen mochten wohl mitunter auf dem andern in ziemlicher Entfernung vor uns rudernden Boote ruhen, waehrend die jungen Damen mich vergebens in ihre Plaudereien zu ziehen suchten. "Aber Sie sind heute nicht zu gebrauchen!" sagte die eine; "unsre schoene Naehterin scheint Sie stumm gemacht zu haben!" "Ist Lore Ihre Naehterin?" fragte ich noch halb in Gedanken. "Lore! Woher wissen Sie, dass sie Lore heisst?" "Wir sind aus einer Stadt; ich habe in der Tanzschule meine erste Mazurka mit ihr getanzt." "So!--Sie soll auch jetzt noch gern mit Studenten tanzen." Unser Gespraech ueber Lore war zu Ende; aber ich wusste jetzt, weshalb Christoph nicht hatte reden moegen. Dennoch sah ich ihn spaeter im Laufe des Winters mehrmals an oeffentlichen Orten mit Lore zusammen, meistens in Gesellschaft der lahmen Marie oder einer aelteren Person, welche niemand anders als die Erbtante sein konnte, die dem armen Schneider noch so kurz vor seinem Ende das Kleinod seines Herzens entfuehrt hatte. Eines Abends, es mochte einige Wochen nach Neujahr sein, hoerte ich von meinem Zimmer aus einen Tumult auf der Strasse. Als ich das Fenster oeffnete, bemerkte ich unter dem vorbeiziehenden Haufen hie und da rote Studentenmuetzen; endlich erkannte ich beim Schein der Strassenlaterne auch einen unsrer Pedelle. "Was gibt's, Dose?" rief ich hinunter. "Holz hat's gegeben, Herr Doktor."--Dose nannte mich aus einem nur uns beiden bekannten Grunde allezeit Herr Doktor. "So? Und wohl wieder auf dem Ballhaus?" fragte ich. "Nun, wo denn anders?" Das Ballhaus war ein oeffentliches Tanzlokal, wo die altherkoemmliche Feindschaft zwischen Studenten und Handwerksgesellen sich zuzeiten Luft zu machen pflegte. Es schien diesmal indessen arg geworden zu sein; denn Dose machte andeutungsweise eine hoechst kraeftige Bewegung mit der Faust. "Wer hat's denn gekriegt?" fragte ich noch. Der Alte hielt die Hand vor den Mund und fluesterte mir zu: "Es ist auf die rechte Stelle gekommen, Herr Doktor." Ein Bekannter, der unser Gespraech hoerte, rief im Voruebergehen: "Es ist der Raugraf; die Knoten haben ihm auf Abschlag gezahlt." Der sogenannte "Raugraf" war ein ebenso schoener als wuester junger Mann, der in den Hoersaelen der Professoren selten, dagegen haeufig auf der Mensur und regelmaessig auf der Kneipe zu finden war; einer von denen, die auf Universitaeten eine Rolle spielen, um dann im spaeteren Leben spurlos zu verschwinden. Von den jungen Handwerkern, denen er ihre Maedchen abspenstig machte, wurde er ebensosehr gehasst, wie er fuer die groessere Anzahl der juengern Studenten der Gegenstand einer scheuen Bewunderung war. Nachdem er eine Reihe andrer Universitaeten besucht und, teilweise durch Relegation gezwungen, wieder verlassen hatte, fand er fuer gut, auch die unsrige zu versuchen, und bald gingen von seinem grossen Wechsel und dann von seinen noch groesseren Schulden die mannigfaltigsten Geruechte im Schwange. Der Titel "Raugraf", den er mitbrachte, passte insofern fuer ihn, als er an die Zeiten des Faustrechts erinnert und allerdings die Weise der alten Junker, die ja die Schwaecheren ruecksichtslos fuer ihre Leidenschaften zu verbrauchen pflegten, sich vollstaendig auf ihn vererbt zu haben schien. Da ich den Raugrafen weder genau kannte noch ein Interesse an seiner Person nahm, so schloss ich das Fenster und begab mich zur Ruhe, ohne des Vorfalles weiter zu gedenken. Am Nachmittage darauf sollte ich indessen aufs neue daran erinnert werden.--Ich hatte eben meinen Kaffee getrunken und sass im Sofa ueber einer Pandektenkontroverse, als an die Stubentuer gepocht wurde. Auf mein "Herein!" trat die stattliche Gestalt meines Freundes Christoph vorsichtig und etwas zoegernd in das Zimmer. "Bist du allein?" fragte er. "Wie du siehst, Christoph." Er schwieg einen Augenblick. "Ich muss fort von hier, Philipp", sagte er dann, "Noch heute abend; weit fort, an den Rhein zu meinem Mutterbruder; er ist schwaechlich und braucht einen Gesellen, der nach dem Rechten sehen kann. Aber ich fuerchte, meine Barschaft reicht nicht fuer die Reise, und Fechten, das ist nicht meine Sache." Ich war schon an mein Pult gegangen und hatte eine kleine Geldsumme auf den Tisch gezaehlt. "Reicht das, Christoph?" "Ich danke dir, Philipp." Und er steckte das Geld sorgsam in seine Boerse, die schon einen kleinen Schatz am Gold- und Silbermuenzen enthielt. Erst jetzt sah ich, dass er in seiner schwarzen Sonntagskleidung vor mir stand. "Aber du bist ja in vollem Wichs", fragte ich; "wo bist du denn gewesen?" "Nun", sagte er und rieb sich nachdenklich mit der Hand seine breite Stirn, "ich komme eben von der Polizei!" "Du hast schon deinen Pass geholt?" "Jawohl; meinen Laufpass." Ich sah ihn fragend an. "Es ist wegen der dummen Geschichte auf dem Ballhaus." Mir ging ein Licht auf. "So! Also du bist es gewesen?" sagte ich. Dass mir das nicht sogleich eingefallen ist!" "Freilich bin ich dort gewesen, Philipp." "Lenore war wohl mit dir?" Er nickte. "Und da hast du den Raugrafen durchgepruegelt?" Ein Laecheln befriedigten Hasses legte sich um seinen Mund. "Sie sagen ja, dass ich's gewesen sei", erwiderte er. Der alte Feind der Gymnasiasten sprach dies in solchem Tone der Genugtuung, dass ich ueber den Sachverhalt nicht mehr zweifelhaft sein konnte. Ich musste laut auflachen. "So erzaehl mir doch! Wie kam denn die Geschichte?" "Nun, Philipp--du weisst doch, da ich mit der Lore gehe?" "Seid ihr denn einig miteinander?" "Es ist wohl so was", erwiderte er.--"Sie ist eine anstellige Person; und nach dem Tode der alten Tante bekommt sie auch noch eine Kleinigkeit." Ich sah ihn laechelnd an. "Nun, Christoph, sie ist auch sonst so uebel nicht; du haettest so ueberzeugend sonst auch schwerlich zugeschlagen!" Er blickte einen Augenblick vor sich hin. "Ich weiss es kaum", sagte er, "wir standen in der Reihe, Lore und ich--es geschah nur ihr zu Gefallen, dass ich hingegangen war--, da kam der lange blasse Kerl, der schon immer auf sie gemustert und dabei mit einem andern getuschelt hatte, und wollte extra mit ihr tanzen." "War er denn unverschaemt gegen deine Dame?" "Unverschaemt?--Sein Gesicht ist unverschaemt genug!" "Und Lore?" sagte ich, meinen Freund scharf fixierend. "Sie haette wohl gern mit dem schmucken Kavalier getanzt?" Er zog die Stirnfalten zusammen, und ich sah, wie sich eine truebe Wolke ueber seinen Augen lagerte. "Ich weiss es nicht", sagte er leise.--"Es war nicht gut, dass ihr das Maedchen damals in eurer Lateinischen Tanzschule den Notknecht spielen liesset." Er reichte mir die Hand. "Leb wohl, Philipp", sagte er, "das Geld schicke ich dir; sonst wirst du wohl nicht viel von mir zu hoeren bekommen; aber um Jahresfrist, so Gott will, bin ich wieder hier, oder bei uns daheim." Er ging.--Ich suchte vergebens mich wieder in meine unterbrochenen Arbeiten zu vertiefen; eine unbestimmte Sorge um die Zukunft des Jugendgespielen hatte mein Herz beschlichen. Ich wusste nur zu wohl, was seine Worte nicht verraten sollten, dass seine Phantasie von jenem Maedchen ganz erfuellt war und dass alle Kraefte dieses tuechtigen Kopfes darauf hinarbeiteten, sein Leben mit dem ihren zu vereinigen. Bald darauf ging ich in die Wohnung meiner Hauswirte hinab, bei denen ich damals meinen Mittagstisch hatte. Es mochte etwas fruehzeitig sein; denn von den Hausgenossen hatte sich niemand eingestellt; aber in der Nebenstube traf ich die kleine Naehterin, die "lahme Marie", welche stumm und einsam inmitten einer Wolke weisser Stoffe mit der Nadel hantierte.--Da ich sie oft in Gesellschaft der beiden Menschen gesehen hatte, deren Geschick mich jetzt beschaeftigte, so erzaehlte ich ihr den gestrigen Vorfall, in der Hoffnung, ueber die Ursache desselben Naeheres zu erfahren. "Ich hab' es kommen sehen!" sagte sie, die duennen Lippen zusammenkneifend; "der Tischler ist wohl sonst ein ganzer Kerl; aber gegen das Maedchen ist er zu gutwillig; was wollte er mit ihr auf dem Ballhaus!" Ich fragte naeher nach. Sie raeumte eine Partie Zeuge von einem Stuhl, damit ich mich setzen koenne.--"Sie kennen vielleicht das kleine Haus in der Pfaffengasse", begann sie dann, als ich ihrem Wink gefolgt war; "die alte Schmieden, die Tante von der Lore, hat es vor Jahren von dem Pferdeverleiher nebenan gekauft; aber den Hof dahinter, weil er zu seinem Geschaeft doch grossen Raum braucht, hat der Verkaeufer sich vorbehalten, so dass er mit seinem nun in eins zusammengeht; nur in der Mitte auf einem Stueckchen Rasen darf die Alte ihre Waschsachen trocknen und bleichen, soweit es damit reichen will. Sie ist Geschwisterkind mit meiner seligen Mutter, und seit ich konfirmiert war, bin ich oft mit ihr zum Naehen ausgegangen. "Ich denk, es war kurz vor Martini vorigen Jahrs; ich machte mich gleich nach Mittag zu der Schmieden; denn wir hatten eine grosse Seidenwaesche zusammen. Unterwegs begegne ich dem Tischler, der damals schon mit der Lore ging. Wir sprechen ein Wort zusammen, und im Weggehen ruft er mir noch lachend zu: 'Bei Feierabend komm ich und helf euch die Klammern aufsetzen!' Ich sagt's auch der Lore; aber sie schien nicht gross darauf zu achten. "Spaetnachmittags, da wir drinnen fertig waren, gingen wir hinaus, um die Leine zwischen den Pfaehlen aufzuscheren, die draussen auf dem Grasrondell stehen. Lore, das Kleid ueber ihren Halbstiefelchen aufgeschuerzt, ging mit dem kleinen hoelzernen Tritt von einem zum andern. Die Alte hatte sich drinnen in ihren Lehnstuhl schlafen gesetzt; ich--ich bin die Groesste nicht und konnte ihr eben nicht viel dabei helfen." Und die Erzaehlerin suchte ihren duerftigen Koerper moeglichst gradezurichten. "Ich hatte mich neben dem Waschkorb auf einen Prellstein gesetzt und sah mir's an, wie vor dem Stall der Knecht des Nachbars einen Goldfuchs striegelte.--Ich hab' die Pferde gern, wissen Sie, denn mein Vater ist auch ein Fuhrmann gewesen.--Es war gar ein schoenes Tier; und wenn es so den Kopf aus dem Schatten in die Sonne hinauswarf, glaenzten die Haare wie Metall; aber an dem feinen Beinwerk merkte ich wohl, dass es keines von des Nachbars Mietgaeulen sei.--'Wem gehoert das Pferd?' fragte ich Lore, die eben ihr Holztreppchen hart neben mir an den letzten Pfahl gerueckt hatte.--'Das Pferd?' sagte sie, indem sie sich auf den Fussspitzen hebt und die Leine um das Querholz schlingt; 'das gehoert dem fremden Studenten; ich weiss nicht, wie er heisst.' --Ich sah zu ihr hinauf; aber sie wandte nicht den Kopf und wickelte noch immer fort mit der Leine. Als ich eben ungeduldig werden wollte, sagte hinter mir eine Stimme: 'Es ist genug, Fraeulein Lorchen!' "Ich sehe noch, wie sie die Arme sinken laesst und hastig das aufgeschuerzte Kleid herunterzupft, und da ich den Kopf wende, steht der blasse vornehme Student vor mir, und Lore, ohne ein Wort zu sagen, springt von ihrem Tritt herunter und stellt sich neben mich. --Der junge Herr steht auch nur und macht scharfe Augen auf die Lore, als wenn er das Anschauen ganz umsonst haette. Dass dich! dachte ich und fing aufs Geratewohl einen lauten Diskurs ueber den Goldfuchs an, und red'te so lang, bis ich Antwort hatte, und ehe ich mich's versehen, waren wir alle drei auf den Hof hinuebergetreten. Das Pferd scharrte mit den Hufen und sah seinen Herrn mit den klugen Augen an; Lore stand daneben, und recht, als truege sie Verlangen nach dem Tier, liess sie ihre flache Hand an dem spiegelblanken Hals herabgleiten. 'Er ist lammfromm', sagte der junge Herr; 'was meinen Sie, Fraeulein Lore, drinnen im Stall haengt noch ein Damensattel!'--Sie schuettelte den Kopf; aber ich hoerte, wie ihr der Atem versetzte, und ihre Augen blitzten ordentlich vor Lust. Der Herr Graf hatte das wohl auch verstanden; denn auf seinen Wink wurde der Sattel aufgeschnallt und ein leichter Zaum angelegt. Lore sah darauf hin, als wenn ihr die Augen verhext waeren. Als aber der Knecht ihr das Holztreppchen zum Aufstieg hinstellte, warf es der junge Herr beiseite. 'Pfui doch, Johann!' rief er; und als wenn sich's nur von selbst verstaende, fasste er das junge Maedchen unterm Arm. 'Treten Sie fest!' sagte er und hielt die andre Hand vor sie hin, indem er mit seinen durchdringenden Augen zu ihr aufsah. Und Lore, als muesse sie nur immer tun, wie der es wollte, setzte ihr Fuesschen in seine Hand. Ich merkte wohl, er zoegerte; aber es war nur ein Augenblick; dann hob er sie mit einem raschen Schwung hinauf. "Sie sah ganz verwirrt aus und schlug die Augen nieder, als sie droben sass, und liess sich geduldig den Zaum zwischen den Fingern von ihm zurechtlegen. Der Fuchs schuettelte den Kopf und stiess ein lautes Wiehern aus. Sein Herr strich ihm ein paarmal liebkosend ueber das seidene Fell; dann legte er die Hand hinter Lore auf den Sattel; mit der andern fasste er den Zaum und fuehrte das Pferd langsam um das Rondell herum. "Ich muss es selbst sagen, sie machten ein stolzes Paar zusammen, und es haette wohl keiner gedacht, der sie so gesehen, dass die feine Person nur eine arme Naehterin und eines Schneiders Tochter sei. "Bald ging es ihr schon nicht rasch genug. Sie warf die Hand empor, das Pferd fing an zu traben, und der junge Herr trat auf das Rondell zurueck. Aber er liess kein Auge von ihr; wie das Pferd lief, so ging er, die Reitpeitsche in der Hand, im Kreise mit umher; als sei es ihm angetan, so flogen seine Blicke an dem Maedchen hin und wider, von ihren schwarzen wehenden Haaren bis zu dem Fuesschen, das oben an dem Sattel unter dem Kleide hervorsah. Bald rief er ihr, bald seinem Fuchs ein kurzes Wort hinueber. Das Tier lief immer schneller; es schob und peitschte mit dem Schweife in die Luft. Lenore sah gar nicht darauf hin. Sie sass nur wie angeflogen und laechelte und sah auf den jungen Herrn, grad als waeren's seine Augen, die sie auf dem Sattel festhielten. "So ging es eine Weile. Wenn die Alte herauskaeme, dachte ich. Es gaebe ein boeses Wetter! Aber sie kam nicht. Da ploetzlich schwenkte eine Flucht Tauben mit grossem Geklapper ueber den Hof, und der Fuchs stutzt und macht einen Satz. Ich denk, die Lore stuerzt herunter; aber nein, sie hing noch an dem Hals des Pferdes; nur blass war sie geworden wie der Tod. 'Oho, Virginie!' ruft der Herr, und gleich ist er auch drueben, hat die Lore auf seinen Armen, sieht sie einen Augenblick mit den scharfen Augen an und laesst sie dann sanft zu Boden gleiten.--Ehe ich mich noch besinne, hoere ich die Hoftuer gehen. Da ist die Alte! denk ich; aber als ich mich umkehre, steht der Tischler vor mir.--Waer's nur die Alte gewesen, ich haette mich nicht so alteriert; denn ganz wie versteinert sah der Mensch aus. 'Ist denn schon Feierabend, Herr Werner?' ruf ich. Aber er achtet gar nicht darauf. 'Guten Abend, Marie!' sagt er mit ganz heiserer Stimme, und er wuergt ordentlich daran, als wenn ihm das Wort im Halse steckenbleiben muesste.--'Wollen wir nicht ins Haus gehen?' sag ich wieder. 'Ich danke', antwortet er; 'ihr habt da schon Gesellschaft.'--Und ohne das Maedchen anzusehen oder eine Silbe an sie zu verlieren, kehrt er sich um und geht durch den grossen Torweg der Strasse zu. "Lore stand, ohne sich zu ruehren, neben dem schnaubenden Pferde. 'Was wollte der Mensch?' fragte der Graf. 'Es ist ein Landsmann von mir', erwiderte sie leise. 'Es ist Herr Werner', sagte ich, 'der erste Arbeiter in dem grossen Moebelmagazin'; denn mich aergerte das spoettische Gesicht, womit der Herr dem Tischler nachgesehen hatte." Die Erzaehlerin hatte eine Arbeit vollendet; sie stand auf und legte die Stoffe zusammen. Nebenan im Wohnzimmer fanden sich die Hausgenossen zum Mittagstisch zusammen. "Was ist denn daraus geworden?" fragte ich noch. "Was ist daraus geworden?" wiederholte sie. "Ich habe eine Zeitlang hin und wider geredet; am Ende--der Tischler kann ja doch nicht von ihr lassen, und sie, wenn ihr nicht just der Kopf verrueckt ist, weiss auch wohl, was sie an ihm hat. Die schoenen vornehmen jungen Herren sind ja nun doch einmal doch fuer sie gewachsen." Wir gingen zu Tische. Aber die Geschichte der lahmen Marie lag mir schwer auf dem Herzen.--Lore und Christoph! Ich konnte mir die beiden Menschen nicht zusammen denken. Bald nach Ostern hatte eine ploetzliche Erkrankung meiner Mutter mich nach Hause gerufen. Erst im August, da ich die voellig Genesende mit Ruhe der Sorge meines Vaters und der Heilkraft der milden Luefte ueberlassen konnte, kehrte ich auf die Universitaet zurueck. Als ich fortreiste, war auf der weiten Seebucht neben der Stadt noch kaum das Eis verschwunden; nun rauschte ueber allen Wegen das volle Laub des Sommers. Es war am Vormittage nach meiner Ankunft; von meinen Bekannten hatte ich noch keinen gesprochen. Ich stand nachdenklich in der Mitte meines einsamen Studentenstuebchens; das ausgetrocknete Tintenfass auf dem Schreibtisch und die bestaubten Buecher sahen mich unbehaglich an; der halb ausgepackte Koffer auf dem Fussboden machte es nicht besser. Aber die Sonne schien durch die Fensterscheiben und lockte mich hinaus, und bald ging ich, wie ich es schon als Knabe liebte, nur mit mir allein, im Schatten der breiten Ulmenallee, welche eine Strecke oberhalb des Wassers am Seestrande entlang fuehrt. Wie ein duesteres Gewoelbe standen die ungeheuern Baeume ueber mir, waehrend zu beiden Seiten auf Laub und Graesern und in den Fenstern der hier ueberall im Gruen versteckten Gartenhaeuser die helle Morgensonne funkelte; mitunter, wo er durch die Buesche sichtbar wurde, traf auch ein Blitz des Meeresspiegels meine Augen.--Ich ging langsam weiter, die frische Luft mit vollen Zuegen atmend; nur einzelne unbekannte Menschen begegneten mir, denn die Stunde des Spazierengehens hatte noch nicht geschlagen. Allmaehlich aber hoerten die Gaerten auf; statt der Ulmen waren es hier schlanke aufstrebende Buchen, die zur Seite standen. Noch eine kurze Strecke, und ich ging in einem kuehlen Walde, der zur Linken, eine Anhoehe hinansteigt, waehrend ich nach der andern Seite durch die Baeume auf die See hinabblicken konnte. Vor mir aus dem Dickicht klang der Silberschlag des Buchfinken und der Lockruf der Schwarzamsel; dazwischen wie Musik hoerte ich fortwaehrend das Lispeln der Blaetter und drunten zu meinen Fuessen das Anrauschen des Wassers. Mir kam ploetzlich die Erinnerung an ein halb verfallenes Haus, das hier im Walde liegen musste. Vor Jahren als Sekundaner war ich einmal mit einem mir verwandten Studenten dort gewesen, den ich von der Schule aus besucht hatte. Es war, so erfuhr ich damals, von einem spekulierenden Schenkwirt gebaut worden; aber die Spekulation missglueckte; es war ihm nicht gelungen, den grossen Zug der Gaeste in seine Einsamkeit hinauszulocken. Er hatte verkaufen muessen, und der neue Eigentuemer liess derzeit die spaerliche Wirtschaft durch einen Kellner verwalten. Ich entsann mich des langen blassen Menschen sehr wohl, und auch das einstoeckige Gebaeude, welches zwischen den hohen Buchen etwa auf der Haelfte der Anhoehe lag, stand jetzt mit Deutlichkeit vor meinen Augen. Unter der kleinen Saeulenhalle, welche die Mitte der Front einnahm, hatte ich damals mein erstes Glas Grog getrunken; von hier aus waren wir durch eine grosse Fluegeltuer in einen hohen duestern Saal getreten, dessen Fenster nach hinten in den Wald hinaussahen. Mich ueberkam ein Verlangen, den einsamen Ort wieder aufzusuchen; zugleich eine Besorgnis, er moege jetzt verschwunden oder fuer mich nicht mehr zu finden sein. Waehrend ich so meinen Gedanken nachhing, bemerkte ich aufblickend einen schmalen Fussweg, der sich links vom Wege zwischen den Baeumen hinaufschlang. Ich stand einen Augenblick; so war es damals auch gewesen; dann stieg ich langsam den Berg hinauf. Nach einiger Zeit sah ich vor mir zwischen den Staemmen ein graues Schieferdach auftauchen, allmaehlich wurden auch die Kapitaele einer kleinen Saeulenhalle und zu jeder Seite derselben der obere Teil eines Fensters sichtbar. Noch ein paar Schritte, und eine breite Steintreppe fuehrt aus dem Baumschatten auf einen kleinen ebenen Platz hinaus. Da lag es vor mir; mitten im Walde, im stillsten Sonnenschein. Die Zeit schien hier kaum etwas veraendert zu haben; wie damals war der urspruenglich roetliche Anwurf der Mauern, wo er nicht abgeblaettert an der Erde lag, ueberall mit gruenem Moos bezogen, und aus den Spalten der hoelzernen Saeulen draengte sich braunes wucherndes Schwammgewaechs; auch jetzt noch stand unter der kleinen Halle eine dunkelgruene Bank zu jeder Seite der halb geoeffneten Fluegeltuer.-- Ich setzte mich auf eine derselben und blickte durch die Luecke des Gehoelzes auf die See hinab, wo eben ein Fischerboot im Sonnenschein vorueberglitt.--Menschen schienen hier oben nicht zu hausen, es ruehrte sich nichts; auch hinter mir aus dem Hause vernahm ich keinen Laut; nur eine Waldbiene summte in raschem Fluge vorueber, und an den Grasraendern der Steintreppe gaukelten zwei dunkle Schmetterlinge. Nach einer Weile stand ich auf und ging in den Saal. Er schien mir noch duesterer fast, als ich ihn mir gedacht hatte; die dicht vor dem Fenster stehenden Baeume schienen ihre Zweige bis ueber das Dach zu breiten. Ich schlug mit meinem Stock auf einen Tisch, dass es an der hohen Decke widerhallte; aber es kam niemand.--Zur Linken in einem Nebenzimmer, in das ich hineinblickte, stand ein einsames Billard. Aber gegenueber an der andern Seite des Saals war noch eine Tuer; ich oeffnete sie und gelangte in einen schmalen Gang und durch diesen wiederum ins Freie.--Neben einer Kegelbahn, die dicht am Hause lag, fand ich einen schon aelteren Menschen, mit einer gruenen Schuerze angetan, auf dem Rasen eingeschlafen. In der Tat, es schien auch derselbe Kellner noch von damals!--Als ich ihn mit dem Stock beruehrte, riss er die Augen auf und sprang empor. "Ich bitte, mein Herr", sagte er, "ich habe wenig Ruhe gehabt die Nacht." Ich sah ihn verwundert an. "Sie wissen das nicht?" fuhr er fort, indem er mich von Kopf zu Fuessen musterte. "Die Herren Korpsburschen haben ja seit Ostern ihren Kneipabend hierher verlegt." Ich wusste das in der Tat nicht, obgleich die meisten meiner Bekannten zu dieser Verbindung gehoerten. Waehrend ich einen Krug Bier und eine Schnitte Brot bestellte, waren wir in den Saal zurueckgegangen.--Als der Tagesschein durch die geoeffnete Tuer fiel, wurden auf der Mitte des Fussbodens ein paar dunkle Flecke sichtbar, die mir keinen Zweifel liessen, dass nicht nur die Kneipabende, sondern auch die dazugehoerigen "Paukereien" in diese Einsamkeit verlegt waren.--"Weshalb schafft ihr denn das Blut nicht fort?" fragte ich. "Um Entschuldigung, mein Herr", erwiderte der blasse Kellner, "aber der Fleck kommt immer wieder; es ist von damals, als das Unglueck hier passierte.--Es sah sich uebel an, als der hitzige junge Herr auf einmal so still und weiss wurde." Ich entsann mich sogleich jenes Vorfalls, der einer duerftigen Offizierswitwe ihren einzigen Sohn gekostet hatte. Es war bald nach meiner Abreise geschehen und hatte auf kurze Zeit die Teilnahme des ganzen kleinen Landes in Anspruch genommen. Ich ging in die Halle hinaus und setzte mich auf eine der gruenen Baenke, des armen heissbluetigen Jungen gedenkend, dessen Leben hier die letzte Spur zurueckgelassen hatte. Nach einer Weile brachte der Kellner das bestellte Fruehstueck. "Heut abend koennte Sie was Besseres haben", sagte er, indem er Krug und Teller vor mir auf den Tisch stellte. "Wir haben Ball; da schickt der Prinzipal allemal seine Koechin heraus." "Ball?" fragte ich erstaunt. "Wer tanzt denn hier mitten im Walde?" "Nun", erwiderte er und blickte fast ein wenig despektierlich auf meine nicht allzu moderne Kleidung, "die vornehmsten Herren Studenten haben das so eingerichtet." Mir fiel ploetzlich eine Stelle aus dem Briefe eines Freundes ein, den ich waehrend meines Aufenthaltes in der Heimat erhalten hatte. "Zum Hexensabbat nennen wir es; und es geht toll genug her!" So lauteten die Worte. Ich wusste jetzt, wovon die Rede war; ich hatte nur den Ort vergessen. Der Kellner schien uebrigens jenen Namen nicht eben gern zu hoeren. Waehrend ich ihn aber noch damit zu schrauben suchte, waren zwei junge, mir wenig bekannte Studenten den Berg heraufgekommen. Sie warfen sich, ohne von mir Notiz zu nehmen, an der andern Seite der Tuer auf die Bank, waehrend sie in scharf akzentuierten Worten und mit einem grimmigen Gesichtsausdruck jeder ein Seidel Bier bestellten. Dann, waehrend der Kellner sich entfernte, kam in abgebrochenen Saetzen, mitunter durch Pfeifen oder lautes Gaehnen unterbrochen, eine Unterhaltung ueber die bevorstehende Tanzfestlichkeit in Gang, die der eine, offenbar ein "Fuchs" von neuestem Datum, erst durch seinen etwas aelteren Genossen kennenlernen sollte. Eine nach der andern wurden die Taenzerinnen in knapper, nicht eben zartester Portraetierung vorgefuehrt; voran die Toechter eines Winkeltanzmeisters und eines trunkanfaelligen Polizisten, mit deren Hilfe das Institut begruendet war; in ihrem Gefolge eine ganze Reihe freund- und elternloser Maedchen, die waehrend des Tages mit ihrer Haende Arbeit sich ein kaergliches Brot verdienten. Ich verzehrte indessen schweigend mein Fruehstueck und fuetterte mitunter einen Buchfinken, der furchtlos neben mir auf den Fliesen umherlief und die ihm hingeworfenen Brotkrumen aufpickte. "Die Graefin sollst du erste sehen!" begann der aeltere meiner beiden Nachbarn wieder, indem er seinen kleinen Schnurrbart drehte. Der andere tat eine verwunderte Frage. Sein Freund lachte: "Es ist nur eine Naehterin, Ludwig; aber wenn sie dich so kalt mit ihren schwarzen Augen ansieht!--Sie ist verdammt von oben herab." "Aber warum nennt ihr sie denn die Graefin?" "Nun, siehst du--der Raugraf hat sie." Ich weiss nicht, weshalb ich bei diesen Worten erschrak. Schon wollte ich naehere Erkundigungen bei dem jungen Renommisten einziehen, als mir einfiel, dass ich bei meinem Fortgehen die lahme Marie in der Hinterstube meiner Hauswirtin gesehen hatte. Ich machte mich sofort auf den Rueckweg; und eine halbe Stunde spaeter stand ich neben ihr und hatte ein Gespraech mit ihr angeknuepft. "Und Sie haben Lenore seit lange nicht gesehen?" fragte ich. Sie schwieg einen Augenblick. "Ich gehe nicht mehr mit ihr", sagte sie, indem sie auf ihre Arbeit blickte. "Sie schienen doch sonst so gute Freunde!" "Sonst, ja!"--Sie strich ein paarmal mit dem Nagel ueber die eben angefertigte Naht. "Aber seitdem sie draussen bei den Studenten tanzt--sie wird die laengste Zeit bei der alten Tante gewesen sein; und mit dem Testament mag es nun auch wohl anders werden." Also doch! dachte ich.--Christoph hatte mir das entlehnte Geld schon einige Zeit nach seiner Abreise mit der kurzen Bemerkung zurueckgesandt, dass er im Hause seines Oheims eine freundliche Aufnahme, bei den beiden Alten nicht weniger als bei deren schon etwas aeltlicher Tochter, und ausserdem Arbeit vollauf gefunden habe. Seitdem hatte ich Naeheres weder von ihm noch von Lenore gehoert. "Aber wie ist denn das gekommen?" fragte ich nach einer Weile, waehrend die Naehterin emsig gearbeitet hatte. "Nun!" sagte sie und steckte fuer einen Augenblick die Naehnadel in das Zeug. "Es war vierzehn Tage vor Pfingsten; die Lore war schon lange unwirsch gewesen; ich dachte erst, weil der Tischler ihr noch immer nicht geschrieben hatte; mitunter aber kam's mir vor, als sei das ganze Verloebnis ihr leid geworden, und als koenne sie in sich selber darueber nicht zurechte kommen. Sie scherte sich auch keinen Deut darum, ob sie mich oder eine von ihren vornehmen Herrschaften mit den kurzen Worten vor den Kopf stiess; am schlimmsten war es aber, wenn sie gegenueber die Musik vom Ballhaus hoerte; denn sie hatte dem Tischler doch versprechen muessen, nicht zu Tanze zu gehen. --Eines Abends nun, da wir vor meiner Tuer auf der Bank sitzen, kommt mein Schwestersohn, der Schneider, der erst gestern aus der Fremde heim war, mit ein paar andern Gesellen zu uns. Er war den Rhein herabgekommen, hatte auch dort in zwei oder drei Staedten, die er namhaft machte, gearbeitet. Die andern fragen; er erzaehlt.-- 'So hast du den Christoph Werner auch gesehen?' sagt der eine.-- 'Den Tischler, freilich hab' ich ihn gesehen; der hat sein Glueck gemacht.'--'Wie denn?' fragt der andre.--'Wie denn? Er heiratet die Meisterstochter; und sie hat--du verstehst mich!' Er machte wie Geldzaehlen mit den Fingern. Mir wurde himmelangst bei diesen Reden. 'Du bist nicht gescheit, Junge', sag ich, 'was schwatzest du da ins Gelag hinein!'--'Oho, Tante, gescheit genug!' ruft er, 'bin ich doch dabeigestanden, dass er die Bretter zu seinem Hochzeitsbett gehobelt hat!'--Lore, auf dieses Wort, ohne einen Laut zu geben, steht sie von der Bank auf, nimmt ihren Hut und geht, ohne sich umzusehen, die Strasse hinab. 'Was fehlt der?' fragt mein Schwestersohn noch.--'Ich weiss nicht, Dietrich.'--Und ich wusste es auch wirklich nicht. Es war nicht gar so heiss gewesen zwischen ihr und dem Tischler; denn er war ihr lange nachgegangen, und sie hatte sich zweimal bedacht, bevor sie ja gesagt; und wenn ich's auch schon wusste mit dem vornehmen jungen Herrn, dem Studenten, so dachte ich doch nicht, dass er ihr so ganz ihren eigensinnigen Kopf verrueckt hatte. "Noch eine Weile sass ich bei den andern und hoerte, was der Junge, der Schneider, zu erzaehlen wusste; aber ich hoerte nur halbwegs, und bald litt es mich nicht laenger; denn ich sorgte doch um sie. "So ging ich denn hinterher und traf sie, wie ich es mir auch gedacht hatte, drunten im Haus der Tante, wo sie in einem Hinterkaemmerchen ihre Menage hatte. Da stand sie mitten im Zimmer kreideweiss und nagte sich auf den Lippen, dass ihr das Blut uebers Kinn lief; alle ihre Schubfaecher und Schachteln hatte sie aufgerissen, und Tuell und Baender lagen um sie her gestreut auf dem Fussboden. 'Lore', rief ich, 'was machst du, Lore?' Aber sie schien nicht auf mich zu hoeren.--'Ist Sonntag Tanz im Ballhaus?' fragte sie.--'Im Ballhaus? Was geht das dich an?' --'Ich will mittanzen!'--'Du? Was wuerde dein Schatz wohl dazu sagen?'--'Was geht mich mein Schatz an!'--Sie hatte waehrenddes ihren Hut aufgesetzt und ihr Umschlagetuch von der Kommode genommen; dann schloss sie ein Kaestchen auf, worin sie ihr Erspartes hineinzulegen pflegte--denn wenn sie auch manchen Schilling fuer Putz vertat, so war sie doch stolz und hatte immer nicht so nackt und bloss zu ihrem Braeutigam kommen wollen. Nun riss sie das Papier, worin es eingewickelt war, herunter und liess das lose Geld in ihre Tasche fallen. 'Willst du mit?' fragte sie. 'Ich muss Einkaeufe machen.'--Ich wusste nicht, was sie wollte; aber sie dauerte mich, und so ging ich mit ihr; denn ich hoffte noch, das mit dem Tanzen ihr wieder auszureden. Aber es waren leere Worte; denn sie ging hastig neben mir die Strasse hinab und antwortete nicht und sah nicht nach mir hin. "Als wir bei dem Schnittwarenhaendler am Markte vor dem Ladentisch standen, liess sie sich die dicksten seidenen Baender und die modernsten Jakonetts vorlegen, wie sie deren sonst wohl nur zuzeiten fuer die Vornehmsten in der Stadt verarbeitet hatte. Sie suchte dazwischen umher und warf es durcheinander. Der Ladendiener legte noch eine Ware vor. 'Wenn es der Dame, die das Kleid bestellt hat, auf den Preis nicht ankommt!' sagte er und streckte die Hand unter den klaren, durchsichtigen Stoff. 'Nein', sagte Lore, 'es kommt ihr auf den Preis nicht an.'--Ich stiess sie heimlich an; denn ich verstand es nun wohl, dass sie die kostbaren Zeuge fuer sich selber wollte. 'Lore', sagte ich leise, 'ich bitte dich, besinne dich doch, was willst du mit den feinen Sachen?' --Aber sie kehrte sich nicht daran, sie liess den Ladendiener abschneiden und zaehlte das schoene harte Geld auf den Tisch, als wenn sie nicht mehr wuesste, wie viele Tage sie sich sauer darum hatte tun muessen. 'So lass doch', sagte sie, als ich ihren Arm zurueckhielt; 'ich will auch einmal fein sein; ich bin nicht haesslicher als die Schoenste hier!'-- "Dann ist sie nach Haus gegangen und hat die ganze Nacht und den folgenden Tag gesessen und mit der heissen Nadel genaeht, bis das teure Kleid fertig gewesen ist. "Am Sonntag darauf," fuhr die Erzaehlerin fort, nachdem sie zuvor einen neuen Faden durch die Nadel gezogen hatte, "abends, da es schon spaet gewesen ist, hat sie sich von den weissen Maililien in ihr schwarzes Haar gesteckt und ist dann aufs Ballhaus gegangen. "Ich hab' das alles nur von meinem Schwestersohn," setzte sie hinzu, "das ist auch einer, der keinen Tanz verpassen kann.--Sie hat erst lange gesessen; denn die jungen Handwerksleute haben sich gar nicht an sie getraut, und die Studenten hat sie selber einen nach dem andern abgewiesen; es haette nahezu wieder einen Aufruhr um sie gegeben. Der blasse Student, wie heissen sie ihn gleich?"-- "Der Raugraf!" sagte ich. "Freilich, der ist auch da gewesen, aber er hat sich wie gar nicht um sie gekuemmert. Zuletzt hat er doch kommen muessen; denn zu schoen hat sie ausgesehen; als wenn sie aus dem Morgenland gekommen waere, haben sie gesagt. Sie ist blutrot geworden, als er zu ihrem Platz getreten ist, und hat am ganzen Leibe gezittert. Aber nun ist sie aufgestanden und hat ihm die Hand gegeben, und er hat sie angesehen, sagt mein Schwestersohn, als wenn er sie hat verzehren sollen. Sie hat auch mit keinem sonst getanzt; denn bis die Musikanten ihre Geigen eingepackt haben, sind die beiden miteinander nicht wieder von der Diele gekommen." Die lahme Marie schwieg; nur "Ja, ja!" sagte sie noch einmal, wie in Gedanken die Moral aus ihrer Erzaehlung ziehend; dann setzte sie eifriger als zuvor ihre Arbeit fort. Ich wusste genug und beschloss, um nun auch mit eignen Augen zu sehen, mich heute abend selbst auf den "Hexensabbat" zu begeben. Draussen im Walde Es war schon dunkel; eine schwuele Luft lag ueber dem Walde, waehrend ich die Anhoehe hinauf den Weg durch die Baumstaemme zu finden suchte. Als ich die Steintreppe erstiegen hatte, blieb ich unwillkuerlich stehen. Neben mir sah ich ein paar weisse Maedchengestalten durch die Baeume schluepfen und dann seitwaerts im Hause verschwinden. Es schien eben eine Tanzpause zu sein; ich hoerte drinnen in dem hellerleuchteten Saal die Musikanten ihre Geigen stimmen; an den offenen Fluegeltueren vorbei trieben Studenten und Maedchen in lebhaftem Verkehr vorueber. Ich konnte mich nicht ueberwinden, sogleich hineinzugehen; vor meinem innern Auge stand die liebliche Kindesgestalt des Maedchens; ich sah sie wieder an dem Halse ihres armen Vaters hangen; ich dachte daran, wie sie so hartnaeckig meiner knabenhaften Leidenschaft ausgewichen war. Ein ploetzlicher Schmerz kaempfte in meiner Brust; ich weiss kaum, war es Mitleid oder Eifersucht. Endlich stieg ich die beiden Stufen der kleinen Halle hinan und stellte mich unbemerkt an den Pfosten der offenen Tuer. Die Pause dauerte noch fort; aber es schien darum nicht weniger lebendig; die Studenten, die an den Seitentischen oder im Nebenzimmer sassen, redeten und klappten mit ihren Seideln, die Maedchen trieben sich lachend und plaudernd auf und ab; mitunter fuhr ein uebermuetiger Schrei durch den Saal. Es waren anmutige Gesichter unter diesen Maedchen; jugendliche Gestalten mit grossen leidenschaftlichen Augen, die durch den Ausdruck sorglosen Lebensgenusses oder einen vorueberwandelnden Zug von Leid nicht weniger anziehend wurden. Trotz ihrer Armut waren sie alle sauber gekleidet, in hellen, durchsichtigen Stoffen, eine Blume oder einen frischen Kranz in dem sorgfaeltig geflochtenen Haar. Dies hatte indessen bei ihren Taenzern nicht eine gleiche Ruecksicht zu bewirken vermocht; denn namentlich die Juengeren und einige der sogenannten "Haupthaehne" der Verbindung scheuten sich nicht, in Gegenwart ihrer Damen die Beine behaglich ueber Tisch und Baenke auszustrecken. Meine Augen suchten Lore, und sie brauchten nicht lange zu suchen. Sie sass dem Billardzimmer gegenueber zwischen einem Paar juengerer Maedchen, die lebhaft zu ihr sprachen, waehrend sie teilnahmslos vor sich hinblickte. Im Haar trug sie eine weisse Rose, eine Seltenheit in dieser Jahreszeit; aber auf ihrem Antlitz war die Rosenzeit vorueber; kein Rot schimmerte mehr durch diese zarten, blassen Wangen. Auch den Raugrafen sah ich; er sass mit uebergeschlagenen Beinen, wie ermuedet, an der andern Seite des Saales.--Ich stand in seiner Naehe. Als die Musikanten ihre Instrumente zur Hand nahmen, trat einer der juengeren Studenten zu ihm. "Lass mir die Lore fuer diesen Tanz!" sagte er schuechtern. "Ein andermal, Fuchs!" erwiderte der Raugraf und lehnte seinen schoenen, aber bleichen Kopf zurueck gegen die Wand. Die Musik setzte ein; allein er stand nicht auf, um seine Taenzerin zu holen; er hob laessig die Hand und machte gegen sie hin ein Zeichen mit den Fingern. Ich sah, wie sie einen zornigen Blick zu ihm hinwarf und dann, ohne aufzustehen, ihre Augen in die aufgestuetzte Hand begrub. Der Raugraf faltete die Stirn, und nach einer Weile sprang er auf und schritt durch den Saal, bis er vor ihr stand.--Als sie auch jetzt nicht aufblickte, legte er den Arm um sie und zog sie mit einer raschen Bewegung zu sich empor. Er schien einige Worte mit Heftigkeit hervorzustossen; ich war indes zu weit entfernt, um etwas davon verstehen zu koennen. Dann trat er mit ihr an die Spitze der uebrigen Paare und eroeffnete den Tanz. Sie war eine voll ausgewachsene Maedchengestalt, aber gleichwohl reichte sie ihm nur bis an die Brust. Ich sah ihnen lange nach; sie hatte den Kopf in den Nacken fallen lassen, waehrend sie fast von seinem Arm getragen wurde und nur mit den Fussspitzen den Boden beruehrte; er neigte sich ueber sie, und seine Augen lagen unbeweglich wie die eines jungen Raubvogels auf ihrem Antlitz, das sie mit geschlossenen Lidern ihm entgegenhielt. Als der Tanz zu Ende war, fuehrte er sie an ihren Platz und liess sie leicht aus seinen Armen auf den Stuhl gleiten. Die Pause dauerte indes nicht lange. Bald entstand eine Unruhe im ganzen Saal; die Musik setzte in rasendem Tempo ein, und die Paare reihten sich stuermisch aneinander. Der Tanz begann aufs neue, Gelaechter und ausgelassene Rufe flogen durch die Runde; immer wilder sah ich die kleinen leichtfertigen Fuesschen ueber die dunkeln Flecke des Fussbodens gleiten. Endlich kam es zu einer Tour, durch deren ungestueme Ausfuehrung die ganze Reihe der armen Kinder unausbleiblich zu Fall gebracht wurde. Dann wie auf einen Wink schwieg die Musik, und waehrend ihre Taenzer lachend ueber sie hinwegsprangen, standen sie mit heissen Gesichtern auf und strichen sich das Haar aus der Stirn oder suchten den Staub von ihrem muehsam erarbeiteten Ballstaat abzuschlagen.--Ich weiss nicht, war es noch ein Rest von dem Zerstoerungstriebe des Kindes, oder war es der allen Menschen innewohnende Drang, sich gegen das aufzulehnen, dessen Einfluss man sich nicht entziehen kann--es schien, als wenn die akademische Jugend sich in uebermuetiger Herabwuerdigung des Weibes gar nicht genugtun konnte. Lore, die ich nicht ausser acht gelassen, sass einsam auf demselben Platze, wohin sie von dem Raugrafen gefuehrt worden war. Sie schien es sich erzwungen zu haben, dass zu jenem Tanze niemand sie auch nur aufgefordert hatte. Waehrend bald darauf, vielleicht des Kontrastes halber, ein Kontertanz mit aller Feierlichkeit ausgefuehrt wurde, ging ich mit einem Bekannten in das Seitenzimmer. Wir trafen mehrere aeltere Studenten, und bald waren wir, unsre Bierseidel vor uns, in ein alle gleicherweise interessierendes Gespraech ueber die Eventualitaeten des bevorstehenden Examens vertieft. Als nebenan die Musik absetzte, kamen noch einige der Tanzpaare zu uns an den Tisch; der Raugraf mit Lore war auch darunter.--Sie setzte sich neben ihn, waehrend er die Speisekarte musterte, und bald hatte der Kellner einige Schuesseln und eine Flasche Champagner vor den beiden hingestellt. Der Kork wurde behutsam abgenommen-- der Raugraf liess niemals einen Champagnerpfropfen knallen--, und der schaeumende Wein floss in die Glaeser. Die andern Maedchen, denen ein einfacheres Mahl serviert war, stiessen ihre Taenzer heimlich mit den Ellenbogen; und auch meine Aufmerksamkeit war bald ausschliesslich auf dieses Paar gerichtet.--Lore hatte ihr blasses Gesicht in die eine Hand gestuetzt, waehrend die andre wie vergessen an dem Fuss des vollen Glases ruhte; der Raugraf beschaeftigte sich behaglich mit seinem Lerchensalmi und schluerfte schweigend seinen Wein dazu. "Willst du nicht essen, Lore?" fragte er endlich. Sie schuettelte den Kopf. Er sah sie einen Augenblick an. "Du willst nicht?--Nun", setzte er ruhig hinzu, "deine Sache!" Dann schenkte er sich ein und setzte seine Mahlzeit fort. Das Maedchen hatte indessen ihr Glas an die Lippen gefuehrt und es mit einem durstigen Zug hinabgetrunken. Ohne den Kopf zu erheben, der noch immer muede in ihrer Hand ruhte, nahm sie die Flasche und hielt sie schwebend ueber dem leeren Glase, so dass der Wein langsam hineinfloss und nur allmaehlich schaeumend in dem Kelch aufstieg. Ihre Augen blickten mit einem Ausdruck von Trostlosigkeit darauf, als sehe sie ihr Leben aus der Flasche rinnen. Sie achtete auch nicht darauf, als der Schaum aus dem Glase auf den Tisch und von diesem auf den Boden floss; nur ihre andre Hand schien sich immer fester in das schwarze seidige Haar hineinzuwuehlen. "Schoene Dame", fluesterte ein huebscher milchbaertiger Junge, waehrend er wie bettelnd ihr sein leeres Glas entgegenhielt, "einen Tropfen von Eurem Ueberfluss!" Lore blickte nicht auf; aber ich sah, wie es fluechtig um ihre Lippen zuckte. "Was denn, Fuchs, was hast du?" fragte einer von den Alten, der sich bisher nur mit seinem Glase beschaeftigt hatte. "Oho, Stoffvergeudung!" rief er ploetzlich und legte seine Hand auf den Arm des Maedchens. Der Raugraf war nur ein wenig zur Seite gerueckt, als der Wein neben ihm auf den Boden tropfte. "Lass sie", sagte er, "es ist ihre Natur so.--Nicht wahr, Lore", setzte er hinzu, indem er sich laechelnd zu ihr wandte, "wir beide, wir verstehen uns aufs Vergeuden!" Sie setzte die Flasche auf den Tisch und warf ihm einen Blick voll unergruendlichen Hasses zu. Dann stand sie auf und ging nach der Tuer, die in den Saal fuehrte. Aber er war zugleich mit ihr aufgesprungen. Ein Ausdruck verbissenen Jaehzorns entstellte die schoenen regelmaessigen Gesichtszuege. "Was faellt dir ein!" fluesterte er und packte mit Heftigkeit ihren Arm. Sie blieb stehen, ohne dass sie Miene machte, sich von seiner Hand zu loesen; nur ihre dunkeln glaenzenden Augen blickten ihn fragend und verachtend an. Eine Weile ertrug er es; dann zog er die Hand zurueck, und indem er ein kurzes Lachen ausstiess, trat er wieder an den Tisch und schenkte langsam die Neige aus der Flasche.--Lore sah ich durch die Saaltuer zwischen den Tanzenden verschwinden. Mir quoll das Herz; ich hatte aus der Ecke, wo ich sass, alles genau beobachtet. Nach einer Weile machte ich mich los und trat in den Saal, um sie zu suchen. Sie war nicht unter den Tanzenden; als ich mich aber zwischen den walzenden Paaren durchgedraengt hatte, sah ich sie in einer Fensternische stehen und scheinbar regungslos in das Gewuehl hineinstarren; sie war fast so blass wie die weisse Rose in ihrem Haar. "Sie erinnern sich meiner wohl nicht mehr?" fragte ich, indem ich auf sie zutrat. Eine tiefe Roete ueberflog auf einen Augenblick ihr Antlitz. "O doch!" sagte sie leise. "Wollen wir tanzen, Lore?" Sie senkte, waehrend sie mir die Hand reichte, den Kopf so tief, dass ich ihre Augen nicht zu sehen vermochte; aber ich sah, wie ihre kleinen weissen Zaehne sich tief in ihre Lippe gruben. So tanzten wir denn zusammen; nur ein paar Runden; denn auch sie mochte fuehlen, dass es mir nicht ums Tanzen war. Bald standen wir nebeneinander vor der grossen Ausgangstuer, deren beide Fluegel weit geoeffnet waren. Ich blickte unwillkuerlich hinaus; es war sehr finster, nur die Staemme der naechsten Buchen waren von dem herausfallenden Schein beleuchtet. Aber ein Strom bewegter Nachtluft trieb erfrischend gegen uns heran, und waehrend von der einen Seite das Kreischen der Geigen und das Scharren der Tanzenden an mein Ohr schlug, vernahm ich zugleich von draussen das traumhafte Rieseln in den Laubkronen des Waldes. Das Maedchen stand neben mir, ohne zu sprechen, die Augen zu Boden geschlagen.--Ich fasste mir ein Herz. "Wie mag es Christoph gehen?" fragte ich. Sie fuhr zusammen und murmelte etwas, das ich nicht verstand; aber auf ihren blassen Wangen wurden zwei dunkelrote Flecken sichtbar. "Was wuerde er sagen", fuhr ich fort, "wenn er hier waere!" Ich sah, wie sie nach Atem rang und wie ihre herabhaengende Hand krampfhaft an dem Kleide fingerte. "O bitte", stiess sie leise hervor, "nicht hier, nur nicht hier!" "Wo denn? Wollen Sie mich hoeren, Lore?" Sie blickte zu mir auf. "Draussen", sagte sie leise, "ich werde gleich herauskommen; lassen Sie uns abtreten nach dieser Runde!-- Ich habe Sie schon bitten wollen, als ich Sie vorhin im Nebenzimmer sitzen sah." Wir tanzten noch einmal; dann fuehrte ich sie zu Platz und trat durch die Tuer in den kleinen Saeulengang hinaus.--Es donnerte in der Ferne, und als ich die beiden Stufen ins Freie hinabstieg, wetterleuchtete es, dass ich auf einen Augenblick die einzelnen Baumstaemme bis an die See hinab und drunten das Blinken des Wasserspiegels unterscheiden konnte. Ich ging um das Haus herum bis an die Kegelbahn und wartete dort. Nicht lange, so sah ich auch den Schimmer eines weissen Kleides, ich hoerte den leichten Schritt des Maedchens, und gleich darauf stand sie selbst tief aufatmend vor mir.--So war ich denn endlich wieder mit ihr allein, im Dunkel, in der Sommernacht; aber es waren andre Zeiten. Ehe ich sie anzureden vermochte, hatte sie ein Papier aus der Tasche gezogen, der Schein eines Blitzes fuhr darueber, und ich erkannte Poststempel und Siegel des Briefes. "Es ist von Christoph", sagte Lore, indem sie das Papier in meine Hand legte, die ich unwillkuerlich danach ausgestreckt hatte. "Von Christoph!" rief ich. "Wann haben Sie den Brief erhalten?" "Heute!" erwiderte sie leise. "Und Sie sind doch hierhergekommen?" Sie schwieg. "Darf ich den Brief lesen, Lenore?" "Ich habe Sie darum bitten wollen." Ich ging an eines der erleuchteten Saalfenster in der hintern Front des Hauses.--Lenore war mir langsam gefolgt, und ich fuehlte, wie waehrend des Lesens ihre Augen unablaessig auf mich gerichtet waren. Es war ein langer Brief; Christoph gab von seinem Schweigen Rechenschaft. Er hatte das Geschaeft seines Oheims uebernommen; aber die Verhaeltnisse waren lange in der Schwebe gewesen, da alles von einer Verheiratung der Tochter mit einem wohlhabenden Schornsteinfegermeister abgehangen; schon sei er, da eben ein neugieriger Schneider aus der Heimat ihn besucht habe, mit dem Geraete zu ihrer Hochzeitskammer beschaeftigt gewesen, als die ganze Sache noch einmal in Frage gestellt worden sei. Jetzt aber war endlich alles geordnet, die Tochter hatte Hochzeit gemacht, und er selbst sollte in den naechsten Tagen das Meisterrecht in der fremden Stadt erwerben. Dann lud er sie ein, zu kommen, da er nicht fort koenne, um sie zu holen. "Sobald ich deine Antwort habe", das waren die letzten Worte des Briefes, "schicke ich dir das Reisegeld; es liegt schon abgezaehlt und eingesiegelt. Das Haus wirst du leicht erkennen; neben der gruenen Bank, die vor der Tuer ist, steht eine Linde, wie daheim vor deinem Elternhaus; eine Kammer, die ich selber fuer die jungen Meistersleute hergerichtet habe, ist ganz davon beschattet."-- Ich hatte den Brief zusammengefaltet und reichte ihn zurueck. Aber Lore schuettelte den Kopf. "Schreiben Sie ihm, Herr Philipp!" sagte sie, waehrend eine Traene nach der andern ueber ihre Wangen tropfte, und leise und muehsam setzte sie hinzu: "Er hat es gut gemeint." "Und Sie wollen nicht selber kommen?" fragte ich. Sie sah mich an, mit einem Blick so voll von flehender Verzweiflung, dass ich bereute, diese Frage an sie getan zu haben. "Lore", sagte ich, "kann denn niemand helfen?" Sie senkte den Kopf, indem sie mit der Stirn an eine Fensterscheibe lehnte; die weisse Rose lag noch immer duftend auf dem glaenzend schwarzen Haar. "Er war, da er noch lebte, nur ein armer toerichter Mann", sagte sie, und ihre Stimme brach fast in verhaltenem Schluchzen, "aber er war doch mein Vater, und es hat mich sonst doch keiner so geliebt--er wuerde mich auch jetzt noch nicht verstossen." Als sie das gesagt hatte, schwiegen wir beide; nur hatte ich, ohne dass ich es wusste, ihre beiden Haende ergriffen, und sie liess sie mir. --Da hoerte ich von der andern Seite des Hauses, von der Halle her, die Stimme des Raugrafen ihren Namen rufen. Sie fuhr zusammen. "Lore", sagte ich, "koennen Sie denn nicht los von jenem Menschen?" Ihre Augen blickten mich gross und traurig an. "O doch!" sagte sie leise, und mir war, als saehe ich ein Laecheln um ihren Mund, aber ein Laecheln wie in verhuellter Arglist.--Indem wurde noch einmal und mehr in unsrer Naehe gerufen. Sie trocknete hastig ihre Augen. "Leb wohl, Philipp, leb wohl!" fluesterte sie. Ich empfand den Druck der beiden kleinen Haende; dann war sie fort. Wie lange ich noch unter den Baeumen auf und ab gegangen, weiss ich nicht. Ich kam erst wieder zu Bewusstsein der Dinge um mich her, als drinnen im Saale ploetzlich die Tanzmusik aufhoerte und ich statt dessen das Schreien der grossen Eulen vernahm, die tiefer im Walde ihr Wesen trieben. Als ich dann, um ueber die Steintreppe zu dem Fussweg zu gelangen, an der vordern Front des Hauses vorueberging, sah ich Lore noch einmal. Sie stand unter der Halle, den Arm um eine der Saeulen geschlungen, und blickte durch die Baeume auf den See hinab, wo eben ein Wetterschein blendend ueber das Wasser leuchtete. Am Strande Ich hatte lange schlaflos auf einem Kissen gelegen, an einem Plane sinnend, wie ich Lore mit Hilfe meiner Mutter einen andern Zufluchtsort eroeffnen moechte und, was vielleicht das schwierigste sei, wie ich sie ueberreden koenne, einen solchen anzunehmen. Als ich am andern Morgen spaet erwachte, stand Fritz Buergermeister, wie wir ihn als Knaben zu nennen pflegten, vor meinem Bett und lachte mich mit seinen treuen Augen an.--Bald sassen wir nebeneinander im Sofa, und Fritz hatte vollauf von gemeinschaftlichen Freunden zu erzaehlen, die er in Heidelberg zurueckgelassen. Aber ich hoerte nur mit halbem Ohr; meine Gedanken waren bei dem Erlebnis der vergangenen Nacht. Einige Zeit nachher, als wir auf meinen Vorschlag das Haus verlassen und am Strande entlang in der schattigen Ulmenallee nebeneinander gingen, entlastete ich mein Herz und berichtete ihm alles, was ich ueber Lore und mit ihr selbst erfahren hatte. Fritz hoerte schweigend zu, nur mitunter murmelte er halblaut einen derben Fluch, indem er die im Wege liegenden Steine mit dem Fusse fortstiess, oder er fuehrte einen Hieb in die Luft, als haette er einen Schlaeger in der Faust. Es blieb auch nicht bei diesem Zeichen; acht Tage spaeter stand er dem Raugrafen auf der Mensur gegenueber. Aber der Raugraf schlug eine gefaehrliche Terz, und Fritz erhielt einen "Schmiss", dessen Narbe noch jetzt, wenn der Zorn ihm aufsteigt, wie ein roter Blitz ueber seine Stirn flammt.-- Als wir aus der Allee in den Wald gekommen waren und fast die Stelle erreicht hatten, wo der Fussweg die Anhoehe nach dem Tanzhause hinaufgeht, sahen wir auf der andern Seite jenseits der Baeume mehrere Menschen auf dem Strande. Sie standen dicht am Wasser und schienen damit beschaeftigt, etwas, das man nicht unterscheiden konnte, auf den Boden niederzulegen. In demselben Augenblick kam auch ein Mann in Fischerkleidung in den Weg hinauf. "Was gibt's da unten?" fragte ich im Voruebergehen. "Nichts Gutes, Herr!" war die Antwort. "Ein junges Frauenzimmer ist verunglueckt." "Lore!" rief ich und ergriff unwillkuerlich die Hand meines Freundes. Er stiess einen Laut des Schreckens aus. "Was redst du nur!" sagte er abwehrend. Gleichwohl stiegen wir in stummem Einverstaendnis durch die Baeume an den Strand hinab. Ich hoerte waehrenddes die Leute drunten miteinander reden. "Was der gefehlt haben mag?" sagte eine rauhe Stimme. "Es muss doch eine von den vornehmen Fraeuleins sein!--Und in vollem Staat ins Wasser gegangen." Dann wurde es wieder still; nur die Wellen rauschten in der Morgenluft. Als wir zwischen den Baeumen heraustraten, wurde ich fast vom Sonnenschein geblendet, der in vollstem Glanze vor uns ueber die weite Meeresbucht gebreitet war.--Und in diesem Sonnenglanze lag auch sie; die Fischer traten bei unsrer Annaeherung zur Seite, und wir konnten sie ungestoert betrachten. Es war kein Zweifel mehr. Das bleiche Gesichtchen ruhte auf dem Ufersande; die kleinen tanzenden Fuesse ragten jetzt regungslos unter dem Kleide hervor; Seetang und Muscheln hingen in den schwarzen triefenden Haaren. Die weisse Rose war fort; sie mochte ins Meer hinausgeschwommen sein. Viele Jahre sind seit jenem Morgen vergangen.--Auf dem Kirchhofe der Universitaetsstadt, abseits im hohen Grase, liegt eine weisse Marmortafel: "Lenore Beauregard" steht darauf.--Drei Heimatsgenossen, in verschiedenen Teilen des deutschen Landes lebend, haben sie gestiftet. Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Auf der Universitaet Lore, von Theodor Storm. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, AUF DER UNIVERSITAT LORE *** This file should be named 7unvr10.txt or 7unvr10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7unvr11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7unvr10a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. 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